Gott kommt uns in Christus ganz nahe

Die meisten Deutschen haben eine Vorstellung von Gott, dass wenn er überhaupt existiert, dann nur als ein ferner Gott. Er existiert vielleicht in einer anderen Dimension, die ab und zu mal Kontakt mit diesem Universum aufbaut, aber im Großen und Ganzen hat er mit der Welt, in der wir leben, wenig zu tun. Die biblische Lehre von Gott ist viel größer. Zum einen ist seine Transzendenz viel größer, da Gott die Welt nicht nur geschaffen hat, sondern auch in jedem Moment nach seinem souveränen Ratschluss lenkt. Zum anderen ist seine Immanenz viel größer, da Gott laut der Bibel ein naher Gott ist, der an jedem Ort des Universums zu jeder Zeit in all seiner Macht und Herrlichkeit gegenwärtig ist.
Gottes Transzendenz
Der Gott der Bibel ist viel größer und mächtiger als das landläufige Gottesbild selbst vieler Christen. Der amerikanische Soziologe Christian Smith hat nachgewiesen, dass die eigentliche Religion vieler Menschen, egal was sie vorgeben zu glauben, eine Form des Deismus ist. Ihr Gott hat vielleicht etwas mit der Erschaffung der Welt zu tun gehabt und greift möglicherweise in den ganz wichtigen Momenten des Lebens ein, aber ansonsten überlässt er die Welt ihrem Schicksal. Dem steht das biblische Gottesbild diametral entgegen. Der Gott der Bibel ist Schöpfer und souveräne Lenker des Universums.
Bedenkt das und erweist euch als Männer und nehmt es euch zu Herzen, ihr Übertreter! Gedenkt an das Frühere von der Urzeit her, dass Ich Gott bin und keiner sonst; ein Gott, dem keiner zu vergleichen ist. Ich verkündige von Anfang an das Ende, und von der Vorzeit her, was noch nicht geschehen ist. Ich sage: Mein Ratschluss soll zustandekommen, und alles, was mir gefällt, werde ich vollbringen. Ich berufe von Osten her einen Adler und aus fernen Ländern den Mann meines Ratschlusses. Ja, ich habe es gesagt, ich führe es auch herbei; ich habe es geplant, und ich vollbringe es auch. (Jes 46,8-11)
Vor diesem allmächtigen Gott muss sich jeder Mensch einmal verantworten. Keiner kommt mit irgendetwas davon.
Denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden, damit jeder das empfängt, was er durch den Leib gewirkt hat, es sei gut oder böse. (2 Kor 5,10)
Gottes Immanenz
Auf der anderen Seite ist Gott viel näher, als wir es oft denken und vielleicht wünschen. Paulus predigte den religiösen Athenern, dass der wahre Gott nicht fernab auf dem Olymp wohnt, sondern nahe und fast greifbar ist.
Damit sie den Herrn suchen sollten, ob sie ihn wohl umhertastend wahrnehmen und finden möchten; und doch ist er ja jedem einzelnen von uns nicht ferne; denn "in ihm leben, weben und sind wir". (Apg 17,27-28)
Wir müssen nicht versuchen, auf unserer eigenen Leiter zu Gott aufzusteigen oder ihn durch religiöse Praktiken und Mantras aus dem Himmel herunterholen. Er ist mächtig über uns aber auch gegenwärtig mit uns. Er ist so mächtig, dass er mit seiner Allmacht alles erfüllt. Er durchwaltet die Schöpfung und ist deshalb von jedem Menschen wahrnehmbar.
Weil das von Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist, da Gott es ihnen offenbar gemacht hat; denn sein unsichtbares Wesen, nämlich seine ewige Kraft und Gottheit, wird seit Erschaffung der Welt an den Werken durch Nachdenken wahrgenommen. (Röm 1,19-20)
Gott kommt ganz nahe
Aber dieser allmächtige und allgegenwärtige Gott ging sogar noch einen Schritt weiter. Er kam uns in seiner Liebe nah, ganz nah. Er wurde Mensch. Dies war ein vollkommen freier Entschluss, der für uns aber lebensnotwendig war. Nur weil Gott Mensch wurde, können wir Rettung finden. Wir waren verpflichtet, als Geschöpfe Gottes Willen zu erfüllen. Das haben wir nicht getan und stehen deshalb unter seinem Zorn. Statt uns alle zu verdammen, sandte Gott seinen Sohn, der an unserer statt gehorsam war und die Strafe unseres Ungehorsams trug. Nur weil Gott Mensch wurde, können wir in sein Herz blicken. Jesus Christus, sein Sohn, der wesensgleich mit seinem Vater ist, hat uns Aufschluss über Gott gegeben. An Jesus erkennen wir, wie Gott wirklich ist. Er zeigt uns die wahre Liebe und die wahre Herrlichkeit Gottes, vornehmlich durch seinen Tod am Kreuz. Am Kreuz sehen wir, dass Gott so heilig ist, dass er sogar seinen eigenen Sohn sterben lässt, um die Würde seiner Person und seines Gesetzes zu verteidigen. Wir sehen aber auch die Liebe Gottes, der seinen heiligen Zorn nicht auf uns entlädt, sondern auf seinen Sohn, der sich in Liebe für uns gegeben hat.
Weihnachten, dass Fest an dem wir der Menschwerdung Gottes gedenken, ist das Fest, welches immer wieder den Gedanken verbannen sollte, dass Gott fern von uns ist und sich für unser Leben nicht interessiert. Er interessiert sich so sehr, dass er Mensch geworden ist, um sich selbst für uns zu opfern. Lasst uns an der Liebe eines solchen Gottes nicht zweifeln. Lasst ihn uns aber auch mit all unserem Sein anbeten, denn seine Menschwerdung schmälert nicht seine Herrlichkeit, sondern offenbart, wie groß sie eigentlich ist. Wie groß und mächtig muss jemand sein, der es nicht nötig hat, sich abzuschotten, sondern der es sich leisten kann, sich verletzlich zu zeigen, so verletzlich wie ein Säugling in der Krippe? Was für eine Größe steckt in dieser Erniedrigung!
Dieses Nahekommen Gottes offenbart sein Wesen. Er ist nicht ein Gott, der distanziert und desinteressiert ist, sondern ein Gott, der nahe und fürsorgend ist. Von unserem Gottesbild hängt unser ganzes Glaubensleben ab. Die Advents- und Weihnachtszeit ist eine Zeit des Nachsinnens über das wahre Wesen unseres hochheiligen Gottes. Er ist da und nahe und bereit, zu helfen.
Ihr dürft euch nicht bemühen
noch sorgen Tag und Nacht,
wie ihr ihn wollet ziehen
mit eures Armes Macht.
Er kommt, er kommt mit Willen,
ist voller Lieb und Lust,
all Angst und Not zu stillen,
die ihm an euch bewusst.
Paul Gerhardt (1607-1676)