Die Ablehnung der Wahrheit

Artikel von Steven J. Lawson
9. März 2018 — 5 Min Lesedauer

Es wird heute oft gesagt: „Ich habe meine Wahrheit und du hast deine Wahrheit“. Unsere Generation mag es, absolute Wahrheit zu leugnen, indem sie sagt, dass etwas wahr sein kann für eine Person, aber nicht wahr für eine andere. Diese Ansicht ist nicht neu. In Johannes 18 stand unser Herr bei Pilatus vor Gericht. Es war der Tag vor seiner Kreuzigung und er würde bald zum Tode verurteilt werden. Aber bevor Pilatus das endgültige Urteil sprach, lesen wir folgende Konversation:

Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt; wäre mein Reich von dieser Welt, so hätten meine Diener gekämpft, damit ich den Juden nicht ausgeliefert würde; nun aber ist mein Reich nicht von hier. Da sprach Pilatus zu ihm: So bist du also ein König? Jesus antwortete: Du sagst es; ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt gekommen, dass ich der Wahrheit Zeugnis gebe; jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme. Pilatus spricht zu ihm: Was ist Wahrheit? (Joh 18,36–38a)

Pilatus, der vor dem Herrn Jesus, der fleischgewordenen Wahrheit, stand, stellte eine uralte Frage. Aber sie ist keine ehrliche Frage eines Menschen, der die Wahrheit kennen möchte. Stattdessen ist sie eine trotzige Leugnung der Wahrheit. Sie wird mit dem Ton des Spottes gesprochen. Sie ist abschätzig. Sie wird mit Verachtung gesprochen. Diese Erwiderung von Pilatus ist höhnisch. Sie ist eine abfällige Rüge, von Sarkasmus triefend. Sie ist eine bissige Zurückweisung, die die Ansicht herabsetzen will, dass es irgendetwas in der Welt wie einen Wahrheitsanspruch gibt. Dies ist ein spitzer Schlag von Pilatus in die Rippen des Herrn Jesus Christus, dazu gedacht, ihm die Luft zu rauben und jede Vorstellung unmöglich zu machen, dass Jesus von sich behaupten könnte, die Wahrheit zu kennen und zu reden. Pilatus widerspricht der bloßen Vorstellung eines ausschließlichen Wahrheitsanspruchs.

Diese Frage ist durch die Jahrhunderte gehallt und hallt heutzutage immer lauter. In der Generation, in der wir leben, hören wir dieses heimtückische Mantra: „Was ist Wahrheit?“.

Der Geist von Pilatus lebt in unserer Zeit. Der Geist von Pilatus ist lebendig und aktiv auf den Universitätscampusen. Er sitzt in den Regierungsgebäuden und bestimmt unseren Moralkodex. Er regiert in unseren Medien. Er lehrt in vielen unserer Bibelschulen. Er steht auf den heutigen Kanzeln. Wir leben in einer Kultur, die jede Vorstellung von Wahrheit ablehnt. Wir leben in einer Zeit, die nicht nur Wahrheit leugnet, sondern sich gegen Wahrheit stellt. Dies ist ein Zeitalter, welches alles und jeden toleriert außer den, der behauptet, die Wahrheit zu kennen.

Was ist Wahrheit?

Wir sind in dieser Kultur überall umgeben von der Frage: „Was ist Wahrheit?“. Das ist in Wirklichkeit die Mutter aller Sünden: ein absichtliches Beiseitesetzen und sich Widersetzen der Wahrheit Gottes.

So war es schon am Anfang. In 1. Mose 3 schlängelte sich Satan, die Schlange, auf die Seiten der Weltgeschichte, und er kam, um einen Angriff auf die Wahrheit zu starten. Er sagte: „Sollte Gott wirklich gesagt haben, dass ihr von keinem Baum im Garten essen dürft?“. Satan wusste sehr wohl, was Gott gesagt hatte, aber er kam, um Gottes Worte in Frage zu stellen – um die Wahrheit Gottes abzuweisen. Die Ursünde war die Ablehnung der Wahrheit – eine Ablehnung von Gottes Weg. Der Mensch entschied sich, seinen eigenen Weg zu gehen, für sich selbst zu entscheiden, was wahr ist, seine eigenen Entscheidung in Ablehnung der Wahrheit zu treffen.

Römer 1,18 sagt: „Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit durch Ungerechtigkeit niederhalten“. Jede Generation – und jeder Mensch – hält die Wahrheit über Gott nieder, außer wenn er durch die Wahrheit neugeboren wurde. Diese Neigung steckt in jedem Menschen und ist Teil der radikalen Verdorbenheit seiner menschlichen Natur. Ein paar Verse später, in Römer 1,25, lesen wir, wie Menschen die Wahrheit Gottes für eine Lüge vertauschten. Das ist die Stunde, in der wir leben. Wir leben in einer Kultur, die die Wahrheit Gottes für eine Lüge vertauscht und die Wahrheit niedergehalten hat. Das ist der Niedergang jeden Lebens, es ist der Abfall jeder Denomination, es ist die Zerstörung jeder Nation und die Auflösung jeder Gesellschaft – es fängt mit der Ablehnung von Wahrheit an.

Das kann nirgends deutlicher wahrgenommen werden als bei unseren Studenten, welche Universitäten besuchen, die in den meisten Fällen die Wahrheit unterminieren. Eine jüngste Umfrage bestätigt dies. Von den Befragten sagten 64 Prozent aus der Altersgruppe 36+, dass es keine moralischen Absolute gibt. Und nur 22 Prozent sagten, dass es irgendwelche moralischen Absolute gibt. Aber unter den Befragten, die zwischen 18 und 25 Jahre alt sind, stieg der Prozentsatz derer, die moralische Absolute ablehnen, auf 75 Prozent. Sie haben keinen moralischen Kompass, weil sie die Wahrheit abgelehnt haben. Und als die Umfrage mit Jugendlichen geführt wurde, stieg die Zahl nochmals an. 83 Prozent der Jugendlichen sagten, dass Moral und Wahrheit von individuellen Vorlieben und Umständen abhängen. Je jünger man ist, desto mehr glaubt man, dass es heute keine absolute Wahrheit gibt.

Männer und Frauen unserer Zeit vertreten zunehmend diese Vorstellung: Das einzig Absolute ist, dass es keine Absolute gibt – die einzige Wahrheit ist, dass es keine Wahrheit gibt. Die einzige Intoleranz, die es noch gibt, ist die Intoleranz gegenüber Menschen, die Toleranz nicht tolerieren. All das macht heutzutage die Zustimmung zu Dingen beliebt wie Abtreibung, Homosexualität, Euthanasie, Pornografie und jede Art von unzüchtigem Verhalten. Es kann alles auf diesen Punkt der Abkehr zurückgeführt werden: die Ablehnung der Wahrheit.

Wir sehen es heute überall. Der Humanismus sagt, dass der Mensch das Maß der Wahrheit ist; der Pragmatismus sagt, dass wahr ist, was funktioniert; der Pluralismus sagt, dass jeder einen Teil der Wahrheit hat; der Relativismus sagt, dass jede Situation ihre Wahrheit bestimmt; der Mystizismus sagt, dass die Intuition die Wahrheit bestimmt; der Skeptizismus sagt, dass niemand die Wahrheit kennen kann; der Hedonismus sagt, dass wahr ist, was sich gut anfühlt; der Existentialismus sagt, dass Selbstbestimmung das Maß der Wahrheit ist; der Säkularismus sagt, dass diese gegenwärtige Welt die Wahrheit ist; der Positivismus sagt, dass was immer ein Mensch aussagt, die Wahrheit ist. Das ist die Welt, in der wir leben: die Leugnung der Wahrheit.

Steven J. Lawson ist Gründer und Präsident von OnePassion Ministries. Er ist Lehrbeauftragter der Ligonier Ministries, Direktor des Doktorandenprogramms am Master's Seminary und Gastgeber des Institute for Expository Preaching.