Wieso Calvin Gemeindezucht als wesentlich für die Gesundheit einer Gemeinde erachtete

Artikel von Matthew Tuininga
1. März 2018

Bald nachdem Johannes Calvin als Pastor der Genfer Kirche berufen wurde, nachdem er erst kurz zuvor als Flüchtling vor der Verfolgung in seinem Heimatland Frankreich angekommen war, war eine seiner ersten Amtshandlungen, die Stadtführung um die Einsetzung von Gemeindezucht zu bitten. Das war eine schwere Sache. In keiner anderen reformierten Stadt hatten die Stadtobersten den Kirchenvorstehern solch eine Autorität verliehen. Die Reformatoren Zwingli und Bullinger vertraten die Meinung, dass die Aufsicht über das moralische Leben der Christen den Richtern obläge. Die meisten reformierten Theologen und Stadtführer verbanden Gemeindezucht mit päpstlicher Tyrannei.

Calvin gestand ein, dass die römische Kirche Gemeindezucht aufs schwerste missbraucht hatte, indem sie sie auf tyrannische Weise einsetzte, um alle möglichen Ziele zu erreichen. Um dieses Übel zu verhindern, rief er die Stadtobersten auf „Personen von gutem Leben und Leumund einzusetzen“, um einen Hirtendienst über die Menschen auszuüben. Diese Ältesten, zusammen mit den Pastoren, würden sich an die Vorgehensweise aus Matthäus 18 halten, durch die bekennende Christen sich gegenseitig über ihr Leben in der christlichen Jüngerschaft zur Rechenschaft ziehen.

Calvin und sein Konsistorium

Obwohl der Stadtrat auf dieses Ersuchen Calvins einging, wurde schnell klar, dass es praktisch viele Meinungsverschiedenheiten gab. Calvin wurde sogar aus der Stadt verbannt. Innerhalb von drei Jahren bat ihn die Stadt jedoch zurückzukehren. Obwohl er widerwillig war, stimmte er seiner Rückkehr zu, unter der Bedingung, dass Gemeindezucht eingeführt würde. Die Stadt gab nach, obwohl es noch fast 15 Jahre Auseinandersetzungen gab, bis das Konsistorium – eine Gruppe von Pastoren und Ältesten mit dem Auftrag, den Dienst der Gemeindezucht zu beaufsichtigen – diese politische Einmischung unterbinden konnte.

Calvins Konsistorium züchtigte die Mitglieder der Genfer Kirche für ein breites Spektrum an Sünden, einschließlich Götzendienst, Gewalt, sexuelle Unzucht, Eheprobleme und zwischenmenschliche Konflikte. Sie züchtigten Männer, die ihre Frauen und Kinder misshandelten, Söhne, die sich weigerten, für ihre betagten Eltern zu sorgen, Vermieter, die ihre Mieter ausbeuteten, Ärzte, die sich nicht ordentlich um die Kranken sorgten, Händler, die Wucherpreise verlangten oder Wettbewerb verhinderten und Arbeitgeber, die ihre Arbeiter ausbeuteten oder misshandelten. Obwohl viele Menschen vor das Konsistorium gebracht und vom Abendmahl ausgeschlossen wurden und von ihnen öffentliche Buße oder Versöhnung verlangt wurde, wurden doch sehr wenige dauerhaft aus der Kirche ausgeschlossen (d.h. von den Sakramenten dauerhaft ausgeschlossen).

Gemeindezucht: eine Verlängerung des Wortes

Calvin erachtete Gemeindezucht als eine notwendige Verlängerung des kirchlichen Dienstes am Wort und Sakrament. Obwohl er sie nicht als ein Merkmal der Kirche identifizierte, bestand er jedoch darauf, dass Gemeindezucht wesentlich ist für die geistliche Gesundheit eine Kirche, ohne die eine Kirche nicht lange überdauern kann.

Gemeindezucht war notwendig, um die Ehre Gottes und die Integrität des Abendmahls zu bewahren, um Mitglieder der Kirche davor zu schützen, durch andere Mitglieder vom rechten Weg abgebracht zu werden und diejenigen, die nicht mehr auf dem richtigen Weg waren, zur Buße zu rufen.

Gemeindezucht und das Abendmahl

Im Herzen von Calvins Leidenschaft für die Ausübung von Gemeindezucht war seine Sorge, dass das Abendmahl nicht zu einem bloßen Ritual oder zur Heuchelei verkommt. Das Abendmahl ist nicht lediglich eine Feier der Sündenvergebung, so Calvin, sondern eine Gemeinschaft von Brüdern und Schwestern in „Liebe, Frieden und Eintracht“. Calvin sagte: „Keiner der Brüder kann verletzt, verachtet, verstoßen, missbraucht oder auf irgendeine Weise beeinträchtigt werden, ohne dass gleichzeitig Christus durch die Fehler, die wir begehen, verletzt, verachtet und missbraucht wird; wir können nicht mit unseren Brüdern streiten, ohne gleichzeitig mit Christus zu streiten; wir können nicht Christus lieben, ohne die Brüder zu lieben; wir sollten uns um die Leiber der Brüder kümmern wie um unsere eigenen; denn wir sind Glieder eines Leibes; und so wie kein Glied unseres Leibes Schmerz verspürt, ohne dass sich der Schmerz auf den ganzen Rest ausbreitet, so dürfen wir auch nicht zulassen, dass ein Bruder vom Bösen befallen wird, ohne dass wir von Mitgefühl berührt werden“ (Institutio, 4.17.38).

Kurz gesagt, wenn Christen das Abendmahl feiern, während einer den anderen ausnutzt, bedrückt oder missbraucht, dann verlästern wir es.

Gemeindezucht: geistlich, nicht politisch

Calvin bestand darauf, dass Gemeindezucht nicht ein Ausdruck politischer Macht sei, sondern geistlicher. Sie wird nicht mit Zwang, sondern pastoral ausgeübt. Gewiss, wenn sie willkürlich geschieht, kann Gemeindezucht zu einer Tyrannei werden. Aber Calvin verlangte, dass eine Person nur für Verhalten gezüchtigt werden konnte, das klar und offen sündig war nach der Schrift, und nur so lange die Person sich weigerte, für das Verhalten Buße zu tun.

Ferner, wo Sünde so offensichtlich, bekannt und hartnäckig war, verkündigten die Ältesten und Pastoren der Gemeinde, wenn sie Gemeindezucht ausübten, lediglich die Wahrheit von Gottes Wort, wie sie sich auf den unbußfertigen Menschen bezog. Folglich war Gemeindezucht, wie die Predigt, eines der Dinge, was Jesus die Schlüssel des Himmelreichs nannte, wodurch den Bußfertigen durch die Verkündigung des Evangeliums des Reich geöffnet und den Unbußfertigen verschlossen wurde.

Wie Calvin es ausdrückte: „Der Herr bezeugt, dass solches Urteil durch die Gläubigen nichts anderes ist als die Verkündigung seines eigenen Urteils, und das, was sie auf der Erde getan haben, auch im Himmel ratifiziert ist. Denn sie haben das Wort Gottes, wodurch sie die Verkehrten verurteilen können; sie haben das Wort, wodurch sie die Bußfertigen in Gnade aufnehmen können. Sie können nicht irren oder mit Gottes Urteil nicht übereinstimmen, denn sie richten einzig nach dem Gesetz Gottes, welches keine ungewisse oder irdische Meinung ist, sondern Gottes heiliger Wille und himmlischer Ausspruch“ (Institutio, 4.11.2).

Gemeindezucht und das Ziel der Errettung

Für Calvin war entscheidend, dass das oberste Ziel der Gemeindezucht nicht Rache, sondern Errettung ist. Er lehnte Praktiken permanenter Buße oder ritueller Demütigung ab und warnte, dass der „Eifer für Gemeindezucht“ oft zu einer „pharisäischen Strenge“ führt, die „dem Schuldiger zum Verderben und nicht zur Heilung gereicht“ (siehe sein Kommentar zu 2. Korinther 2,11). Sobald eine gezüchtigte Person Buße tut, sollte er oder sie unmittelbar wieder in volle Gemeinschaft aufgenommen werden.

Wenn Gemeindezucht gnadenreich und nach dem Wort Christi ausgeübt wird, stellt sie sicher, dass die Gemeinde nicht ein falsches oder leeres Evangelium der billigen Gnade predigt, sondern ein Evangelium mit der Kraft, Menschen zu einer echten Gemeinschaft mit Gott und einander zu führen. Noch einmal Calvin: „Gemeindeausschluss führt nicht dazu, dass Menschen von Gottes Volk weggestoßen werden, sondern sie sollen zurückgeführt werden, nachdem sie auf Abwege geraten sind“ (siehe sein Kommentar zu 2. Thessalonicher 3,15).

Für Calvin drückte Gemeindezucht die Liebe eines Vaters aus, der nicht zulässt, dass seine Kinder auf Abwege geraten, zu ihrem eigenen Schaden oder sogar Tod, sondern der Einschränkungen und Korrektur einsetzt, wo es nötig ist, um ihr Gedeihen zu sichern. Sie ist für die Gesundheit und das Überleben der Gemeinde notwendig, weil sie gewährleistet, dass die Religion, die wir ausüben, nicht die Religion der Heuchelei, sondern der Gnade ist, die zu Rechtschaffenheit und Leben führt.


Dieser Artikel von Matthew Tuininga erschien zuerst bei 9Marks Ministries. Übersetzung und Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.