Das gefährliche Verlangen nach Gemeindewachstum

Artikel von Adam Ramsey
24. Januar 2018 — 7 Min Lesedauer

Jeder Gemeindegründer fängt mit dem Verlangen an, dass seine Gemeinde wächst.

Und doch, was oft übersehen werden kann – wenn wir aus den Startlöchern kommen mit all unseren Plänen, Gebeten und Strategien – ist das tödliche Verlangen, unser eigenes Imperium zu errichten. Diese Art Verlangen nach Gemeindewachstum wird, wenn nichts dagegen getan wird, katastrophale Folgen haben.

Es gibt eine Art Verlangen nach Gemeindewachstum, das dazu imstande ist, sich für dich, deine Familie und deine Gemeinde als tödlich zu erweisen, weil seine treibende Kraft weltlicher Natur ist.

Es gibt eine Dienstphilosophie, die eindrucksvoll aussieht und klingt – die möglicherweise sogar all die richtigen Evangeliumsbegriffe verwendet – aber wenn du näher hinschaust, ist der Geruch unverwechselbar. Sie riecht nach Babel (1Mo 11,1–9).

Die Motive sind entscheidend

In seinem Buch The Imperfect Pastor (dt. „Der unvollkommene Pastor“) spricht Zack Eswine über das explosive Potential der Ambition bei Gemeindeleitern: „Ambition ist ein Feuerwerk. Richtig eingesetzt füllt es den Nachthimmel mit Licht, Farben, Schönheit und Vergnügen. Falsch eingesetzt kann es deine Nachbarschaft niederbrennen.“

Als Gemeindegründer und Pastor muss ich jeden Tag mit meinem Ego und meiner Ungeduld ringen, während ich die toxische Luft der breiteren Gemeindekultur atme, die bereitwillig schnelle Resultate statt gottesfürchtiger Dauerhaftigkeit bejubelt.

„Als Gemeinde-gründer und Pastor muss ich jeden Tag mit meinem Ego und meiner Ungeduld ringen.“
 

Wahnvorstellungen über meine eigene Begabung und Gefühle der Unzulänglichkeit kämpfen abwechselnd um die Aufmerksamkeit meines Herzens. Und das schon Montag früh.

Der Kampf ist real. Und genauso real ist tragischerweise, dass viele Gemeindegründungen aus verschiedenen Gründen nicht überdauern. Das resultiert oft darin, dass die Gemeindegründer Druck verspüren, schnell zu wachsen, um die Anfangsphase einer neuen Gemeinde zu überleben.

Aber wenn das Produzieren von Ergebnissen zu Lasten des Aufbauens einer Evangeliumsgrundlage mit Evangeliumsmotivation geht, dann können wir genauso gut versuchen, Wolkenkratzer auf zugefrorenen Seen zu errichten.

Wenn du deine Identität an deine Erfolge hängst, dann ist das Ergebnis genauso vorhersehbar wie unvermeidbar. Egal ob es die Hitze von Anfechtungen ist oder Zeiten, in denen die Gemeindegründung stagniert, oder der Rückgang deiner Fähigkeit, beeindruckende Ergebnisse zu erzielen; wenn das gefrorene Eis einer falschen Identität wegschmilzt, dann ist das Resultat eine Katastrophe. Jedes einzelne Mal (Spr 16,18).

Es mag Monate oder Jahrzehnte dauern, aber irgendwann wird ein ungehemmtes Ego die Eisschicht aufbrechen und die herunter-stürzenden Trümmer werden jeden treffen, der involviert ist.

Lektionen von Dr. Seuss

Wenn wir betend darüber nachdenken, wie unsere zukünftige Gemeindegründung aussehen mag, träumen wir (zurecht) von einer wachsenden, fruchttragenden, multiplizierenden Gemeinde. Und welcher Pastor will das nicht?

Die Gefahr kommt, wenn wir glauben, dass Gott uns diese Gemeinde schuldet. Wenn wir anfangen zu denken, dass Erfolg im christlichen Dienst etwas ist, das wir wegen all unserer Anstrengungen verdienen. Wenn wir wie die Figur Yertle the Turtle von Dr. Seuss werden und denken, dass unsere Gaben unterfordert sind in dem Gebiet des Reiches Gottes, dem wir gegenwärtig zugewiesen sind.

Erinnerst du dich daran, wie subtil sich Ambition und Anspruchsdenken im Herzen des Schildkrötenkönigs einschlichen? Die Geschichte fing so an:

Auf der entfernten Insel Sala-ma-Son war Yertle the Turtle König über den Teich. Ein netter kleiner Teich. Er war sauber. Das Wasser war warm. Es gab genug zu essen. Die Schildkröten hatten alles, was Schildkröten brauchen. Und sie waren alle glücklich. Sehr glücklich sogar. Das waren sie … bis Yertle, ihr König, sich entschied, dass das Königreich, das er beherrschte, zu klein war. „Ich bin Herrscher“, sagte Yertle, „über alles, was ich sehe. Aber ich sehe nicht genug. Das ist mein Problem. Dieser Knochen ist mein Thron und ich blicke auf meinen Teich herab, aber auf die Orte jenseits meines Teichs kann ich nicht herabblicken. Dieser Thron, auf dem ich sitze, ist viel zu niedrig. Er sollte höher sein!“, sagte er mit einem Stirnrunzeln. „Wenn ich höher sitzen würde, wieviel größer wäre ich dann! Was für ein König! Ich wäre Herrscher über alles, was ich sehe!“
- Theodor Geisel (Dr. Seuss)

Yertle ist der Inbegriff von Anspruchsdenken. Die, denen er dienen sollte, wurden zu einer Plattform, von der aus er gesehen werden konnte. Und die Resultate waren, wie vorhersehbar, katastrophal.

Aber vielleicht am erschreckendsten bei Yertle ist, dass die Größe des Teichs unwichtig ist.

Yertles können in einer Pfütze oder im Pazifischen Ozean existieren. Yertles können in Kerngruppen von 20 oder in Megagemeinden von
20 000 Menschen vorkommen.

Der Reiz der Ambition

Brennan Manning warnte einst, dass „eine Ambition, ein Star im Leib Christi zu sein, verlockend und verführerisch ist; sie ist auch dämonisch, der glamouröse Feind jedes dienenden Herzens und jeder Liebe.“

Oben auf der Leiter der selbsterhöhenden Ambition befindet sich keine Krone, sondern eine Schlinge. Wenn Haman uns Gemeindegründern eins lehren kann, dann, dass diejenigen, die sich selbst erhöhen, gewöhnlich am Ende in der Schlinge ihres eigenen Erfolges hängen (Est 7,9–10).

„Wenn Haman uns Gemeindegründern eins lehren kann, dann, dass diejenigen, die sich selbst erhöhen, gewöhnlich am Ende in der Schlinge ihres eigenen Erfolges hängen.“
 

Im Gegensatz dazu steht das demütige Beispiel des menschgewordenen Retters. Wir treten in die Fußstapfen Christi, der „gekommen ist, nicht um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen“ (Mk 10,45). Wir müssen uns weigern, seine Braut für unseren eigenen Beifall aufzuhübschen.

Wenn Gott uns dazu beruft, eine Gemeinde zu gründen oder zu leiten, müssen wir uns daran erinnern, dass unser pastoraler Einfluss nicht dazu da ist, unseren Träumen zu dienen, sondern um Gottes Volk zu dienen. Egal welche Plattform uns Jesus gibt, es ist keine Einladung, mit unseren Gaben anzugeben, sondern seine Herrlichkeit zur Schau zu stellen.

Viel zu tun, nichts zu beweisen

Das soll nicht heißen, dass wir uns keine Ziele stecken, unsere Leitungsgaben nicht entwickeln oder nicht danach streben sollen, dass unsere Gemeinde wächst. Ganz im Gegenteil, treue Haushalterschaft wird von Jesus gelobt (Mt 25,20–21) und ein gottesfürchtiges Bestreben, dass mehr Menschen Jesus kennenlernen und sich in ihm erfreuen, ist grundsätzlich ein geistgewirktes Verlangen.

„Der Unterschied zwischen einem gottesfürchtigen und einem weltlichen Bestreben zeigt sich am meisten in unserer Bereitschaft, unerkannt zu bleiben.“
 

Obwohl die zwei auf viele Weise ähnlich erscheinen, zeigt sich der Unterschied zwischen einem gottesfürchtigen und einem weltlichen Bestreben am meisten in unserer Bereitschaft, unerkannt zu bleiben. Keine Anerkennung zu bekommen. Dass jeder menschliche Applaus über uns weg zu Christus fliegt.

Oder lasst es mich anders ausdrücken, mit einer Frage, die ich gebrauche, um mein eigenes Herz zu prüfen: Wenn Gott jedes meiner Gebete für Erweckung und Erneuerung in meiner Stadt erhören würde – und er es primär durch eine andere Gemeinde tun würde – würde ich mich einfach darüber freuen können, dass er ein großes Werk getan hat? Es ist eine Frage, die uns demütigt, während sie uns an die ewige Perspektive erinnert, die wir brauchen, um gesunde Gemeinden zu gründen.

Denn, haben wir nicht schon das Erbe unendlichen Reichtums, welches zu uns kommt, einfach, weil wir Gottes Kinder sind (Eph 1,18–19)? In den Worten von Thomas Brooks: „Hat Christus sich dir nicht selbst gegeben? Ist nicht ein Quäntchen seiner Gnade mehr wert als zehntausend Welten? Wann solltest du demnach jemals neidisch sein auf die Gaben, die er anderen gibt?“

Das ist es, was uns das Evangelium erklärt: Während uns nichts zusteht, haben wir in Christus alles bekommen. Und aufgrund dieser Realität können wir uns dazu hingeben, mit allem was wir haben, Gemeinden zu gründen, zu leiten und ihnen zu dienen (1Kor 15,10).

Pastor, denke daran: Du gehörst zu Jesus. Du hast viel zu tun und nichts zu beweisen.