Gott liebt Erwählung

Artikel von R.C. Sproul
24. Januar 2018 — 5 Min Lesedauer

Wenn wir die Bibel ernst nehmen wollen, dann müssen wir irgendeine Lehre der Prädestination annehmen. Der Gedanke der Vorherbestimmung wurde nicht von Calvin oder Luther oder Augustinus erfunden. Paulus sagt in Epheser 1,4–6, dass Gott uns in Liebe „vorherbestimmt hat zur Sohnschaft für sich selbst durch Jesus Christus, nach dem Wohlgefallen seines Willens, zum Lob der Herrlichkeit seiner Gnade, mit der er uns begnadigt hat in dem Geliebten“. Folglich ist Vorherbestimmung (Prädestination) ein biblisches Wort und ein biblisches Konzept.

Aber das Konzept der Vorherbestimmung wirft eine Frage auf: Wieso erwählt Gott bestimmte Leute und nicht andere? Wir wissen, dass es nicht gegründet ist auf etwas, das wir tun. Es liegt nicht an unserem Laufen, unserem Wollen oder unserem Tun. Es liegt einzig und allein am Vorsatz Gottes, wie Paulus im Epheserbrief erklärt. Aber das wirft eine weitere Frage auf: Wenn der Grund dafür, dass der Herr manche dazu bestimmt, das außerordentliche Gut der Errettung zu erhalten, und andere nicht, nicht in denen wurzelt, die er erwählt hat (Röm 9,1–18), heißt das, dass Gott irgendwie willkürlich handelt?

Lasst uns einen Moment Zeit nehmen, zu definieren, was wir unter dem Wort willkürlich verstehen. Menschen, die willkürlich handeln, handeln ohne jeden erkennbaren Grund. Sie tun es einfach, und wenn du sie fragst, warum, dann antworten sie vielleicht: „Aus keinem Grund. Einfach so.“ Wir haben nicht viel Respekt für unberechenbare Menschen, die Dinge aus keinem besonderen Grund tun. Sollten wir also Gott diese Art von unüberlegtem, motivlosem Handeln unterstellen – dass er willkürlich und unberechenbar ist? Die Schrift erlaubt uns nicht, das zu tun.

Wir müssen hier eine Unterscheidung machen zwischen dem, dass Gott etwas aus keinem Grund tut und dass Gott etwas aus keinem Grund tut, der in uns liegt. Wir sagen deutlich, dass er seine Gnade nicht gibt, weil es in uns einen Grund dafür gibt. Aber die Tatsache, dass es in mir keinen Grund gibt für meine Errettung heißt nicht, dass es keinen Grund hinter Gottes Handeln gibt. Die Schrift sagt uns eigentlich immer und immer wieder, dass Gott einen Grund hat hinter seinem Erwählen von manchen zur Errettung und seinem Nichterwählen von anderen.

Epheser 1,11 zeigt diese Absicht hinter der Vorherbestimmung auf, indem es uns sagt, dass Vorherbestimmung geschieht „nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Ratschluss seines Willens“. Der Ratschluss seines Willens hat etwas mit Weisheit zu tun, mit einem Plan, mit einem Gedankengang Gottes. Das bloße Wort „Ratschluss“ deutet Intelligenz an sowie einen intelligenten Grund für das Handeln, und Gott will nie etwas getrennt von seinem Ratschluss. Eine Person, die vollkommen willkürlich handelt, hat keinen Ratschluss, überlegt nicht und nimmt keinen Rat an. Er tut einfach etwas. Und deshalb sollte uns das Wort „Ratschluss“ darauf stoßen, dass die biblische Vorstellung von Gottes souveräner Gnade in der Weisheit Gottes verwurzelt ist, in seinen eigenen Gedanken, die vollkommen sind. Sie ist nicht irrational – sie ist ausgesprochen rational und alles andere als willkürlich.

Ein weiteres Schlüsselwort, das in der Bibel immer wieder vorkommt in Bezug auf Vorherbestimmung und Erwählung ist das Wort „Vorsatz“. Wir haben in Epheser 1,4–6 gesehen, dass Gottes Vorherbestimmung nach dem Wohlgefallen (Vorsatz) seines Willens geschieht. Jemand, der etwas willkürlich tut, hat dabei keinen Vorsatz. Aber das Neue Testament sagt deutlich, dass es ein göttliches Ziel bei Gottes erwählender Gnade gibt und Teil davon ist, den Reichtum seiner Gnade zu erzeigen und seine Barmherzigkeit offenbar zu machen (Röm 9,22–24) – das heißt, etwas von seinem wunderbaren Wesen zu offenbaren, was seine Gnade gewiss tut. Sie erzeigt seine ehrfurchtgebietende, großartige, wunderbare Barmherzigkeit. Es gibt auch ein weiteres Ziel, und das ist, Christus zu ehren. Erinnerst du dich an die Verheißung an Christus, dass er, nachdem seine Seele Mühsal erlitten hat, er seine Lust sehen und die Fülle haben wird (Jes 53,11)? Nach seinem eigenen Ratschluss hat Gott vor Grundlegung der Welt beschlossen, dass das Kreuz Jesu Christi seine bestimmte Frucht erzielen und dass Christus mit den Resultaten seines Schmerzes, Leidens und Todes zufrieden sein wird.

Denk daran, dass wenn das Neue Testament von Erwählung und Vorherbestimmung spricht, es immer davon spricht, dass wir erwählt oder auserwählt sind in dem Geliebten. Letztendlich sagt uns das Neue Testament, dass Menschen zu Errettung erwählt sind, sodass Gott der Vater seine Herrlichkeit, Liebe und Zuneigung Gott dem Sohn zuteilwerden lassen kann (Eph 1,3–6). Wir sind letzten Endes nicht erlöst, weil wir würdig sind, sondern weil Christus würdig ist. Gott ist mir gnädig, um den anzuerkennen, der Anerkennung verdient – seinen eingeborenen Sohn. Siehst du hier das Zusammentreffen von Gnade und Gerechtigkeit? Es ist gerecht, dass Christus ein Erbe erlangen sollte, und wir sind dieses Erbe. Dass wir dieses Erbe sind, bedeutet für uns Gnade und für Christus Gerechtigkeit.

Die letzte Sache, auf die ich hinweisen will, steht in Epheser 1,5. Wir sind auserwählt „nach“ – auf Grundlage – „dem Wohlgefallen“ seines Willens. Gott erwählt aufgrund welchem Gefallen? „Nach dem Wohlgefallen seines Willens.“ Das Wort „wohl“ macht den ganzen Unterschied, denn es gibt nicht so etwas wie das Wehegefallen seines Willens. Gott hat kein Gefallen an Bösem, selbst, wenn wir daran Gefallen haben. Genau genommen sündigen wir, weil es uns so gefällt. Wenn es uns nicht gefallen würde, würden wir nicht davon gelockt oder versucht werden. Aber es gibt keinen bösen Willen in Gott. Das einzige, was Gott jemals gefallen hat, ist Güte; der einzige Gefallen, den er jemals hatte, ist Wohlgefallen und der einzige Vorsatz, den er jemals hatte, ist ein guter Vorsatz.

Gott ist also in dem Geheimnis seiner Gnade offensichtlich nie launisch, unberechenbar oder willkürlich. Obwohl der Grund für unsere Errettung nicht in uns liegt, heißt das nicht, dass Gott keinen Grund für seine Erwählung hat. Er hat einen Zweck und es ist ein guter Zweck.