Die Lehren der Gnade

Artikel von Steven J. Lawson
12. Januar 2018 — 4 Min Lesedauer
„Diejenigen, die Errettung erfahren haben, sollen sie der souveränen Gnade allein zuschreiben und allen Preis dafür dem geben, der sie von anderen abhebt.“ – Jonathan Edwards

Die Lehren der Gnade werden so genannt, weil diese fünf Hauptüberschriften der Theologie, die oft als die fünf Punkte des biblischen Calvinismus identifiziert werden, den reinsten Ausdruck der rettenden Gnade Gottes beinhalten. Jede dieser fünf Lehren – radikale Verdorbenheit, souveräne Erwählung, bestimmte Sühne, unwiderstehliche Berufung und bewahrende Gnade – stellen auf höchste Weise die souveräne Gnade Gottes zur Schau. Diese fünf Überschriften stehen zusammen als eine umfassende Erklärung der rettenden Ziele Gottes. Aus diesem Grund gibt es in Wirklichkeit nur eine Hauptaussage bei den Lehren der Gnade, nämlich, dass Gott Sünder durch seine Gnade und zu seiner Ehre rettet. Diese zwei Wirklichkeiten – Gottes Gnade und Ehre – sind untrennbar miteinander verbunden. Was auch immer Gottes Gnade am meisten erstrahlen lässt, dient auch am meisten zu seiner Ehre. Und das, was am meisten Gottes Gnade erhöht, ist die Wahrheit, die in den Lehren der Gnade ausgedrückt wird.

Auf der anderen Seite, irgendeinen dieser fünf Punkte zu kompromittieren heißt, die Gnade Gottes zu verwässern und zu schmälern. Zum Beispiel, wenn man nur von einer teilweisen Verdorbenheit des Menschen spricht, bei der der verlorene Sünder bloß geistlich krank in seiner Sünde ist, ergibt sich eine Fehldiagnose, die die Gnade Gottes aufs gröbste schmälert. Genauso, von einer bedingten Erwählung zu sprechen, die von Gottes Vorhersehen des Glaubens eines Menschen ausgeht, korrumpiert die Gnade Gottes. Zu lehren, dass Christus eine universelle Sühne leistete, indem er die Errettung allen ermöglichte (jedoch niemandem zusicherte), setzt die Gnade Gottes herab. An eine widerstehbare Berufung zu glauben, die sich nach dem freien Willen des Menschen richtet, kompromittiert die Gnade Gottes. Und sich eine umkehrbare Gnade vorzustellen, die es einem Menschen erlaubt, vom Glauben abzufallen, verunreinigt die reine Gnade Gottes. Diese Sichtweisen unterminieren die Gnade Gottes, und berauben daher traurigerweise Gott seiner Ehre. Und doch haben vielen in der Kirche heute solche Ansichten. In jedem synkretistischem, arminianischen Schema der Theologie wird die Errettung als teilweise von Gott und teilweise vom Menschen betrachtet – ob nun der Mensch seine guten Werke hinzufügt oder seinen selbsterzeugten Glauben zu dem vollbrachten Werk Christi beiträgt. Diese Schemata teilen die Ehre zwischen Gott und Mensch auf. In dem Maße, wie man von den fünf Lehren der Gnade abweicht, marginalisiert man die Ehre, die Gott allein für die Errettung von Sündern gebührt.

Gott allein die Ehre geben

Kurz vor seinem Tod im Jahr 2000 bemerkte James Montgomery Boice

„Eine hohe Sicht von Gott zu haben heißt mehr, als nur Gott die Ehre zu geben … es heißt, Gott allein die Ehre zu geben. Das ist der Unterschied zwischen dem Calvinismus und dem Arminianismus. Während der erstere erklärt, dass Gott allein Sünder rettet, gibt der letztere den Anschein, dass Gott den Sünder dazu befähigt, einen Teil zu seiner Errettung beizutragen. Der Calvinismus präsentiert die Errettung als Werk des dreieinigen Gottes – Erwählung durch den Vater, Erlösung durch den Sohn, Berufung durch den Geist. Darüber hinaus ist jede dieser Rettungstaten auf die Erwählten ausgerichtet, wodurch ihre Errettung unfehlbar sichergestellt wird. Im Gegensatz dazu sieht der Arminianismus die Errettung als etwas, dass Gott möglich, aber der Mensch zur Wirklichkeit macht. Das kommt daher, weil die Rettungstaten Gottes auf verschiedene Menschen ausgerichtet sind: Die Erlösung des Sohnes gilt der Menschheit als Ganzes; die Berufung des Geistes gilt nur denen, die das Evangelium hören; und, noch engführender, gilt die Erwählung des Vaters nur denen, die an das Evangelium glauben. Aber in keiner dieser Fälle (Erlösung, Berufung oder Erwählung) stellt Gott wirklich die Errettung eines einzelnen Sünders sicher! Das unweigerliche Ergebnis ist, dass die Erlösung, statt ausschließlich von der göttlichen Gnade abzuhängen, teilweise von der Antwort des Menschen abhängt. Demnach ist der Arminianismus zwar bereit, bei der Errettung Gott die Ehre zu geben, aber er ist nicht bereit, ihm alle Ehre zu geben. Er teilt die Ehre auf zwischen Himmel und Erde, denn wenn der Unterschied zwischen gerettet und verloren sein letztlich auf der Fähigkeit des Menschen beruht, sich für Gott zu entscheiden, dann wird genau in dem Maß Gott seiner Ehre beraubt. Aber Gott selbst hat gesagt: ‚Ich will meine Ehre keinem anderen geben‘ (Jes 48,1).“

Darum werden die Lehren der Gnade so verzweifelt in unseren Kirchen gebraucht. Sie geben Gott allein die Ehre. Sie definieren die Errettung so, dass alles von Gott kommt. Wenn die Errettung richtigerweise so verstanden wird, dann – und nur dann – bekommt Gott alle Ehre dafür. Nur sola gratia führt zu soli Deo gloria.