Wie das Smartphone unser Leben verändert

Artikel von Hanniel Strebel
19. Dezember 2017 — 8 Min Lesedauer

Besorgt über den Sog der virtuellen Welt1

Ich lebe in Sorge. Sie betrifft einen beträchtlichen Teil meiner täglichen Zeit: die Stunden, die ich online in der Welt verbringe. Was beunruhigt mich?

Dass ich morgens oftmals den Drang verspüre, zuerst zum Smartphone zu greifen; dass ich das Gerät, wenn ich es in der Hosentasche halte, immer wieder hervorziehe; dass es meine Konzentrationsspanne verringert und meine Aufmerksamkeit auf unvorteilhafte Weise zerstückelt; dass es mich meinen Liebsten entfremdet, weil es Kontakt und Konversation verhindert; dass es sich einen Gott-ähnlichen Platz in meinem Leben erobert, also zum Götzen wird.

Dazu steigert die virtuelle Selbstdarstellung meinen Hang zur Selbstverliebtheit. Ein abschreckendes Beispiel von einem jungen Instagram-Modell bleibt mir im Gedächtnis haften. Um die halbe Million Follower täglich zu befriedigen, schaffte sie sich für jeden Auftritt neue Klamotten an. Für die Fotos wurden exklusive Orte aufgesucht. Das stürzte die Frau nicht nur in einen nie endenden Wettbewerb um Beachtung und noch ausgefallenere Selbstdarstellung, sondern auch in schnell ansteigende Schulden.

Damit ist meine tiefste Sorge formuliert: Dass mein geistliches Leben durch meine Gewohnheiten im Netz ernsthaft behindert wird und Schaden leidet.

„Die biblische Geschichte hilft uns, eine ausgewogene Sicht auf Soziale Medien zu entwickeln.“
 

Ich weiß, dass es auch viele Technologie-Pessimisten gibt. Diese jammern uns vor, wie schlimm alles sei und noch viel schlimmer werde. Dass der Online-Konsum zu Langzeitschäden im Gehirn führen werde, die denen der Drogen nicht unähnlich seien. Dass die Lese- und Schreibkompetenz stetig abnehme und sich bereits heute auf einem beängstigend tiefen Niveau befinde. Auf der anderen Seite gibt es Optimisten, welche seit Jahrzehnten die Höherentwicklung und Perfektionierung des Menschen durch die neuen Möglichkeiten herbeireden wollen, z. B. duch den ungehinderten Zugang zu Informationen, die ungefilterte Darstellung unterschiedlicher Überzeugungen und Meinungen oder fallende Preise durch den Vergleich von Gütern und Dienstleistungen.

Soziale Medien und biblische Heilsgeschichte

Die biblische Geschichte hilft uns, eine ausgewogene Sicht zu entwickeln. Die Geschichte der Neuen Medien beginnt nicht bei den Silicon Valley-Internet-Pionieren, sondern mit der Schöpfung und dem Sündenfall.

Die Schöpfung ist auf Entwicklung angelegt.

Gott schuf die gesamte Wirklichkeit nicht in Vollendung, sondern legte das Ganze auf eine Entwicklung an. Das heißt, Gott schuf den Menschen, um seine Schöpfung weiterzuentwickeln. Die Technologie verändert die Schöpfung. Das heißt, sie trägt dazu bei, die Schöpfung auf dieses Ziel hinzuführen.

Der Sündenfall entfremdet den Menschen von Gott, seiner Schöpfung und dem Nächsten.

Der Sündenfall zog nicht nur den gesamten Menschen, sondern auch die Schöpfung in Mitleidenschaft. Adam und Eva wurden aus der Gegenwart Gottes vertrieben. Von Gott zur Rede gestellt, beschuldigten sie sich gegenseitig. Außerhalb des Paradiesgartens wurden sie täglich mit den Mühen einer gefallenen Schöpfung konfrontiert.

Wir können also erwarten, dass die sozialen Medien, auch wenn sie auf eine Gott geschenkte Innovation zurückgehen, uns zur Sünde verleiten können. Das ist jedoch nur eine Seite. Die Technologie trägt auch dazu bei, die Folgen des Sündenfalls zurückzubinden, etwa wenn eine Lawinen-Such-App Verschüttete ortet. Technologie unterstützt menschliche Macht zum Guten, wenn etwa über die sozialen Medien christliche Beiträge platziert werden können. Genauso verseucht jedoch die Porno-Industrie die elektronischen Kanäle. Wenn ein Arbeitskollege auf WhatsApp durch den Dreck gezogen wird, wird dadurch das neunte Gebot „du sollst kein falsches Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten“ gebrochen.

„Das Thema ist Erlösung aus der Abhängigkeit hin zu einem effizienten Einsatz, durch den Christus größer und herrlicher wird!“
 

Eines ist klar: Gott bleibt souverän über alle technologischen Entwicklungen. So wie er menschliche Erfindungen ermöglicht, um sein Evangelium bis an die Enden der Erde zu tragen und um christliche Leiter in rasch wachsenden Gemeinden in Asien und Afrika online auszubilden, kann er dafür sorgen, dass das Netz in Augenblicken zusammenbricht oder ein Bote, der Lügen verbreitet, das Zeitliche segnet.

Die Wiederherstellung

Durch das Werk des Heiligen Geistes werden wir durch den Glauben wiedergeboren. Dadurch sind wir willens und fähig, unser ganzes Leben nach dem „geraden Weg des Evangeliums“ (Gal 2,14) zu ordnen. Unser Handy wird zum „Maulesel“ auf dem Weg in das himmlische Jerusalem, statt uns weiterhin zu versklaven.

Auf diesem Weg sind wir manchen Gefahren ausgesetzt, wie ich unten mit den „zwölf Wegen“ erläutere. Eine gesunde Theologie schützt vor Euphorie und Technophobie. Das Thema ist nicht in erster Linie Verzicht oder Teil-Verzicht, sondern Erlösung aus der Abhängigkeit hin zu einem effizienten Einsatz, durch den Christus größer und herrlicher wird! Dazu habe ich im letzten Teil einige Fragen notiert.

Zwölf Wege, wie das Smartphone unser Leben verändert

Der Technologie-Experte und Christ Tony Reinke beschreibt zwölf verschiedene Arten, wie das Smartphone unser Leben ungut verändert.

  1. Wir lenken uns ab, um Arbeit und Menschen und letztlich unsere Gedanken von der Ewigkeit fernzuhalten.
  2. Wir ignorieren unsere Körperlichkeit. Ich vergesse nie den Moment im überfüllten Bus, als ein Mitreisender seine virtuelle Angelrute über den Köpfen der Pendler auswarf. Er hat virtuell geangelt!
  3. Wir streben nach unmittelbarer Bestätigung. Wir posten ideale Bilder von uns selbst und den schönsten Orten. Was aber vor Gott zählt, ist das Heldentum des realen Lebens: Wenn wir unsere kranken Liebsten versorgen, hart arbeiten, Versuchungen widerstehen.
  4. Wir verlieren an Aufmerksamkeit beim Lesen. Wir lesen oberflächlich, flüchtig und bruchstückhaft.
  5. Wir sind von dem Produzierten eingenommen. Wir wenden uns dem Vermittelten anstatt dem Tatsächlichen zu. Wir fixieren unser Handy beim Aufnehmen, anstatt uns auf das Geschehen selbst zu konzentrieren.
  6. Wir werden das, was wir lieben. Womit wir uns beschäftigen, prägt uns nachhaltig. Unser Gehirn wird durch diese Gewohnheiten neu programmiert.
  7. Wir werden einsam. Wir verlieren uns im Netz und bleiben dabei alleine.
  8. Wir gewöhnen uns an heimliche Laster. Unsere privaten Aktivitäten gehen anscheinend niemanden etwas an. Doch Sünde hat immer zwischenmenschliche Konsequenzen.
  9. Wir verlieren Zusammenhänge. Wir begnügen uns mit einzelnen Datenhappen und achten nicht mehr auf die dahinter liegenden Zusammenhänge.
  10. Wir fürchten uns davor, etwas zu verpassen. Ob Ereignisse oder Nachrichten: Wir wollen nichts verpassen.
  11. Wir werden harsch zu einander. Die knappen, verkürzten Nachrichten wirken sich auch auf die Art und Weise unserer Kommunikation aus. Es entsteht ein stichwortartiger, liebloser Stil.
  12. Wir verlieren unseren Platz in Zeit und Raum. Das Bombardement an Informationen löst uns aus unserer Umgebung von Zeit und Raum und raubt uns Verwurzelung.

Fragen zur Diagnose, zur Kontrolle vor dem Publizieren sowie zur Entgiftung

Ein verantwortungsvoller Umgang mit den Neuen Medien ist eines Christen würdig. Ich behaupte sogar, dass wir Christen Meinungsführer und Charakter-Pioniere auf diesem Gebiet werden sollten.

Fragen zur Diagnose

Dies sind fünf Fragen, die ich mir als „Konsument“ stelle:

  • Suche ich mir selbst Bestätigung und Anerkennung (und verliere damit ewige Belohnung)?
  • Verliere ich an Kontaktqualität zu meinen Nächsten und beginne über Not hinwegzublicken?
  • Lenke ich mich selbst von unangenehmen Dingen ab?
  • Entkopple ich mich der Gemeinschaft mit Gott?
  • Ist mir eine „Surftour“ angenehmer als Begegnungen in der Familie, in der Kirche oder am Arbeitsplatz? 

Fragen beim Posten eigener Beiträge

Wir sind nicht nur Konsumenten, sondern auch Produzenten. Deshalb sollten wir uns folgende Fragen vor der Publikation immer wieder stellen:

„Unser Handy wird zum ‚Maulesel‘ auf dem Weg in das himmlische Jerusalem, statt uns weiterhin zu versklaven.“
 
  • Verherrlicht es mich selbst oder Gott?
  • Unterstützt es dabei, gesunde Gefühle für Christus aufzubauen?
  • Demonstriert es Überlegenheit?
  • Ist es authentisch oder wirft es ein falsches Bild auf mich?
  • Fördert es die Einheit oder bringt es Entzweiung mit sich?
  • Verstärkt es Schuldgefühle oder befreit es davon?
  • Weckt es Lust an Sünde oder warnt es dagegen?
  • Schürt es falsche Hoffnungen?

Hinweise zu einem sinnvollen Umgang

Für einen verantwortungsvollen Umgang mit den Neuen Medien sind die neun Tipps von Tony Reinke Gold wert.

  1. Deaktiviere alle unnötigen Meldungen. Lösche alle nicht notwendigen Apps.
  2. Nimm das Handy nicht mit in das Schlafzimmer. Benutze einen Wecker und nicht das Handy.
  3. Achte besonders auf deine Gewohnheiten vor dem Schlafengehen und nach dem Aufstehen. Es sind Schlüsselzeiten mit Gott.
  4. Benutze selbst-begrenzende Apps.
  5. Denke nicht, du müsstest auf alles gleich antworten.
  6. Beantworte Emails von deinem Computer aus.
  7. Erlaube deiner Familie und deinen Freunden, dich auf deine Online-Gewohnheiten anzusprechen.
  8. Lege das Handy während der Essenszeiten außer Reichweite.
  9. Verzichte in strategisch wichtigen Zeiten (Morgen, Sabbate) ganz auf die virtuelle Welt.

1 Der Text wurde angeregt durch das neu erschienene Buch von Tony Reinke, „12 Ways Your Phone Is Changing You“ (Crossway, 2017).