Fünf Dinge, auf die du bei deiner Predigt nicht vertrauen solltest

Artikel von Thabiti Anyabwile
23. September 2016

Ich vermute, dass der durchschnittliche Christ keine Vorstellung davon hat, wie tückenreich der Dienst des Predigers sein kann. Wir brauchen keine spezielle Ausbildung um zu bemerken, dass ein Prediger beim Halten seiner Predigt unsicher wird. Man kann es förmlich spüren. Und so gut wie jeder Christ, der nur ein wenig Erfahrung hat, weiß, dass Stolz zu den größten Versuchungen jedes Predigers gehört. Daher warnt der Apostel Paulus auch ganz deutlich vor der Gefahr der Überheblichkeit, als er auf die Qualifikationen eines Pastors zu sprechen kommt (vgl. 1Tim 3,6).

Allerdings gibt es noch andere, weniger offensichtliche Herausforderungen im Leben eines Predigers als den Stolz. Nehmen wir zum Beispiel das Vertrauen. Ich vermute, die meisten Prediger haben regelmäßig damit zu kämpfen, sich auf die wirklich entscheidenden Dinge beim Predigen zu verlassen. Vielleicht liege ich mit dieser Vermutung auch falsch und es geht nur mir so, aber vielleicht kennen auch andere das Problem. Meines Erachtens kann es sehr schnell geschehen, dass ein Prediger –  völlig unbeabsichtigt –  auf sich und seine eigenen Leistungen vertraut.

Deshalb möchte ich fünf Dinge nennen, auf die wir beim Predigen nicht vertrauen sollen:

1. Setze dein Vertrauen nicht in deine Vorbereitung

Dieser Punkt ist echt knifflig, denn ich bin davon überzeugt, dass eine gute Predigtvorbereitung absolut unverzichtbar ist. Predigen ist Schwerstarbeit und nichts für Faule. Zudem ist eine gute Vorbereitung nötig, damit sich der Prediger mit dem Text vertraut macht und genau weiß, was er zu sagen hat.

Allerdings sollten wir niemals den Fehler machen auf unsere Vorbereitung zu vertrauen, als läge jeder Erfolg oder Misserfolg allein an ihr. Wir dürfen uns weder auf unsere Exegese noch auf unsere homiletischen Entdeckungen verlassen oder auf die vielen Stunden, die wir mit Kommentare wälzen verbracht haben. All diese Dinge sind sehr nützlich aber sie reichen niemals aus.

2. Setze dein Vertrauen nicht in deinen geistlichen Zustand

Es kann vorkommen, dass ein Prediger den Erfolg seines Dienstes von seinem geistlichen Zustand abhängig macht – nach dem Motto: Wenn es gut läuft, dann wird auch die Predigt gut laufen! Auf diese Weise wird die eigene Hingabe zu einer Art Vorbereitung, auf die wir unser Vertrauen setzen, und der Prediger wird zu einer Art „professioneller Christ“.

Was aber, wenn man gerade eine geistliche Durststrecke erlebt? Sobald wir anfangen uns auf unseren gegenwärtigen geistlichen Zustand zu verlassen, werden wir uns während dieser „Durststrecken“ auf der Kanzel unwohl fühlen und den Wert unseres Dienstes in Zweifel ziehen. Tatsächlich gebrauchte Gott den deprimierten Elia und den verzweifelten Jeremia in derselben Weise, wie Er den zuversichtlichen Apostel Paulus im Gefängnis in Philippi gebrauchte. Es ist keine Frage, dass wir auf unseren geistlichen Zustand achthaben sollen (vgl. 1Tim 4,16), aber wir dürfen ihn nicht als Maßstab für die Effektivität unseres Predigens ansehen.

3. Setze dein Vertrauen nicht in deine Gaben

Ich könnte mit der Annahme falsch liegen aber ich habe das Gefühl, dass in den letzten Jahrzehnten ein immer größeres Vertrauen und eine viel stärkere Betonung auf „Begabungen“ gelegt wird, als es bisher der Fall war. So hört man häufig Sätze, wie: „Er ist ungewöhnlich begabt“ oder: „Er ist so ein begnadeter Prediger.“ Lasst uns den Heiligen Geist dafür preisen, dass Er der Gemeinde begabte Menschen gibt! (vgl. Eph 4,11).

Aber ein übermäßiges Vertrauen in „Begabungen“ hat schon häufig dazu geführt, dass Männer nicht mehr auf ihr Innerstes achteten. So wurden unzählige Sünden unter dem Deckmantel der „Begabung“ verhüllt. Manche Gemeinden würden einen „begabten“ Pastor sogar einem gottesfürchtigen vorziehen. Aber auch wenn unsere Begabungen uns „Zutritt zu den Großen“ verschaffen können (vgl. Spr 18,16), können sie doch niemals der überwältigenden Verantwortung der Verkündigung des Evangeliums gerecht werden. Also vertraue nicht in deine Gaben, sondern gebrauche sie.

4. Setze dein Vertrauen nicht in deine Einfälle

Diesen Punkt muss ich genauer erklären. Manchmal finden Prediger eine Aussage in einem Text – eine umwerfende Erkenntnis oder eine gute Anwendung – und sie setzen ihr ganzes Vertrauen in dieses eine „Aha-Erlebnis“. Es ist unglaublich, wie sehr uns ein Einfall während der Predigtvorbereitung gedanklich gefangen nehmen kann. Wir können so sehr von der Durchschlagskraft eines Einfalls überzeugt sein, dass wir die gesamte Predigt nur auf diesen einen Gedanken hin ausrichten und dabei die eigentliche Aussage des Textes völlig aus den Augen verlieren. Das Resultat ist, dass wir während des Predigens unser ganzes Vertrauen in diesen einen Gedanken setzen, in der Hoffnung, dass er die Zuhörer packen und verändern wird.

Das Problem dabei ist aber, dass unsere Zuhörer keine Einfälle brauchen. Sie brauchen Gottes Wort! Und ehrlich gesagt sind solche Einfälle häufig nur für den Prediger selbst packend, weil Gott uns aus der Monotonie des Vorbereitens herausreißen und zu uns Predigern sprechen will! Also lasst uns weniger auf unsere Einfälle vertrauen, sondern vielmehr auf die schlichten Erläuterungen und Anwendungen, die Gottes Wort uns darreicht.

5. Setze dein Vertrauen nicht in das Urteil deiner Zuhörer

Die wohl riskantesten Augenblicke für einen Prediger sind die zwanzig Minuten nachdem er seine Predigt beendet hat und den Gottesdienstbesuchern persönlich begegnet. Man verabschiedet sich voneinander, es werden Hände geschüttelt, Gebetsanliegen weitergegeben, Witze gemacht und Rückmeldungen zur Predigt ausgesprochen. Und dabei ist es sehr entscheidend, wie der Prediger auf diese Rückmeldungen seiner Zuhörer reagiert. Kritische Bemerkungen können niederschmettern, positive können zu Hochmut führen. In diesen kurzen Momenten kann von Mutlosigkeit bis hin zu Stolz alles entstehen. Dabei verfolgen unsere Zuhörer eigentlich gute Absichten mit ihren Rückmeldungen. Sie möchten uns helfen. Und ehrlich gesagt können scheinbar entmutigende Kommentare uns durchaus weiterhelfen, solange wir sie aus der richtigen Perspektive betrachten. Ganz gleich welche Rückmeldungen wir erhalten, wir können etwas aus ihnen lernen und sollten nie damit aufhören, anderen aus Liebe dienen zu wollen.

Was wir allerdings dringend vermeiden müssen ist, die Rückmeldungen unserer Zuhörer als endgültigen Maßstab für die Effektivität unserer Predigt anzusehen. Wir predigen schließlich nicht um Bestätigung zu erhalten oder um anderen zu gefallen. Daher dürfen wir nicht den Fehler machen zu denken, dass die Summe der wenigen Rückmeldungen, die wir erhalten die Meinung der gesamten Gemeinde widerspiegle. Unser Herr erfüllt seinen Plan häufig ohne dass wir es bemerken. Lasst uns also unser Vertrauen weder in das Urteil unserer Zuhörer noch in unsere eigene Einschätzung setzen.

Worauf wir unbedingt vertrauen sollen!

Nachdem wir all diese Aspekte betrachtet haben, lasst uns schauen, was Gottes Wort darüber zu sagen hat. Bei der Vielzahl von Bibelstellen, die uns sagen, worauf wir unser Vertrauen wirklich setzen sollten, möchte ich nur zwei Stellen herausgreifen:

„Denn wie der Regen fällt und vom Himmel der Schnee und nicht dahin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt, sie befruchtet und sie sprießen lässt, dass sie dem Sämann Samen gibt und Brot dem Essenden, so wird mein Wort sein, das aus meinem Mund hervorgeht. Es wird nicht leer zu mir zurückkehren, sondern es wird bewirken, was mir gefällt, und ausführen, wozu ich es gesandt habe“ (Jes 55,10-11).

„Gott aber sei Dank, der uns allezeit im Triumphzug umherführt in Christus und den Geruch seiner Erkenntnis an jedem Ort durch uns offenbart! Denn wir sind ein Wohlgeruch Christi für Gott unter denen, die gerettet werden, und unter denen, die verloren gehen; den einen ein Geruch vom Tod zum Tode, den anderen aber ein Geruch vom Leben zum Leben. Und wer ist dazu tüchtig? Denn wir treiben keinen Handel mit dem Wort Gottes wie die meisten, sondern wie aus Lauterkeit und wie aus Gott reden wir vor Gott in Christus“ (2Kor 2,14-17).

Jesaja erinnert uns daran, dass Gottes Wort genau das bewirken wird, was Gott gefällt. Wo sein Wort gepredigt wird, da wird es nicht ohne Auswirkung bleiben. Das ist eine wunderbare Nachricht für jeden Prediger! Lasst die Heilige Schrift ihr Werk tun. Mitten in dem Kampf, worauf wir unser Vertrauen setzen sollen, da lasst uns das einzig Richtige tun und auf Gottes Wort vertrauen.

Und auch Paulus ermahnt uns auf Gottes Wort zu vertrauen. Wir selbst werden niemals in der Lage sein Christus umfassend und angemessen zu verkündigen. Wir sind nicht fähig zwischen diesen beiden krassen Gegensätzen – dem Geruch zum Tode und dem Geruch zum Leben, zwischen den Verlorenen und den Erlösten – standzuhalten. Und sobald wir es versuchen, werden wir versagen und denen gleich, die mit Gottes Wort Geschäfte machen. Stattdessen sollten wir offen bekennen: „Herr, wer ist in der Lage dieses schwere Amt auszufüllen? Du allein kannst es!“ Aus diesem Grund müssen wir aufrichtige Männer sein, die im Auftrag Gottes und in der Abhängigkeit von Christus verkünden: „Er ist unsere Kraft und unsere Hoffnung. In Ihm haben wir alles, was wir brauchen!“

Brüder, lasst uns daher nicht uns selbst, sondern allein dem Wort Gottes und dem Gott des Wortes vertrauen.


Thabiti Anyabwile

Thabiti Anyabwile ist Pastor der Anacostia River Church im Südosten Washingtons. Er ist glücklich verheiratet mit Kristie und Vater von zwei Töchtern und einem Sohn. Thabiti hat bereits als Autor mehrere Bücher veröffentlicht, von denen auch einige auf Deutsch erhältlich sind.