Materie ist nicht böse
Die Irrlehre des Gnostizismus
Denn viele Verführer sind in die Welt hineingekommen, die nicht bekennen, dass Jesus Christus im Fleisch gekommen ist - das ist der Verführer und der Antichrist. (2Joh 7)
Der Montanismus war nicht die einzige Bewegung, die glaubte, dass es ein einzigartiges, mystisches Wissen der Wahrheit gibt, welches ausgewählten Menschen zur Verfügung steht. Die römischen Bürger des ersten und zweiten Jahrhunderts waren geneigt, nach einer Lehre der Errettung zu suchen, die einer elitären Gruppe vorbehalten war. Viele Richtungen lehrten etwas in dieser Art, aber die einflussreichste von allen vertrat etwas, das als Gnostizismus bekannt ist.
Es ist schwer, klassische gnostische Glaubenssätze zu klassifizieren, weil sie sehr formbar und absorbierbar für viele verschiedene Religionen waren. Der Gnostizismus, der die frühe Kirche plagte, war eine Mischung aus persischen, ägyptischen, jüdischen und christlichen Vorstellungen, stark gewürzt mit griechischer Philosophie. Viele frühe christliche Apologeten identifizierten Simon Magus (Apg 8,9–24) als ersten Gnostiker.
Wir werden uns in diesem Artikel mit der gnostischen Auffassung der Schöpfung befassen. So wie viele griechische Philosophen erachteten die Gnostiker den Geist als gut und die Materie als schlecht. In der Schöpfung, so argumentierten sie, strahle ein Wesen von reinem Geist verschiedene Geiststufen nach außen, ähnlich wie ein Stein, der in einen Teich geworfen wird und eine Reihe von Wellen von seinem Einschlagsort aus erzeugt. Diese Wellen oder Ausstrahlungen brächten verschiedene Aspekte der Welt, in der wir leben, hervor, und je näher die Ausstrahlung zu ihrer Quelle ist, desto reiner sei das Objekt. Körperliche Dinge wie Steine seien die Ausstrahlungen, die am weitesten vom Geist weg wären. Menschliche Wesen, weil sie aus Körper und Geist bestehen, seien das Resultat einer Ausstrahlung näher an der Quelle. Die Götter seien eine noch höhere Ausstrahlung.
Marcion ist der bekannteste gnostische Widersacher der Kirche. Die Vorstellung, dass die Materie in der griechischen Philosophie und in der Vorstellung der Gnostiker etwas Böses ist, machte die Fleischwerdung Jesu Christi zur skandalösesten christlichen Behauptung für diejenigen, die in den ersten paar Jahrhunderten lebten. Eine Variation des Gnostizismus, die als Doketismus bekannt ist, behauptete sogar, dass Christus nur den Anschein gegeben habe, als ob er menschliches Fleisch angenommen hätte, während er in Wirklichkeit überhaupt keinen physischen Körper gehabt hätte.
Aber die Schrift sagt an keiner Stelle, dass die Materie böse ist. Die Schöpfung wird als gefallen präsentiert, aber Gefallenheit ist kein inhärenter Bestandteil der Körperlichkeit; Gott machte alles „gut“ (1Mo 1,31). Jeder, der leugnet, dass Jesus im Fleisch gekommen ist, ist kein Gläubiger (2Joh 7).
Coram Deo
Die frühe Kirche verwarf den Gnostizismus, aber gewisse Aspekte griechischen Denkens verbleiben bis heute. Viele glauben, dass unsere Leiber nur Hüllen für unsere Seelen sind – das „wahre“ wir. Aber, obwohl unsere Seelen beim Tod beim Herrn sind, sind wir ohne unsere physischen Körper unvollständig, und wir schauen voraus auf die Auferstehung des Leibes am jüngsten Tag (Dan 12,1-2). In der Schöpfung segnete Gott unsere Körper, und die Art und Weise, wie wir mit ihnen umgehen, spiegelt unser Verständnis dieser Wahrheit wider.