Ist Niedergeschlagenheit ungeistlich?

Artikel von Sinclair B. Ferguson
1. Juni 2018 — 1 Min Lesedauer

Von Zeit zu Zeit haben Christen im Laufe der Jahrhunderte gelehrt, manchmal mit tragischen Konsequenzen, dass eine wahrhaft geistliche Person niemals entmutigt sei. Niedergeschlagen zu sein hieße, per Definition, „ungeistlich“ zu sein. Wenn wir nicht gut gegründet sind in der Heiligen Schrift, ist es sehr leicht für uns, durch solch eine Lehre überwältigt, verwirrt und sogar noch zusätzlich entmutigt zu werden.

Diese Lehre scheint gewiss logisch zu sein: Wenn das Evangelium uns rettet, dann muss es uns von Entmutigung retten! Diese Lehre scheint auch auf wunderbare Weise schriftgemäß zu sein. Denn, „überwinden wir in dem allen nicht weit durch den, der uns geliebt hat“ (Röm 8,37)?

Aber das ist weder biblische Logik noch wahre Geistlichkeit. Das Evangelium rettet uns vom Tod, nicht indem es den Tod wegnimmt, sondern indem es uns hilft, ihm in der Kraft von Christi Sieg ins Auge zu sehen und zu überwinden. Genauso mit der Sünde und genauso mit Entmutigung. Der Glaube an Christus nimmt nicht alle Ursachen für Entmutigung weg, sondern befähigt uns, sie zu überwinden. Wir mögen Entmutigung erfahren, aber wir werden davon nicht besiegt.

Es ist auch keine biblische Geistlichkeit; es ist eine falsche „Übergeistlichkeit“, die die Realität unserer Menschlichkeit ignoriert oder leugnet. Wir leben in zerbrechlichem Fleisch und Blut in einer gefallenen Welt, die, so Johannes, „sich im Bösen befindet“ (1Joh 5,19). Es gibt viel Grund zur Entmutigung. Jesus fühlte das. Frei zu sein von der Möglichkeit, Entmutigung zu verspüren, wäre „geistlicher“ als Jesus zu sein – und deshalb eigentlich überhaupt nicht geistlich.

Psalm 42 und 43 lehren uns den biblischen Umgang mit Entmutigung: Wir fühlen sie, erkennen sie für das, was sie ist, und analysieren die Gründe für ihre Gegenwart.