Fünf Merkmale eines Gemeindeliedes
Christen sind ein singendes Volk.
Muslime versammeln sich nicht, um zu singen. Noch tun es Hindus, Buddhisten oder Rastafaris. Christen schon. Auch wenn nicht jeder predigt, das Gebet im Gottesdienst leitet oder laut aus der Schrift vorliest, singen wir alle gemeinsam.1
Doch was können wir darüber sagen, was ein christliches Gemeindelied ausmacht? Wie sollte es sein? Dürfen wir jede Art von Lied singen, wenn wir zusammenkommen?
Wie ein Gemeindelied sein sollte
Unabhängig davon, ob die gemeinsame Anbetung vom regulativen Prinzip bestimmt wird oder einfach durch das Gewissensprinzip, das Singen muss ernsthaft im Licht der Schrift geprüft werden. Psalm 96 bietet einige wichtige Perspektiven auf die Merkmale eines Liedes und auf seine Auswirkungen. Ursprünglich für den Einzug der Bundeslade in Jerusalem geschrieben (1Chr 16), hat der Psalm viel in Bezug auf die heutige Praxis des Singens anzubieten.
1. Ein Gemeindelied sollte sich auf Gott ausrichten
Gott ist das Zentrum eines christlichen Liedes. Wenn Gott sein Volk zum Singen aufruft, hat er eine bestimmte Liedart im Blick. In Psalm 96,1 sagt Gott: „Singt dem HERRN.“ Wenn die Gemeinde sich im Namen Gottes versammelt, ist die Ehre Gottes das Ziel des Gesangs. Wir sollen zu ihm, über ihn und für ihn singen. Wir singen nicht einfach so, wie die Welt von den geschaffenen Dingen singt, sondern unser Lied erhebt sich zu dem hin, der nicht geschaffen wurde. Die Lieder der Gemeinde verkünden den Charakter, die Eigenschaften und die Wege des rettenden Gottes.
„Gott muss das Zentrum unserer Anbetung sein; deswegen muss Gott das Zentrum unserer Lieder sein.“
Diejenigen, deren Aufgabe es ist, Lieder für die gemeinsame Anbetung auszusuchen, sollten es mit Ernsthaftigkeit ausführen. Mark Dever und Paul Alexander geben Pastoren folgenden Ratschlag: „Als Hauptpastor ist es deine Verantwortung, die Gemeinde zu grünen Auen von gottzentrierten, evangeliumszentrierten Liedern zu führen und weg von den trockenen Ebenen der theologischen Leere, Meditation über menschliche Erfahrung und emotionaler Ekstase.“2 Wenn unsere Lieder nie über Leere, menschliche Erfahrung und Emotionen hinausgehen, erreichen wir nicht dieses Ziel. Gott muss das Zentrum unserer Anbetung sein; deswegen muss Gott das Zentrum unserer Lieder sein.
2. Ein Gemeindelied sollte biblisch sein
Gemeindelieder sollten auf dem Wort Gottes gegründet, von ihm geformt und von ihm durchtränkt sein. Gesang ist eine einzigartige Art und Weise, um das Wort Christi reichlich unter uns wohnen zu lassen (Kol 3,16).
„Wir können Gesang als eine Form der Auslegung sehen, die Poesie nutzt, um uns das Wort Gottes zu lehren.“
In Psalm 96,2 werden wir aufgefordert, Gottes Namen zu preisen. Ohne Gottes Offenbarung hätten wir Gott nicht erkennen können und wüssten nicht, wie wir ihn preisen sollten. Unser Gesang und unsere ganze Anbetung müssen von der Bibel geleitet sein, damit wir diese Anweisungen umsetzen. Gemeindelieder müssen ganz bewusst biblisch orientiert sein.
Wir können Gesang als eine Form der Auslegung sehen, die Poesie nutzt, um uns das Wort Gottes zu lehren. Als Isaac Watts Psalms, Hymns, and Spiritual Songs (dt. Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder) herausgab, war dies seine Absicht. Sein Ziel war nicht, die Schrift Vers für Vers zu singen, sondern eine poetische und gefühlvolle Wiedergabe der Schrift zu schaffen, die der Gemeinde ermöglicht, die Wahrheiten der Schrift zu singen.
Lieder sind Predigten. Sie funktionieren nicht wie homiletische Auslegungen, aber sie artikulieren, exegetisieren und verkündigen biblische Wahrheiten. Unsere Hymnen lehren und formen die Art und Weise, wie Menschen Gott, den Menschen und Christus sehen und wie sie im Licht des Evangeliums leben sollen.
Ein Weg, um sicher zu stellen, dass unser Gesang biblisch ist, besteht darin, unsere Lieder nach der Breite der biblischen Themen zu durchforsten, wie sie im Kanon präsentiert werden, und zu sehen, ob sie alle abdecken. Unsere Lieder sollten ins Licht des Wortes Gottes gestellt werden, um sicherzustellen, dass wir die Herrlichkeiten seiner Wahrheit singen.
3. Ein Gemeindelied sollte auf das Evangelium hinweisen
Die Konturen des Evangeliums sollten unser Liedgut formen. Wir sollten von seinem Heil verkündigen (Ps 96,2), damit das Evangelium weiter als Thema unserer Lieder erklingt. Wenn wir von dem Vorrang des Evangeliums überzeugt sind, sollten wir ganz sicher evangeliumszentrierte Lieder singen. Die Lieder unserer Gemeinden müssen vom Evangelium durchdrungen sein.
„Die Lieder unserer Gemeinden müssen vom Evangelium durchdrungen sein.“
Ein Ansatz für evangeliumszentrierten Gesang ist, auf dem Rahmen von Gott, Mensch, Christus und Antwort aufzubauen:
- Wir singen zu Gott als dem heiligen Schöpfer aller Dinge, der unserer Anbetung würdig ist.
- Wir singen über die Menschen und unsere sündige Natur, unsere Trennung von Gott und unsere Not der Vergebung.
- Wir singen über Christus, den vollkommen Menschen und vollkommenen Gott, der ein sündloses Leben führte und am Kreuz gestorben ist, um den Zorn Gottes zu tragen.
- Wir singen als Antwort. In diesen Liedern der Hingabe und der Umkehr, des Glaubens und des Lobes, antworten wir freudig auf diese gute Botschaft Jesu.
4. Ein Gemeindelied sollte für die Gemeinde sein
In der Einleitung dieses Psalms heißt es, dass Asaf und seine Söhnen ihn gesungen haben (1Chr 16,7). Christliches Singen ist in seinem Kern Sache der Gemeinde.
Das Lied der Rettung ist nicht für eine einzelne Person gedacht, sondern für viele. In der Flut des Individualismus und der Selbsthilfe, singt das Volk Gottes nicht als eine Ansammlung von Individuen, sondern als ein in Christus vereintes Volk. Christliches Singen soll nicht die wenigen Talentierten hervorheben, sondern die Stimmen der Vielen miteinschließen. Die Beteiligung der Gemeinde bewahrt die Zusammenkunft vor Protz und Prunk und schafft einen Kontext für eine fröhliche, von Gnade erfüllte Antwort auf die Offenbarung Gottes.
Dieser Chor der Erlösten erhebt ein gemeinsames Zeugnis des Lobes der Versöhnung mit Gott und untereinander. Gemeinsam in der Anbetung zu singen, ist ein Zeichen der Einheit der Gemeinde. Das Lied der Erlösten soll von Jung und Alt, Reich und Arm, Starken und Schwachen gesungen werden. Psalm 96,7 erinnert uns daran, dass Scharen von Völkern Gott loben werden – Menschen aus allen Stämmen, Sprachen und Nationen der Welt.
5. Ein Gemeindelied sollte evangelistisch sein
Während Anbetung auf Gott ausgerichtet ist, sollte sie auch verkündigend sein. Unser Singen richtet sich an Gott, aber es klingt auch im Ohr unserer Nachbarn. Auf Gott ausgerichtete Anbetung ist Verkündigung. Während wir über die Herrlichkeit Gottes singen, erkennen wir, dass nicht alle seine Herrlichkeit gesehen haben. Während wir die Herrlichkeit des Evangeliums besingen, realisieren wir, dass es nicht für alle eine gute Botschaft ist.
Spurgeon nannte diesen Psalm „Missionspsalm”, und das aus gutem Grund. Von Vers 10 bis 13 sehen wir, dass auf Gott ausgerichtetes Singen an sich als Verkündigung an die Verlorenen ergeht. Gottzentriertheit und Evangelisation sind nicht zwei konkurrierende Ziele, sondern gehen Hand in Hand. Die Anbetung Gottes ist das Ziel von Evangelisation.
„Singen ist eine heilige Übung. Wir singen, weil Gott es uns befohlen hat, und unsere Lieder sollten unsere Herzen mit Freude erfüllen.“
In demselben Atemzug singen wir von der Liebe Gottes und seinem Zorn. Mit derselben Melodie verkündigen wir seine Heiligkeit und die Todesmacht der Sünde. Christus ist der König, der wiederkommen wird, um die Welt in Gerechtigkeit und sein Volk in Treue zu richten. Wir sagen unter den Nationen „Der Herr regiert!“ in der Hoffnung, dass Männer und Frauen von ihrer Sünde umkehren und auf Christus vertrauen werden.
Eine heilige Übung
Der Gemeinde wurde ein Lied anvertraut, dessen Komponist, Inhalt und Ziel Christus ist.
Gemeindelieder sind nicht nur eine Einleitung für die Predigt. Der Gesang ist nicht dafür da, Zeit zu überbrücken und die Gemeinde aufzuwärmen. Singen ist eine heilige Übung. Wir singen, weil Gott es uns befohlen hat, und unsere Lieder sollten unsere Herzen mit Freude erfüllen.
[1] Vielen Dank an Collin Hansen, der diese Idee in einem Gespräch artikuliert hat.
[2] Mark Dever and Paul Alexander, The Deliberate Church: Building Your Ministry on the Gospel (Wheaton: Crossway, 2005), 85.