Die Bedeutung von Bündnissen
Jeder, der angestellt ist, oder eine Hypothek, Kreditkarte oder ein Auto hat, ist mit Verträgen vertraut – sowie mit den „Segnungen“ und „Flüchen“, die sie auferlegen. Natürlich sind nicht alle rechtmäßigen Vereinbarungen gleich. Ein Vertrag unterscheidet sich beträchtlich von einem letzten Willen und einem Testament, durch die man das Vermögen eines anderen erben kann. Man profitiert nicht von einem „Angestelltenverhältnis“ oder einem Auszahlungsprogramm, sondern von einem Geschenk.
Gleichermaßen gibt es verschiedene Arten von Bünden in der Bibel. Die reformierte Theologie hat aus der Schrift drei überspannende Bünde herausgearbeitet. Der Bund der Erlösung ist ein Abkommen zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist in der Ewigkeit, sich ein Volk zu erwählen, zu erlösen und zu berufen, wobei der Sohn als Mittler fungiert (Joh 6,39–44; 10; 17,1–5, 9–11; Röm 8,28–31). Adam wurde im Bund der Werke zum Bundeshaupt der Menschheit gemacht, und Jesus Christus ist im Bund der Gnade das Bundeshaupt seiner neuen Menschheit, die sowohl Gläubige als auch ihre Kinder umfasst [letzteres ist die Meinung der Vertreter der Kindstaufe, die nicht von allen reformierten Christen geteilt wird; Anmerkung des Übersetzers]. In Adam erben wir Schuld und Verderbnis, die zum Tod führen, und in Christus erben wir Rechtfertigung und Neugeburt, die zum ewigen Leben führen (Röm 5,12–21).
Der Hintergrund der biblischen Bünde ist die internationale Politik. Die offensichtlichste Parallele war das Abkommen, welches ein großer König (Suzerän) einem geringeren König (Vasall) aufzwang, nachdem er ihn vor einer angreifenden Armee gerettet hatte. Selbstverständlich war der Vasall in keiner Position, das Abkommen auszuhandeln, sondern musste seine Bestimmungen (Bedingungen) einfach hinnehmen genauso wie die Zusicherung des Suzeräns, ihn zu unterstützen, wenn er ihm gehorcht, bzw. ihn zu vernichten, wenn er nicht gehorcht (Sanktionen).
Wir sehen dieses Muster deutlich in der Beziehung, die Gott mit der Menschheit in Adam begründet hat. Als Träger von Gottes Ebenbild und sein Vasall wurde Adam das Recht zu ewigem Segen (dem Baum des Lebens) für sich selbst und seine Nachkommen verheißen, wenn er die Probe bestand, und er wurde im Fall des Verrats mit dem Tod bestraft. So wie ein König das Bundeshaupt seines Königreichs ist, war Adam das Bundeshaupt der ganzen Menschheit und als er den Bund brach, fielen wir mit ihm unter den Fluch von Schuld, Verderben und Tod.
Aber von Genesis 3,15 an entfaltet sich Gottes überraschende Ankündigung des Evangeliums in der Geschichte, bis er seine Verheißung in der Person und dem Werk von Jesus Christus erfüllt. Unser „letzter Adam“, Jesus, bestand die Probe und gewann für seine Nachkommen das Recht, vom Baum des Lebens zu essen. Mit seiner Evangeliumsverheißung in Genesis 3,15 gründet Gott einen Bund der Gnade, der nicht länger auf dem Gesetz beruht, sondern auf der Verheißung. Und er gründet eine Kirche, die „anfing, den Namen des Herrn anzurufen“ (1Mo 4,26).
Anders als im ursprünglichen Bund mit Adam macht Gott im Bund mit Abraham in Genesis 15 alle Verheißungen selbst und geht in einer überraschenden Vision zwischen den Stücken verschiedener Tiere hindurch. Als Teil der weltlichen Abkommen veranlasste der große König, dass der Vasall zwischen den Stücken hindurchgeht, und dadurch die Bedingungen und Sanktionen akzeptiert, aber hier übernimmt Gott die volle Verantwortung. Das gleiche einseitige Versprechen zeigt sich in dem Bund, den Gott mit David schließt: Obwohl er und seine Nachkommen untreu sein werden, wird Gott niemals aufhören, David einen Erben auf dem Thron zu bewahren, bis der Erbe, der größer als David ist, ihn selbst einnimmt.
Während der gnädige Bund andauert, macht Gott am Berg Sinai auch einen Bund mit Israel als Nation. Individuelle Israeliten werden immer noch durch Gnade und durch Glauben an den kommenden Messias gerettet, aber der Status der Nation im verheißenen Land ist zeitlich und an Bedingungen geknüpft. Am Sinai macht Gott keine Verheißungen, sondern als sog. Suzerän, der Israel aus Ägypten befreit hat, übermittelt er bloß die Bedingungen und Sanktionen: Segen (langes Leben im verheißenen Land) und Fluch (aus dem verheißenen Land „ausgerottet“ und ins Exil geschickt werden). Israel nahm die Bedingungen an und sprach: „Alles, was der HERR gesagt hat, das wollen wir tun und darauf hören! Da nahm Mose das Blut und sprengte es auf das Volk und sprach: Seht, das ist das Blut des Bundes, den der HERR mit euch geschlossen hat aufgrund aller dieser Worte!“ (2Mo 24,7–8). Segen und Fluch der Nation hingen von Israels Bundestreue ab.
„Sie aber haben wie Adam den Bund übertreten; dort sind sie mir untreu geworden“ (Hos 6,7). Als Gottes Staatsanwalt überbrachten die Propheten dem Volk Gottes Anklage, weil sie diesen nationalen Bund verletzt hatten. Während Gott durch die Stücke ging, um den abrahamitischen Gnadenbund zu gewährleisten, überbrachte er hier eine andere Botschaft und sagte, dass Israel zwischen den Stücken hindurchgehen und die Strafe des Exils tragen müsse (Jer 34,1–22). Nichtsdestotrotz verhieß Gott, auf Grundlage des abrahamitischen Gnadenbundes, der im Neuen Bund erneuert wird, eine neue Schöpfung und einen neuen Exodus, die auf der Vergebung der Sünden beruhen (Jer 31,31–34).
Als Jesus das Abendmahl im Obergemach einsetzte, erklärte er: „Das ist mein Blut, das des neuen Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26,28). Statt eines Gesetzesbundes („Tu das und du wirst leben“) ist es ein Bund der freien Barmherzigkeit. Anders als Mose sprengte er nicht das Blut auf das Volk, wodurch er ihren Eid besiegelte, sondern besiegelte seinen Eid mit seinem eigenen Blut. Er allein ging durch die Stücke hindurch und trug das Urteil an unserer statt. Es ist ein Geschenk, genauso wie der letzte Wille und ein Testament. Das ist in der Tat, wie der Hebräerbrief den alten Bund mit dem neuen vergleicht (Heb 9,15–22). Der Hebräerbrief spricht von einem „unabänderlichen Eid“, der auf Gottes Verheißungen statt auf menschlichem Handeln beruht (Hebr 6,17–20). Paulus stellt auf gleiche Weise den Bund der Werke und den Bund der Gnade gegenüber, indem er sich auf den abrahamitischen Bund bezieht: ein Lohn der Werke versus ein Geschenk der Gnade (Röm 4,1–5). Der spätere (sinaitische) Bund konnte die frühere (abrahamitsche) Verheißung nicht aufheben (Gal 3,7–29; 4,21–31).