Christus, unser Hohepriester
Als ich die Gemeinde gründete, deren Pastor ich jetzt bin, dachte ich ernsthaft darüber nach, sie „Presbyterianische Kirche ‚Christus unser Hohepriester‘“ zu nennen. Es gibt ja schließlich schon tausende Kirchen, die den Namen „Christus der König“ (oder eine Variation davon) tragen. Ich finde es immer noch schockierend, dass es keine Kirchen namens „Christus unser Hohepriester“ gibt. Denn schließlich braucht doch jeder einen Priester. Keiner kann sich Gott ohne einen Mittler nähern. Aus diesem Grund ist die Hohepriesterschaft von Jesus Christus eine der herrlichsten Wahrheiten der ganzen Offenbarung Gottes in der Schrift. Christi Rolle als Hohepriester der Gläubigen hat einen weitreichenden Einfluss auf unser christliches Leben und unsere christliche Erfahrung.
Die Gläubigen lieben es rechtermaßen über das „vollendete Werk von Jesus“ zu reden. Denn die ganze Schrift stellt das einmalige Sühneopfer Christi in den Mittelpunkt der Heilsgeschichte und des christlichen Lebens. Aber das Sühneopfer von Jesus ist nur eine Hälfte seines priesterlichen Dienstes. Der Dienst des Priesters im Alten Bund war es, Opfer zu bringen und Fürbitte zu leisten. Als der große Hohepriester „lebt [Jesus] für immer, um einzutreten“ für diejenigen, um derentwillen er sich selbst für Gott als Opfer gebracht hat (Hebr 7,25). Der Autor des Hebräerbriefs betont beide Seiten des priesterlichen Dienstes Jesu – sein „vollendetes Werk“, durch das er sich selbst Gott als das vollkommene Opfer dargebracht hat und sein „unvollendetes Werk“, wodurch er beständig bei Gott eintritt. Das christliche Leben kann nur im Licht dieser zwei Seiten von Christi Rolle als Hohepriester über das Haus Gottes gelebt werden.
Wenn wir über die Auswirkungen nachdenken, die die Priesterschaft Jesu – in seinen vollendeten und unvollendeten Aspekten – auf das Leben eines Christen hat, müssen wir aus dem Hebräerbrief alle Lehren ziehen, die darin stecken. Der Autor des Hebräerbriefs hatte ein tiefgehendes Interesse an der Majestät dieses Themas. Indem er an ein leidgeplagtes Volk schrieb – ein Volk, die versucht waren, sich von Christus ab und einer ritualistischen Form des Judentums zuzuwenden, um Verfolgung zu entgehen – verwendete der Autor viel Mühe darauf, den Gläubigen die Bedeutung des priesterlichen Dienstes von Jesus für ihr Ausharren im Glauben verstehen zu helfen. Er tat dies, indem er die folgenden Vorteile der Priesterschaft Christi aufzeigte.
Ein Bewusstsein, dass die Sünden vergeben sind
Die große Verheißung des Neuen Bundes ist, dass Gott Sünde vergibt (Hebr 8,12; 9,22; 10,18) und der gesetzlosen Taten der Gläubigen nicht mehr gedenkt (10,17). Das einmalige Opfer von Jesu vollbrachtem Werk am Kreuz erwarb dies für das Volk Gottes. Das Blut, das am Kreuz vergossen wurde, ist das Blut, durch das Gott die Sünden seines Volkes vergibt und sie ihnen nicht anrechnet. Durch diesen Aspekt des priesterlichen Dienstes Christi haben die Gläubigen „kein Bewusstsein von Sünden mehr“ (Hebr 10,2). Die Schuld der Sünde wurde weggetan durch den Tod des großen Hohepriesters.
Ein gereinigtes Gewissen
Zusätzlich zur Vergebung der Sünden wird den Gläubigen das Herz gereinigt durch das Blutvergießen des Mittlers des Neuen Bundes. Durch das Blut des Priesters, Jesus Christus, haben wir die „Besprengung der Herzen“ und sind „los vom bösen Gewissen“ (Hebr 10,22). Das Blut Jesu ist das Blut des Opfers, welches den Anbeter Gott angenehm machen kann. „Das Blut des Christus… [reinigt] unser Gewissen von toten Werken, damit wir dem lebendigen Gott dienen können“ (Hebr 9,14). Wir sind Gott als seine Anbeter geweiht durch das Opfer des Christus.
Ein gesichertes Erbe
Der priesterliche Dienst von Jesus stellt sicher, dass die Gläubigen „das verheißene ewige Erbe empfangen“ (Hebr 9,15). Der Autor gebraucht die Sprache eines letzten Willens oder Testaments und wendet sie auf das priesterliche Werk Christi im Neuen Bund an. Als Jesus starb, erlöste er Gottes Volk von der Verdammung des Gesetzes aus dem Alten Bund und sicherte durch diesen Tod das ewige Erbe. In seinem Tod haben wir Leben und ein ewiges Erbe.
Ein mitfühlender Helfer
Eine der Hauptunterschiede zwischen dem Amt eines Propheten und eines Priesters ist, dass ein Prophet in direkterer Beziehung dazu steht, dass Gott sich dem Menschen offenbart, während ein Priester in direkterer Beziehung zu den Menschen steht, die sich Gott nähern. Geerhardus Vos fasste diesen Gedanken gut zusammen, als er schrieb: „Ein Prophet repräsentiert nicht die Menschen, sondern Gott; und deshalb ist er, je näher er Gott steht, desto besser qualifiziert. Ein Priester, auf der anderen Seite, repräsentiert die Menschen und seine Qualifikation wird daran gemessen, wie nahe er den Menschen steht.“ Jesus ist der große und letzte Prophet und Priester Gottes; aber in seinem Dienst als großer Hohepriester über das Haus Gottes wird er daran gemessen, wie nahe er dem Menschen steht. Deshalb kann der Autor des Hebräerbriefs sagen, dass „wir nicht einen Hohepriester haben, der kein Mitleid haben könnte mit unseren Schwachheiten, sondern einen, der in allem versucht worden ist in ähnlicher Weise wie wir, doch ohne Sünde“ (Hebr 4,15). Wenn wir versucht werden, gehen wir zu Jesus, unserem großen Priester, wissend, dass er mit uns mitfühlen und uns Gnade und Barmherzigkeit in unserer Zeit der Not geben wird.
Eine verheißene Bewahrung
Während so viel vom Hebräerbrief bekennende Gläubige dazu aufruft, im Glauben auszuharren, gibt es auch eine Betonung der grundlegenden Wahrheit, dass wir ausharren werden, weil der lebendige Christus uns bewahrt. Weil Jesus der auferstandene, erhöhte und herrschende Priester über das Haus Gottes ist, sind wir gewiss, dass „er auch diejenigen vollkommen errettet, die durch ihn zu Gott kommen, weil er für immer lebt, um für sie einzutreten“ (Hebr 7,25). Zur Rechten des Vaters betet Jesus für sein Volk. Theologen haben Johannes 17 „das hohepriesterliche Gebet Jesu“ genannt. Wir empfangen Trost durch das Wissen, dass Jesus, während seines irdischen Dienstes, dafür betete, dass der Vater uns bewahren und zur Herrlichkeit führen würde. Wieviel mehr sollte uns die Tatsache trösten, dass er das gleiche nun in der Gegenwart seines Vaters in der Herrlichkeit tut? Wir haben einen perfekten Repräsentanten, der für uns gelebt hat, gestorben und auferstanden ist, und der für immer die Verdienste seines vollendeten Werkes zu Gunsten seines Volkes geltend macht. Das ist die gleiche Wahrheit, auf die der Apostel Johannes Bezug nimmt, wenn er schreibt: „Wenn jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten; und er ist das Sühnopfer für unsere Sünden“ (1Joh 2,1–2).
Das ganze christliche Leben kann nur im Licht der Priesterschaft Christi gelebt werden. Als der Mittler des Neuen Bundes fungiert Jesus vor allem als der große Hohepriester über das Haus Gottes. In den Worten von James Henley Thornwell: „Priesterschaft ist die Vollendung von Mittlerschaft“, und wir haben in Jesus solch einen vollkommenen Mittler – der „mit einem einzigen Opfer die für immer vollendet hat, welche geheiligt werden“ (Hebr 10,14).