Ja, die Bibel lehrt Gemeindemitgliedschaft (Teil 1)
Bei den meisten Leuten lässt das Wort „Mitgliedschaft“ wahrscheinlich keine Welle von tiefen geistlichen Gefühlen aufkommen. Für viele von uns ist Mitgliedschaft etwas, was wir mit Werbepost von Versicherungsunternehmen oder mit aggressiven Verkaufsmaschen im Fitnessstudio verbinden. In Bezug auf Gemeinde wird sie vielleicht für ein bürokratisches Instrument gehalten, um den Überblick über die Leute zu behalten. Einige halten es für unwiederbringlich westliches bzw. ein schwaches, imperialistisches Konzept, das aufgegeben werden sollte, wenn wir beginnen, Gemeinden in anderen Kulturen zu gründen.
Ich verstehe diesen Eindruck, besonders angesichts der Tatsache, wie Gemeinden mit dem Konzept und der Realität der Mitgliedschaft umgehen. Wir sollten uns jedoch der Bibel zuwenden und schauen, ob sie über Gemeindemitgliedschaft spricht und wenn ja, was in erster Linie das Wesen, die Bedeutung und der Zweck dieses Konzepts ist.
Gemeindemitgliedschaft bei Jesus
Die Idee der Gemeindemitgliedschaft hat in Matthäus 16 und 18 angefangen, Gestalt anzunehmen: Jesus spricht dort über die Grundlegung seiner Gemeinde. Er übergibt der Gemeinde die Schlüssel des Königreichs, also die Vollmacht, in seinem Namen über das zu sprechen, was das Evangelium ist und wer das Evangelium in rechter Weise bekennt.
Wenn jemand das Evangelium richtig versteht und bekennt, ist die Gemeinde durch den König Jesus bevollmächtigt zu sagen: „Ja, dein Glaube an Jesus ist echt“, und diese Person sollte getauft werden und sich der Gemeinde anschließen. Wenn nicht, ist die Gemeinde auch durch den König bevollmächtigt zu sagen: „Nein, du verstehst das Evangelium nicht, bekennst es nicht und lebst auch nicht danach; deswegen werden wir nicht länger bestätigen, dass du Christ bist.“ Dies ist die Schlüsselgewalt, die Jesus der Gemeinde gegeben hat. Ferner ist das Vermögen, zu bestätigen, wer das Evangelium richtig bekennt und wer nicht, der Umriss dessen, was wir unter dem Begriff „Gemeindemitgliedschaft“ verstehen.
Gemeindemitgliedschaft in der Apostelgeschichte
Diese Realität zeigt sich vom Beginn der Gemeinde an, niedergeschrieben in der Apostelgeschichte. Am Pfingsttag predigte Petrus das Evangelium und sagt den Zuhörern, sie sollen sich taufen lassen. Danach, in Apostelgeschichte 2,41, „wurden … etwa dreitausend Seelen [ihrer Anzahl] hinzugetan.“ Schon am Anfang wussten die ersten Christen, wer dazu gehört. Das Gemeindeleben war nicht nur eine Angelegenheit von „komm, wann du kannst“. Es gab eine fest definierte Gruppe von Leuten, die glaubten, getauft waren und Teil dieser Gemeinschaft waren. Sie kannten sich jedoch nicht nur untereinander. Diese ersten Christen teilten ihr Leben miteinander. Gemeinsam besuchten sie den Tempel (2,46), während immer mehr hinzugetan wurden (2,47), bis sie in Apostelgeschichte 4,4 auf 5000 (nur die Männer wurden gezählt) angewachsen waren! Teil dieser „Anzahl“ zu sein war nicht nur eine leblose, bürokratische Realität. Apostelgeschichte 4,32 berichtet, dass sie „ein Herz und eine Seele“ waren.
Erstaunlicherweise traf sich die frühe Kirche in Jerusalem weiterhin gemeinsam, sogar mit einer „Anzahl“ von über 5000 Leuten. Apg 5,12 berichtet, dass sie sich „alle zusammen“ an einem Ort trafen, der die Säulenhalle Salomos genannt wurde; in 6,2 heißt es sogar, dass „die ganze Anzahl“ in einer Versammlung zusammen kam, um zu besprechen, wie sie besser für die Witwen sorgen könnten. Deswegen haben sich die frühen Christen selbst als Gemeinde bezeichnet, als eine Versammlung bzw. eine Zusammenkunft.
So wussten die ersten Christen der großen Gemeinde in Jerusalem, wer dazu gehörte. Es gab solche, die Teil dieser Gemeinschaft waren und jene, die es nicht waren, wobei die Trennlinie zwischen diesen Beiden die Taufe war. Wenn jemand gläubig wurde, übte die Gemeinde die Schlüsselgewalt aus und sagte: „Ja, du scheinst ein wirklich Glaubender zu sein“. Daraufhin wurde er oder sie getauft und dem Gemeindeleben angeschlossen. Der oder die Getaufte bekam Anteil an den Freuden, Schmerzen, Schwierigkeiten und Lösungen der Gemeinde. Das bedeutet Mitgliedschaft.
Gemeindemitgliedschaft im gesamten Neuen Testament
Mitgliedschaft ist auch an anderen Stellen in der Bibel zu finden. Es ist zum Beispiel in Matthäus 18 zu sehen, wo Jesus erklärt, wie die Gemeinde ihre Schlüsselgewalt gebrauchen soll, um ihre Affirmation des Glaubensbekenntnisses eines Menschen aufzuheben. Am Ende dieses Prozesses wird die Person zu einem Außenstehenden. Das bedeutet, dass sie nicht länger zur Anzahl der Gläubigen in der Gemeinde dazugehört.
1. Korinther 5 gibt uns einen Einblick in eine vergleichbare Situation, in welcher Paulus der Gemeinde in V. 5,2 anordnet, „diesen Mann aus eurer Mitte zu entfernen”. Offensichtlich ist damit nicht gemeint, dass sie ihn körperlich aus dem Raum werfen oder die Türen vor ihm verbarrikadieren sollten. Nein, was sie wollten, war, dass der Mann weiterhin die Versammlungen der Gemeinde besucht, Gottes Wort hört und umkehrt. Ihn zu „entfernen“ heißt, ihm klarzumachen, dass sie ihre Bestätigung seiner Behauptung, ein Christ zu sein, zurückziehen. Wenn ihr versammelt seid, sagt Paulus ihnen, „überliefert ihn dem Satan“. Das ist die Sprache des Königreichschlüssels: Sie sollen ihn aus der Gemeinde (dem Bereich des Königs Jesus) in die Welt (dem Bereich des Satans) übergeben.
Greg Gilbert ist leitender Pastor der Third Avenue Baptist Church in Louisville, Kentucky (USA). Er hat mit einen B.A. an der Yale University und mit einen MDiv. am The Southern Baptist Theological Seminary abgeschlossen. Er ist der Autor von What Is the Gospel? (dt.: Was ist das Evangelium?, 3L Verlag) und der Mitautor von What Is the Mission of the Church? (dt.: Was ist der Missionsauftrag der Gemeinde?, 3L Verlag). Im Jahre 2015 war er Hauptredner der Evangelium21-Konferenz, seine Vorträge können hier nachgehört werden.