Müssen Christen an die Jungfrauengeburt glauben?

Artikel von Albert Mohler
22. Dezember 2017 — 5 Min Lesedauer

Während sich das Weihnachtsfest schnell nähert, interessieren sich die säkularen Medien wie gewohnt für die Jungfrauengeburt. Jedes Weihnachten verbinden sich wöchentliche Nachrichtenmagazine und verschiedene Leitartikel zu einem gemeinsamen Stöhnen darüber, dass so viele Amerikaner an solch eine unwissenschaftliche, übernatürliche Lehre glauben können. Für manche ist der Glaube, dass Jesus Christus von einer Jungfrau geboren wurde, nichts weniger als ein Beweis für intellektuelle Trübheit. Ein Schreiber für die New York Times drückte seine Klage deutlich aus: „Der Glaube an die Jungfrauengeburt spiegelt wider, wie das amerikanische Christentum mit der Zeit immer weniger intellektuell und immer mythischer wird.“

Macht der Glaube an die Jungfrauengeburt Christen „weniger intellektuell“? Haben wir eine unhaltbare Lehre am Hals? Kann ein wahrer Christ die Jungfrauengeburt leugnen, oder ist die Lehre ein wesentlicher Bestandteil des Evangeliums, wie es uns in der Schrift offenbart wird?

Die Lehre der Jungfrauengeburt war unter den ersten, die hinterfragt und schließlich verworfen wurde nach dem Aufkommen der historischen Kritik und der Unterminierung biblischer Autorität, die unweigerlich folgte. Die Kritiker behaupteten, dass die Lehre etwas Optionales sein müsse, weil sie „nur“ in zwei der vier Evangelien vorkommt. Der Apostel Paulus, so argumentierten sie, nähme in seinen Predigten in der Apostelgeschichte keinen Bezug darauf, also müsse er sie nicht geglaubt haben. Darüber hinaus, so die Kritiker, sei die Lehre einfach so übernatürlich. Moderne Häretiker wie der episkopale Bischof im Ruhestand John Shelby Spong argumentieren, dass die Lehre einfach nur ein Beweis dafür sei, dass die frühe Kirche die Behauptung, dass Jesus Gott war, überstrapazierte. Diese Lehre sei, so Spong, der „Einstiegsmythos“ für die Auferstehung, den „Ausstiegsmythos“. Wenn doch nur Spong ein Mythos wäre.

Jetzt behaupten sogar manche revisionistische Evangelikale, dass der Glaube an die Jungfrauengeburt nicht notwendig sei. Die Bedeutung des Wunders sei überdauernd, aber die historische Wahrheit der Lehre sei nicht wichtig.

Muss man an die Jungfrauengeburt glauben, um Christ zu sein? Es ist vorstellbar, dass jemand zu Christus kommen und ihm als Retter vertrauen kann ohne bis dato erfahren zu haben, dass die Bibel lehrt, dass Jesus von einer Jungfrau geboren wurde. Ein neuer Gläubiger ist sich noch nicht der ganzen Struktur der christlichen Wahrheit bewusst. Die wirkliche Frage ist diese: Kann ein Christ, der um diese Lehre der Bibel weiß, die Jungfrauengeburt leugnen? Die Antwort muss nein sein.

Matthäus berichtet uns, dass, ehe Maria und Joseph „zusammengekommen waren“, Maria „vom Heiligen Geist schwanger geworden war“ (Mt 1,18). Matthäus erklärt, dass dadurch erfüllt wurde, was Jesaja verheißen hatte: „Siehe, die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn gebären; und man wird ihm den Namen ‚Immanuel‘ geben, das heißt übersetzt: ‚Gott mit uns‘“ (Mt 1,23; Jes 7,14).

Lukas berichtet sogar von weiteren Einzelheiten und offenbart, dass Maria von einem Engel besucht wurde, der ihr erklärte, dass sie, obzwar eine Jungfrau, das göttliche Kind gebären würde: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden“ (Lk 1,35).

Selbst wenn die Jungfrauengeburt nur von einer Bibelstelle gelehrt würde, wäre das genug, um alle Christen auf diese Lehre zu binden. Wir haben nicht das Recht, den Wahrheitsgehalt einer biblischen Lehre anhand ihrer Wiederholung in der Schrift zu gewichten. Wir können nicht behaupten, dass wir daran glauben, dass die Bibel Gottes Wort ist, wenn wir uns dann umdrehen und ihre Lehre in Zweifel ziehen.

Millard Erickson drückt das gut aus: „Wenn wir nicht an der Jungfrauengeburt festhalten, obwohl die Bibel sie lehrt, dann haben wir die Autorität der Bibel kompromittiert und es gibt im Prinzip keinen Grund, warum wir an ihren anderen Lehren festhalten sollten. Daher hat die Leugnung der Jungfrauengeburt Folgen weit über diese Lehre hinaus.“

In der Tat Folgen: Wenn Jesus nicht von einer Jungfrau geboren wurde, wer war dann sein Vater? Es gibt darauf keine Antwort, die das Evangelium intakt hält. Die Jungfrauengeburt erklärt, wie Christus sowohl Gott als auch Mensch sein konnte, wie er ohne Sünde sein konnte und wie das ganze Werk der Erlösung Gottes gnädiger Akt ist. Wenn Jesus nicht von einer Jungfrau geboren wurde, hatte er einen menschlichen Vater. Wenn Jesus nicht von einer Jungfrau geboren wurde, lehrt die Bibel eine Lüge.

Carl F.H. Henry, ein Leiter unter den evangelikalen Theologen, argumentiert, dass die Jungfrauengeburt das „wesentliche, historische Anzeichen für die Fleischwerdung ist, welches nicht nur eine Analogie auf die göttliche und menschliche Natur des Fleischgewordenen in sich trägt, sondern auch das Wesen und Ziel des Wirkens Gottes zur Erlösung hervorhebt.“ Gut gesagt und gut geglaubt.

Die säkularistischen Herausgeber der Zeitungen und Magazine unseres Landes mögen den Glauben an die Jungfrauengeburt als einen Beweis für die intellektuelle Zurückgebliebenheit unter den amerikanischen Christen erachten. Aber das ist der Glaube der Kirche, gegründet auf Gottes vollkommenes Wort und geschätzt von der wahren Kirche zu allen Zeiten. Diejenigen, die die Jungfrauengeburt leugnen, bekräftigen andere Lehren nur nach Lust und Laune, denn sie haben die Autorität der Schrift bereits preisgegeben. Sie haben das Wesen Christi unterminiert und die Menschwerdung zunichtegemacht.

Christen müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass eine Leugnung der Jungfrauengeburt gleichbedeutend einer Leugnung von Jesus als dem Christus ist. Der Retter, der für unsere Sünden starb, war kein anderer als das Kind, welches vom Heiligen Geist empfangen und von einer Jungfrau geboren wurde. Die Jungfrauengeburt steht als eine biblische Lehre nicht für sich allein da, sie ist ein nichtreduzierbarer Teil der biblischen Offenbarung über die Person und das Werk Jesu Christi. Mit ihr steht und fällt das Evangelium.

Soviel wissen wir: Alle, die Errettung finden, werden durch das Sühnewerk Jesu Christi gerettet, dem Retter, der von einer Jungfrau geboren wurde. Alles andere ist einfach kein Christentum, egal wie es sich nennt. Ein Christ wird die Jungfrauengeburt nicht leugnen.