Drei große Verwirrungen auf dem Missionsfeld
Wenn man in einer mittelgroßen Stadt in den Vereinigten Staaten leben und 100 Pastoren in einem Raum versammeln würde, wie wären sie?
Es würde signifikante Unterschiede geben. Manche würden ihren Dienst als im Evangelium verankert sehen, andere wären jenseits des biblischen Orbits und, traurigerweise, wären manche nicht von neuem geboren.
Das gleiche gilt für heutige Missionare. Es gibt unter ihnen riesige Unterschiede – was sie tun und warum sie es tun. Traurigerweise wären manche nicht von neuem geboren.
Verwirrung über die moderne Mission ist der Grund, warum Kirchen und Gemeinden sicherstellen müssen, dass ihre Missionare felsenfeste missiologische Grundlagen haben, bevor sie jemals einen Fuß auf das Missionsfeld setzen.
Ich bin seit drei Jahrzehnten in der Mission involviert und habe drei beständige und kritische Verwirrungen bei Missionaren festgestellt.
Verwirrung #1: Das Evangelium im Kontext
Fragen, die von Missionaren gestellt werden, offenbaren oft die Verwirrung:
Passen wir das Evangelium nicht an, damit es dem Kontext entspricht und entfernen anstößige Dinge, die jemanden aus einem anderen Hintergrund daran hindern würden, zu Jesus zu kommen? Hat Paulus nicht gesagt, dass er allen alles geworden ist, damit etliche für Christus gewonnen werden?
Diejenigen von uns, die aus einem forensischen kulturellen Hintergrund kommen, verstehen eine Schande/Ehre-Kultur nicht. Sollten wir nicht Prinzipien der Scham betonen statt Sünde und Schuld?
Menschen werden leiden und sterben, wenn sie sich bekehren. Sollten wir die Ansprüche Christi nicht weniger fordernd machen?
Nein.
Nein.
Nein.
Die große Versuchung in der Mission heute ist, dass wir versuchen, zuerst kulturelle Anthropologen zu werden und dann Theologen. Wenn das geschieht, erhält kulturelles Verständnis Vorrang vor dem Wort Gottes. Verbunden mit Missionaren, die an der biblischen Autorität nur leicht festhalten, führt das zu aller Art von falschem Denken – z.B. versuchen Menschen, etwas dem Evangelium hinzuzufügen, was nicht da ist (wie dass Schande ein größeres Problem wäre als Sünde) oder etwas wegzulassen, das wir nicht mögen (wie dass Jesus nicht der Sohn, sondern ein Kind Gottes ist).
Gewiss gibt es viele Dinge, die wir anpassen können – Essen, Lebensumstände, Kleidung, Sprache, usw. Aber das Evangelium gehört nicht dazu. Natürlich sollten wir über Schande und Ehre reden, wenn die Schrift deutlich davon spricht. Aber wenn wir das Evangelium selbst verändern – indem wir andere Interpretationen für klare biblische Texte geben, damit sie der Kultur entsprechen –, dann geben wir die biblische Erzählung auf. Wir geben die Geschichte auf, die Gott sorgfältig gewoben hat. Und wenn wir die biblische Erzählung aufgeben, dann kontextualisieren wir über.
Es gibt zwei Hauptgründe, das Wort Gottes nicht zu überkontextualisieren.
Erstens, bist du dafür nicht schlau genug. Gott schrieb die Bibel auf die Art und Weise, wie er sie verfasst haben wollte für alle Menschen, zu allen Zeiten und an allen Orten. Historisch betrachtet haben sehr schlaue Menschen versucht, die gute Nachricht entsprechend ihrer aktuellen gesellschaftlichen Situation anzupassen und es war einheitlich eine Katastrophe für die Kirche und das Zeugnis des Evangeliums.
Zweitens, steht dir das nicht zu. Es ist erstaunlich, dass es Christen gibt, die glauben, dass sie die Autorität besitzen, das Evangelium ihrer Situation auf Grundlage ihres Verständnisses anzupassen. Sollten wir liebevoll und sorgfältig sein, wenn wir die Botschaft des Evangeliums präsentieren? Absolut. Sollten wir auf die Kultur anderer Menschen eingehen? Auf jeden Fall. Aber was in der modernen Mission mehr gebraucht wird, sind Menschen, die (a) das Evangelium verstehen, (b) es kühn und deutlich verkünden und (c) wissen, dass Jesus Verfolgung verheißt und Instruktionen gibt, wie man sich verhalten soll, wenn sie eintrifft.
Im Endeffekt ist eine Überkontextualisierung des Evangeliums ein Anzeichen, dass der Missionar bekehrt wurde statt die Menschen, zu denen er oder sie gesandt wurden.
Verwirrung #2: Kirche und Kultur
Die Kirche ist eine regelmäßige Versammlung getaufter Gläubiger, die miteinander einen Bund eingegangen sind, eine Kirche zu sein, und die dann anwenden, was die Bibel über die Kirche lehrt. Die Kirche ist nicht eine zufällige Versammlung von Gläubigen. Sie ist nicht Kaffee trinken und Gemeinschaft haben. Sie ist kein Teamtreffen. Und sie ist mit Sicherheit kein christliches Konzert.
Ich kann diesen Punkt nicht deutlich genug ausdrücken. Wenige Missionare haben ein gesundes Verständnis der Kirche, aber fast alle Missionare wollen irgendwie Gemeinde gründen. Wie kann das sein? Wie können wir behaupten, dass wir eine Gemeinde gründen, wenn wir noch nicht mal eine Gemeinde/Kirche definieren können? Als Resultat gehen viele Missionare noch nicht mal zur Kirche.
Ich habe vor kurzem einen Missionar getroffen, der mich mit dem Kommentar grüßte: „Ich weiß, du bist dieser Kirchentyp.“ Er sah irritiert aus. „Ich möchte nur, dass du weißt, dass ich nicht zu deiner (internationalen) Gemeinde komme, weil wir schon eine Gemeinde haben.“
„Naja,“, sagte ich, „ich wünschte, du würdest es dir nochmal überlegen. Ich denke, es wäre gut für die Seelen deines Teams.“
„Nein,“, entgegnete er, „wir haben eine Gemeinde.“
Aber als ich weiter nachfragte, wurde mir klar, dass es sich dabei nur um das Teamtreffen handelt – ein Treffen von ausschließlich Missionaren. Das Wort wurde nicht verkündigt; sie machten bloß ein gemeinsames induktives Bibelstudium. Es gab keine Ältesten. Keine Taufe. Und wenn Ehebruch unter den Missionaren geschah, dann wurde nicht versucht, die Ehe mit Evangeliumsliebe wiederherzustellen, sondern sie wurden nach Hause geschickt.
Das ist keine Gemeinde. Es gibt keine Predigt des Wortes, keine Taufe, kein Abendmahl, keine liebende Gemeindezucht. Es ist ein Vertrag mit einer Missionsgesellschaft, kein Bund mit einer Kirche.
Ich kann den Gedanken verstehen. Wir wollen die Menschen nicht in unsere Gemeindekultur hineinwesternisieren. Aber alle Kulturen sind gefallen und gebrochen, deshalb wollen wir weder die amerikanische Gemeindekultur reproduzieren noch die lokale Kultur. Wonach wir uns sehnen, ist, eine biblische Kultur zu sehen, die auf Gottes Prinzipien für seine Kirche, wie sie in seinem Wort ausbuchstabiert sind, gegründet ist.
Verwirrung #3: Die Identität des Missionars
Ich habe vor kurzem darüber geschrieben, warum man nicht auf das Missionsfeld gehen sollte, wenn man nicht gesandt wurde. Das ist vielleicht das wesentlichste Merkmal eines Missionars – dass er gesandt ist. Ich sehne mich nach Gemeinden, die Verantwortung dafür übernehmen, mit Sorgfalt auszusenden. Pastoren, Älteste, Gemeinden, ich flehe euch an: Sendet Missionare nicht leichtfertig aus. Sendet sie nicht aus, nur, weil sie euch darum gebeten haben. Ein Verlangen ist nicht genug. Liebt sie so sehr, dass ihr sorgsam prüft.
Vergewissert euch auch, dass ein zweites Merkmal vorhanden ist: das wesentliche Prinzip eines Jüngermachers. Du bist kein Missionar, wenn du keine Jünger machst. Jesus hätte es nicht klarer sagen können: „So geht nun hin und macht zu Jüngern alle Völker“ (Mt 28,19).
Es interessiert mich nicht, ob du nachts auf einem Feldbett schläfst und jeden Tag kalt duschst. Es interessiert mich nicht, ob du die Ortssprache mit erstaunlicher Flüssigkeit sprichst. Es interessiert mich nicht, ob du tausende von Brunnen gegraben, Krankenhäuser aufgebaut oder Hühnchen geimpft hast – wenn du all das getan hast, aber keine Jünger gemacht hast, dann bist du kein Missionar.
Sind das etwa keine guten Dinge? Absolut. Ich war Teil von all dem – ich habe sogar Hühnchen geimpft. Aber du bist kein Missionar aufgrund deines Lebensstils, geographischen Standorts oder guter Taten. Du bist ein Missionar, wenn du das Evangelium mit dem Ziel verkündigst, Jünger zu machen.
Hilf dabei, die Verwirrung aufzulösen
Deshalb flehe ich dich an, dabei zu helfen, die Verwirrung aufzulösen. Wir brauchen Gemeinden, die diese wesentlichen Unterscheidungen verstehen. Lehre deine Mitglieder, was ein Missionar ist. Vergewissere dich, dass diejenigen, die du aussendest, diese drei Prinzipien verstehen. Selbst solide biblische Gemeinden unterstützen Dienste auf dem Missionsfeld, die sie niemals in ihren eigenen Gemeinden unterstützen würden.
Gebrauche die Schlüssel des Reiches, die Gott der Gemeinde anvertraut hat, um nur diejenigen auszusenden, die das Evangelium, die Gemeinde und die Identität des Missionars verstehen.
J. Mack Stiles und seine Frau Leeann wohnen in Louisville, Kentucky und sind Mitglieder der Third Avenue Baptist Church. Sie haben lange Zeit im Mittleren Osten gelebt. Mack hat verschiedene Bücher geschrieben, darunter Marks of the Messenger: Knowing, Living, and Speaking the Gospel und vor kurzem Evangelism: How the Whole Church Speaks of Jesus. Dieser Artikel erschien zuerst bei The Gospel Coalition. Übersetzung und Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.