Jesajas sechsfache Darstellung der Herrlichkeit Gottes

Artikel von Derek Thomas
17. Mai 2018 — 7 Min Lesedauer

Was für einen Gott verkündigt der Prophet in Jesaja 42,18–43,21? Wie muss Gott sein, wenn er verheißt, sein Volk trotz dessen bitterem Versagen wiederherzustellen und zu erneuern?

Was für ein Gott ist unser Bundesherr? Die Antwort ist, dass er wie kein anderer ist!

Ich, ich bin der HERR, und außer mir gibt es keinen Retter. (Jes 43,11)

In einer Kette von Aussagen, die das Kapitel 43 eröffnen, tritt eine sechsfache Darstellung der Herrlichkeit Gottes hervor.

Erstens, Gott ist der Schöpfer

Indem er zwei distinkte Worte benutzt, die beide in dem sorgsam konstruierten Schöpfungsbericht in 1. Mose 1 und 2 auftauchen, beschreibt Jesaja Gott als den, der Jakob/Israel „geschaffen“ und „gebildet“ hat:

Und nun, so spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und der dich gebildet hat, Israel. (Jes 43,1)

Das erste Wort, „geschaffen“ (bara), bezieht sich gewöhnlich auf die Schaffung von etwas Neuem. Es impliziert nicht notwendigerweise, dass das Endergebnis ex nihilo, aus dem Nichts, geschaffen wurde. 1. Mose 2,7 berichtet uns, dass der Mensch nicht ex nihilo geschaffen wurde (bara), sondern aus „dem Staub der Erde“.

Das zweite Wort, „gebildet“ (yatsar), kann mit „kneten“ übersetzt werden. Später in Jesaja wird eine Form dieses Worts mit „Töpfer“ übersetzt und impliziert den Gebrauch von vorher bestehendem Material. Die Betonung liegt auf Souveränität. Als er Adam „bildete“, benutzte Gott „den Staub der Erde“ und blies in ihn den Odem des Lebens. In gewisser Hinsicht „küsste“ Gott Adam ins Leben (1Mo 2,7).

Später wird ein drittes Wort gebraucht – „gemacht“ (yaas). Dieses Wort deutet die Mühen Gottes an, „seinen kreativen Entwürfen vollkommenen Ausdruck zu verleihen, indem er die Schöpfungsakte zu ihrem intendierten, konkreten Ausdruck brachte“.

Wie Adam ist Israel das Ergebnis von Gottes souveränem Ratschluss und Fertigkeit. Gottes Volk ist kein Zufall. Gedanken, Vorsatz und göttliches Geschick kommen in Israels Schöpfung zum Einsatz. Wie Adam schuldet Israel Gott Loyalität, Gehorsam und Liebe. Es ist nicht sein eigener Schöpfer. Es verdankt seine Existenz und seine Rettung seinem Herrn.

Vorstellungen haben Konsequenzen. Das Verschwimmen und manchmal der vollständige Verlust der Schöpfungslehre in der heutigen Zeit beeinflusst, wie wir unser Wesen und unsere Funktion als Menschen verstehen. Die Schöpfung ist eine Erinnerung daran, dass die Beziehung, die wir mit Gott haben, nicht zwischen zwei Gleichstehenden ist. Wir verdanken ihm unsere Existenz und wir sind deshalb Untergeordnete. Selbst in der intimsten Beziehung unseres erlösten Zustands – als adoptierte Söhne – sind wir immer noch Geschöpfe. Obwohl wir gerettete und adoptierte Geschöpfe sind, sind wir nichtsdestotrotz Geschöpfe. Wir existieren, um dem Herrn zu dienen, und wir sind erlöst, um dem Herrn zu dienen.

Zweitens, Gott ist unser Erlöser

„Ich habe dich erlöst“ (Jes 43,1). Er hat die Rolle von Boas übernommen und als unser Löser gehandelt, unser nächster Verwandter mit allen gesetzlichen und familiären Verpflichtungen, die diese Beziehung mit sich bringt. Unsere Schuld wurde zu seiner. Er bezahlte vollständig das, was wir, oder Israel, nicht bezahlen konnten. Er erfüllte an unserer statt, was das Gesetz verlangte. Es ist eine glorreiche Wahrheit, dass der Herr bezahlen wird, was es auch koste, um sein Volk aus der Gefangenschaft zu befreien, selbst wenn es seinen eigenen Sohn erfordert.

Drittens, Gott ist unser Erhalter

Ein Kauf impliziert Besitz. „Du bist mein“, sagt Gott. Und aufgrund der Intimität dieser Beziehung nennt uns Gott beim Namen: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen“ (Jes 43,1). Gott kennt meinen Namen und er kennt deinen. Seine Liebe stellt sicher, dass wir letztlich keinen Schaden nehmen. Wir mögen durch Wasser und Ströme und sogar Feuer und Flamme gehen; aber sie werden uns nicht versengen noch verbrennen (Jes 43,2). Er bewahrt sein Volk durch die Probe. Wir mögen vor der Probe nicht bewahrt werden, aber wir werden durch die Probe bewahrt. Das ist, was unsere Erlösung bedeutet: Wir sind sein.

Viertens, Gott ist liebend

Mit Worten von unbeschreiblicher Schönheit und Intimität sagt Gott zu Israel:

Du bist kostbar bist in meinen Augen und wertgeachtet, und ich habe dich lieb. (Jes 43,4)

Wir sind kostbar und von ihm geliebt. Gott ruft uns beim Namen und stellt uns seinen Namen vor:

Denn ich bin der HERR, dein Gott.  (Jes 43,3)

Gottes persönlicher Name ist JHWH oder Jahwe (gewöhnlich mit „HERR“ übersetzt). Er offenbarte sich Mose in 2. Mose 3 mit dem Namen „Ich bin, der ich bin“ (2Mo 3,14), später nur kurz „Ich bin“. In diesem Kontext war sein Name eng verbunden mit seiner Verheißung und seinem Bund. Im Prinzip sagte Gott: „Ich bin der Gott, der einen Bund mit deinen Vätern geschlossen hat und ich werde ein Gott sein, der diesen Bund mit dir hält“.

Der HERR, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt; das ist mein Name ewiglich, ja, das ist der Name, mit dem ihr an mich gedenken sollt von Geschlecht zu Geschlecht. (Ex 3,15)

Wir leben in einer Generation, die dem Selbstwertgefühl große Bedeutung beimisst. Nichts fördert das Selbstwertgefühl mehr, als das Wissen, dass wir geliebt sind. Von jemand anderem geliebt. Von Gott geliebt. Ein Liebe, die uns nicht loslassen wird.

Fünftens, Gott ist ein Befreier

Er wird aus dem Osten und dem Westen sammeln. Wo immer wir auch sind, wird er uns finden. Mit mehr als der zukünftigen Gefangenschaft in Babylon im Sinn, sagt Gott:

Fürchte dich nicht, denn ich bin bei dir. Ich will deinen Samen vom Osten herführen und dich vom Westen her sammeln. Ich will zum Norden sagen: Gib heraus! und zum Süden: Halte nicht zurück! Bringe meine Söhne aus der Ferne herbei und meine Töchter vom Ende der Welt. (Jes 43,5–6)

Der Prophet scheint jenseits von Babylon in die Zukunft zu schauen – unsere Gegenwart und unsere Zukunft. „Ich werde dich finden“, so scheint Gott zu sagen, „wo immer du bist“. Das Buch Der letzte Mohikaner berichtet aus der Wildnis im oberen Bundesstaat New York im Jahr 1757 die Geschichte des Transports der zwei Töchter von Colonel Munro, Alice und Cora, zu einem sicheren Ort im Fort William Henry. Neben anderen, einschließlich Spähern von den Mohikanern, ist Nathaniel. In einem Massaker, das einem Angriff von Huron-Kriegern folgt, sieht Nathaniel keinen anderen Ausweg und flieht, wobei er Cora den Hurons überlässt. „Ich werde dich finden“, sagt Nathaniel, bevor er durch den Wasserfall springt, „egal wie lange es dauert und egal wie weit. Ich werde dich finden.“

Nicht einer wird bei der Sammlung von Gottes Volk verloren gehen. „Ich werde dich finden“, sagt Gott. Er kennt jeden von uns mit Namen. Er beschützt jeden von uns einzeln. Den, der in der Dunkelheit der Depression verloren ist. Den, der in einer lieblosen und missbräuchlichen Ehe gefangen ist. Den, der von falschen Göttern mit falschen Versprechen versucht und gelockt wird.

Es gibt niemanden, der bei Gottes erwählenden und rettenden Absichten zurückgelassen wird. Jedoch gilt diese Verheißung nur den Erlösten. Wie ein Hirte, der Wind und Wetter trotzt, um sein verlorenes Schaf zu finden, so wird Gott „die neunundneunzig in der Wildnis lassen und dem verlorenen nachgehen, bis er es findet“ (Lk 15,4).

Sechstens, Gott ist herrlich

Wie wir früher in dem Kapitel gesehen haben, hat er uns zu diesem Ziel gebildet: „den ich zu meiner Ehre geschaffen habe“ (Jes 43,7). In einem Gerichtsdrama bringt Jesaja Israel in ein Verhör über ihr kurzsichtiges Versagen (Jes 43,8-13). Zeugen werden vorgeladen und Anschuldigungen vorgebracht. Ihre Augen, die nicht sehen, und Ohren, die nicht hören, bezeugen die Tatsache, dass sie den einzigen Zweck ihrer Existenz nicht beachtet haben: Gott die Ehre zu geben. Das Flirten des Menschen mit den Götzen ist ein Beweis für diese Kurzsichtigkeit:

Vor mir ist kein Gott gebildet worden, und nach mir wird es keinen geben. Ich, ich bin der HERR, und außer mir gibt es keinen Retter. Ich habe verkündigt, gerettet und von mir hören lassen und bin nicht fremd unter euch; und ihr seid meine Zeugen, spricht der HERR, dass ich Gott bin. (Jes 43,10–12)

Diese „fremden Götter“ sind die größten Verbrechen der Menschheit und sie sind spürbar unfähig, Israel aus ihren Bedrängnissen zu retten. Jahwe allein ist Gott und Jahwe allein kann retten.