Die Sorgen eines Pastors

Artikel von Kevin DeYoung
1. Juni 2018 — 4 Min Lesedauer

2. Korinther 11,28 erschien mir immer als ein seltsamer Vers – bis ich Pastor wurde. Hier redet Paulus von all den Arten, wie er für Christus gelitten hat – Gefängnisse, Peitschenhiebe, Knüppel, Steinigungen, Schiffbrüche, in Seenot, schlaflose Nächte, Hunger und Durst, Kälte und Obdachlosigkeit, in Gefahr von jedem und überall (Verse 23–27). Und dann, als Kirsche oben drauf, nennt Paulus eine weitere Anfechtung: „zu alledem der tägliche Andrang zu mir, die Sorge für alle Gemeinden“ (Vers 28). Das ist der mächtige Apostel, der es als Freude erachtete, „Opfer zu bringen und geopfert zu werden“ im Dienst für seine Leute (12,15); der, der als Betrübter immer fröhlich war (6,10). Das ist der Paulus, der jeden vorstellbaren Widerstand erdulden musste und doch gelernt hat, zufrieden zu sein (Phil 4,11) und sich um nichts Sorgen zu machen (4,6). Und hier gibt er zu, dass trotz allem, was er sonst schon erduldet hatte, er dazu noch Sorgen verspürt für alle Gemeinden.

Seitdem ich ein Pastor geworden bin, habe ich in diesem Vers ungewöhnlichen Trost gefunden. Das heißt nicht, dass ich erreicht habe, was Paulus erreicht hat oder erlitten habe, was er erlitten hat, aber jeder aufrichtige Diener des Herrn fühlt diese Last für die Gemeinde. Und Paulus hatte mehrere Gemeinden, die ihn belasteten. Sie neigten zur Gesetzlichkeit am einen Ende des Spektrums und zum Chaos am anderen. Manche der Gemeindemitglieder nahmen unwichtige Anliegen zu wichtig, während andere zu sehr bereit waren, wesentliche christliche Wahrheiten zu kompromittieren. Paulus liebte diese Gemeinden und ihre Kämpfe belasteten ihn mehr als Schiffbruch oder Gefangenschaft.

Bevor ich weitergehe, lass mich folgendes klar sagen: Ich glaube nicht, dass Pastoren die einzigen sind, die Lasten tragen. Auf viele Weise haben wir den besten Job in der ganzen Welt. Ich bin an den meisten Tagen ausgesprochen dankbar für das, was ich tue. Ich habe kein Interesse daran, die Schwierigkeit des pastoralen Dienstes mit den Schwierigkeiten in anderen Berufen zu vergleichen. Ich will nur Pastoren ermutigen, den guten Kampf weiterzukämpfen, und Gemeinde ermahnen, ihre Pastoren immer wieder zu ermutigen.

Es überrascht mich nicht, dass Paulus tägliche Sorge um die Gemeinden verspürte. Sein Dienst nahm niemals ein Ende. Er musste Briefe schreiben, Besuche machen und eine Sammlung für die Heiligen in Jerusalem organisieren. Er musste Menschen an verschiedene Orte senden und die Angelegenheiten seiner Gemeinden aus der Ferne managen. Er musste auf unzählige Kritik reagieren, die sich oft selbst widersprach. Manche Menschen dachten, dass er zu streng war. Andere sagten, er wäre zu schwach. Manche Menschen in seinen Gemeinden waren Asketen und dachten, dass Paulus weltlich war. Andere waren freizügig und dachten, dass Paulus ethisch zu anspruchsvoll war. Sie hinterfragten seine Legitimation. Sie verglichen ihn auf negative Weise mit den ursprünglichen Aposteln. Sie fanden ihn langweilig im Vergleich zu den falschen Aposteln. Sie mochten seinen Predigtstil nicht. Sie mochten seine Gemeindezucht nicht. An manchen Tagen mochten sie einfach Paulus selbst nicht mehr. Und das alles für den Mann, der sie zu Christus geführt hatte, sie wie ein Vater liebte, ihr Geld ausschlug und seinen Hals für ihr geistliches Wohl riskierte. Keine Wunder, dass es keine Last für Paulus gab wie die Last, sich um Gottes Volk zu sorgen.

Frage irgendeinen Pastor, der seinen Dienst wirklich ernstnimmt, und er wird dir von den Belastungen erzählen, die er in seinem Dienst verspürt – Menschen in Krisensituationen, Menschen, die woanders hingehen, Menschen, die von ihm enttäuscht sind, Menschen, die ihn enttäuschen. Inmitten dieses Dienstes versucht der Pastor, Zeit zum Studium, zum Gebet, zur Vorbereitung und für die Familie zu finden. Er versucht, sich zu verbessern, neue Leiter auszubilden, das Kostenbudget einzuhalten, ein paar Missionare kennenzulernen, wichtige Programme zu fördern, tiefgehende Predigten zu halten, offen für neue Ideen zu sein, sich neue Anliegen anzuhören und bereit zu sein, Menschen zu helfen, die in Not sind.

Und die meisten Pastoren fühlen eine Last für all die anderen Dinge, die sie tun könnten: mehr Evangelisation, mehr für die Armen, mehr für Mission, mehr, um globale Probleme anzugehen und mehr für soziale Anliegen. Es gibt Pastoren, die das lesen und sich fragen, ob die Gemeinde immer noch offen für ihre Predigten ist; ob die Gemeindeleitung jemals offen für ihre Führung ist; und ob die Gemeinde jemals so wächst, wie die Gemeinden, von denen sie so viel hören. Dazu kommt noch, dass jeder Pastor seine eigenen Verletzungen, seine persönlichen Fehler und seine geistliche Gesundheit hat, mit denen er umgehen muss. Wir sind alle schwach.

Aber sei ermutigt. Gott gebraucht schwache Dinge, um das Starke zuschanden zu machen (1Kor 1,27). Seine Gnade ist für dich genug; seine Kraft wird in der Schwachheit vollkommen (2Kor 12,9). Um Christi willen also, sei zufrieden in Schwachheit, Beleidigungen, Schwierigkeiten, Verfolgungen und Problemen. Denn wenn du schwach bist, dann bist du stark (Vers 10). Paulus hatte Belastungen. Du hast auch Belastungen. Aber Gott kann mit den Belastungen umgehen. Und er macht das mit Leichtigkeit, wenn du es nicht kannst.