Gottes Schönheit reflektieren

Artikel von R.C. Sproul
23. April 2018 — 5 Min Lesedauer

Ich habe es immer schon interessant gefunden, dass die Bibel etwas über das Schöne aussagt. Wenn du dir die Zeit nimmst und nach dem Wort „schön“ oder „Schönheit“ in einer Konkordanz suchst, wirst du herausfinden, dass das Wort Schönheit in der einen oder anderen Form relativ oft in der Bibel vorkommt, insbesondere im Alten Testament. 1. Chronik 16,29 ist eine der Stellen, in der wir etwas über Schönheit lesen: „Bringt dar dem HERRN die Ehre seines Namens, bringt Gaben dar und kommt vor sein Angesicht! Betet den HERRN an in heiligem Schmuck (heiliger Schönheit)!“ Diese Bibelstelle verbindet die Heiligkeit und Herrlichkeit Gottes mit dem Gedanken an Schönheit. Wir sind dazu aufgerufen, in die Gegenwart Gottes zu kommen und das anzubeten, was schön an ihm ist – seine Herrlichkeit und seine Heiligkeit.

Andere Stellen reden auch über Gottes Schönheit. „Eines erbitte ich von dem HERRN, nach diesem will ich trachten: dass ich bleiben darf im Haus des HERRN mein ganzes Leben lang, um die Lieblichkeit (Schönheit) des HERRN zu schauen und ihn zu suchen in seinem Tempel“ (Ps 27,4). In Psalm 29 ruft David uns dazu auf, den Herrn in heiligem Schmuck anzubeten. In beiden Stellen wird der Herr (oder wichtige Aspekte seines Wesens) „schön“ genannt.

Ich mache mir Sorgen, dass die Vorstellung von der Schönheit Gottes in unserer zeitgenössischen Kultur in Vergessenheit geraten ist, sowohl in der säkularen Welt als auch in der Gemeinde. Ich habe oft gesagt, dass es drei Dimensionen des christlichen Lebens gibt, die der Bibel wichtig sind – das Gute, das Wahre und das Schöne. Wir tendieren aber dazu, die dritte von den beiden ersten abzuschneiden. Manche Christen reduzieren ihre Leidenschaft für die Sache Gottes rein auf das ethische Gebiet, auf eine Diskussion über Gerechtigkeit oder Güte in Bezug auf unser Verhalten. Andere sind so besorgt um Reinheit der Lehre, dass sie sich vornehmlich mit der Wahrheit beschäftigen, auf Kosten des Verhaltens oder auf Kosten des Heiligen. Selten finden wir, zumindest in protestantischen Zirkeln, einen Fokus auf das Schöne.

Das spiegelt eine erstaunliche Unausgewogenheit wider in Anbetracht dessen, dass die Bibel sowohl über Güte und Wahrheit als auch über Schönheit redet. Gott, so sagt die Schrift, ist die Grundlage und die Quelle aller Güte. Alle Güte wird durch seinen Charakter definiert. Sein Charakter ist letztendlich das Maß des Guten. Gleichzeitig redet die Schrift von Gott als Autor, Quelle und Grundlage aller Wahrheit. Aber auf gleiche Weise und in gleicher Dimension redet die Schrift über die Schönheit Gottes. Sein Wort sagt uns, dass alle schönen Dinge ihre Quelle und ihre Grundlage im Charakter von Gott selbst finden. Demnach ist Gott letztlich die Norm für das Gute, das Wahre und das Schöne.

Wir leben in einer Zeit der Krise sowohl der säkularen Kultur als auch der Kirche in Bezug auf das Schöne. Ich höre immer wieder von christlichen Künstlern – Musikern, Bildhauern, Malern, Architekten, Schriftstellern, Dramaturgen und anderen – dass sie sich von der christlichen Gemeinschaft ausgeschlossen fühlen. Sie sagen mir, dass sie als Exzentriker und Sonderlinge behandelt werden, weil ihre Berufung als weltlich erachtet wird und christlichen Engagements unwürdig. Das ist ein trauriger Kommentar auf unseren aktuellen Zustand, besonders, wenn wir in die Kirchengeschichte blicken und sehen, dass die christliche Kirche einige der größten Musiker, Künstler und Schriftsteller hervorgebracht hat. Wo anders als in der christlichen Geschichte findet man einen Milton, Händel, Bach oder Shakespeare – Männer, die Pioniere in ihren Künsten waren?

Wenn du den Louvre in Paris oder das Rijksmuseum in Amsterdam besuchen und die Kunstgeschichte studieren würdest, würdest du herausfinden, dass sie von einer religiösen Ausrichtung bestimmt ist und insbesondere einer christlichen Ausrichtung. Seitdem das Volk Gottes als Gemeinschaft existiert, war Kunst immer ein wichtiges Anliegen. Wenn wir uns zum Beispiel das Alte Testament anschauen, sehen wir, dass die ersten Menschen, die vom Heiligen Geist erfüllt wurden, Kunsthandwerker waren, die Gott dazu ausersehen hatte, Objekte für die Stiftshütte zu bereiten. Das ist göttliche Inspiration – diese Künstler wurden vom Heiligen Geist inspiriert. Er inspirierte sie bei ihrer Handwerkskunst für die Stiftshütte und ihre Einrichtung, für die Metallarbeiten im Zelt und für das Kreieren von Kleidern für Aaron – die für Herrlichkeit und Schönheit geschaffen wurden. Gott war es nicht nur wichtig, dass Kunsthandwerker beim Bau seines Heiligtums im Alten Testament zum Einsatz kamen, sondern er stattete diese Künstler auch mit der Kraft seines Heiligen Geistes aus, um sicherzustellen, dass das, was sie taten, seinen Ansprüchen an Schönheit entsprach.

Gleichzeitig sehen wir im Alten Testament aber auch starke Verbote gegen den Missbrauch von Kunst. Eines der Zehn Gebote verbietet sogar die Herstellung von Bildnissen, die zum Götzendienst verwendet werden, und folglich setzt das Alte Testament den Künsten eine Grenze. Obwohl es manche Kunstformen gab, die den Segen Gottes erhielten, gab es andere Kunstformen, die ihn nicht bekamen.

Man kann die Heilige Schrift nicht lesen und zu dem simplen Schluss kommen, dass entweder jedwede Kunst gut oder jedwede Kunst schlecht ist; dass Kunst immer richtig oder immer falsch ist. Was man erkennt ist, dass Gott Kunst und was sie kommuniziert als wichtig genug ansah, um sie in seiner Stiftshütte zu gebrauchen – das heißt, das Schöne dort zu gebrauchen, wo sein Volk sich traf, um ihn anzubeten. Schönheit ist Gott wichtig, weil er schön ist, also sollte das, was schön ist, auch seinem Volk wichtig sein. Christliche Künstler sollten ermutigt werden, schöne Kunst zu produzieren und alle Christen sollten ermutigt werden, das Schöne neben dem Wahren und dem Guten wertzuschätzen, denn der Herr selbst ist wunderschön.