Die Straßburger „Kirchenmutter

Das Leben von Katharina Zell

Artikel von Rebecca VanDoodewaard
11. Oktober 2017 — 10 Min Lesedauer

Huldrych Zwingli lobte die Frau von Matthäus Zell, Katharina, indem er sagte: „Sie verbindet die Gnadengaben von Maria und Martha.“ Hingegeben und fähig, so wurde Katharina eine der führenden Autoren der frühen Reformation. Manchmal als „Kirchenmutter“ bezeichnet, verbrachte sie ihr ganzes Leben im Dienst für das Evangelium.

Sie wurde 1497 in Straßburg in eine Familie der Mittelschicht geboren und empfing durch diese eine gute Bildung. Sie entwickelte schon in jungen Jahren eine tiefe, religiöse Leidenschaft, rang aber um Gewissheit ihres Heils und spürte, dass ihre Werke nie genug waren. In ihren späteren Jugendjahren erreichten jedoch neue Lehren die Stadt. Um 1518 traf Matthäus Zell ein und predigte das Evangelium vor Menschenmassen in der Kathedrale. Biblische Wahrheit wandte die Stadt größtenteils zum Protestantismus.[1] In einem Gottesdienst nahm Zells zukünftige Ehefrau die Wahrheit der Heiligen Schrift an. Katharinas Suche nach geistlicher Sicherheit war vorüber – Gewissheit des Heils kam mit einem Verständnis des vollendeten Werkes Christi.

Ehe und Arbeit

Pfarrer und Gemeindemitglied heirateten am 3. Dezember 1525.[2] Katharina unterstützte ihren Ehemann, der zwanzig Jahre älter war.[3] Sie sagte, dass sie und Matthäus „eines Sinnes und einer Seele sind. … Was uns verbunden hat, ist nicht Silber und Gold. Wir sind beide von einer höheren Sache in Besitz genommen: ,Christus war das Zeichen vor unseren Augen‘“. Es war eine der ersten protestantischen Ehen – ein mutiger Schritt für den Ehemann wie auch für die Ehefrau, die dadurch kanonisches Recht brachen und sich Rom widersetzten.[4] Aber es war ein Schritt, den der Herr segnete.

Katharinas Bildung und ihr wachsendes Verständnis der Bibel ermöglichten ihr, ihre Sichtweisen durch Wort und Schrift zu verteidigen. Manchmal schien es, dass sie darin sogar ihren Ehemann überflügelte; Martin Bucer sagte achselzuckend, dass Katharina „ein wenig gebieterisch“ sei.[5] Aber er sagte auch, dass sie „gottesfürchtig und mutig wie ein Held“ war.

Katharinas erstes veröffentlichtes Werk war eine Verteidigung der Klerikerehen. Es widerlegte nicht nur falsche Anschuldigungen gegenüber ihrer Ehe, sondern half den Menschen auch, neu über das Thema nachzudenken. Sie erklärte, dass die römisch-katholischen Argumente gegen die Klerikerehen nicht auf der Schrift gründeten, sondern auf dem System des Papstes, die grassierende Prostitution unter den Klerikern zu zügeln.[6] Katharinas Verhalten widerlegt das Stereotyp, dass eine Gehilfin rückratslos und bedürftig ist. Ihre direkte und offene Gegenschrift machte sie in ganz Europa bekannt.

Sie sorgte sich auch leidenschaftlich um die protestantischen Flüchtlinge: „Ich habe schon zu Beginn meiner Ehe viele vorzügliche und gelehrte Menschen auf der Flucht aufgenommen und sie getröstet, wie Gott gesagt: ,Richtet wieder auf die erlahmten Knie‘“. Als die Protestanten aus Baden fliehen mussten, nahmen die Zells einen alten Arzt auf. Später war er in einem römisch-katholischen Gefängnis und sagte, dass die Erinnerung an Katharinas Güte ihn tröstete. 1524 wurden 150 Männer aus Kentzingen vertrieben und flohen nach Straßburg. Zell nahm 80 davon in seinem Haus auf. Katharina sorgte für sie und schrieb an ihre Ehefrauen und ermutigte sie, fest im Glauben zu bleiben.[7]

Während des deutschen Bauernkriegs kamen weitere dreitausend Flüchtlinge nach Straßburg.[8] Katharina war fortwährend beschäftigt. Zell freute sich über ihren Dienst, der eine gemeinsame Anstrengung war. Zu ihrer Hochzeit hatte Matthäus sie beauftragt, eine „Mutter der Armen und Vertriebenen“ zu sein – sie tat das, von dem sie glaubte, dass Gott es von ihr wollte.[9]

Auch Theologen kamen. Bucer floh aus Weißenburg und fand Zuflucht im Haus der Zells. Als Johannes Calvin aus Frankreich floh, nahm Katharina ihn auf. Im Jahr 1529 brachte eine Debatte zwischen Martin Luther und Zwingli viele Reformatoren nach Straßburg, und Katharina war wiederum Gastgeberin: „Ich war für vierzehn Tage Magd und Koch, während die geschätzten Männer Oekolampad und Zwingli hier waren“.

Die Familie nahm darüber hinaus Katharinas Zeit in Anspruch. Ihre Eltern und Geschwister lebten in der Nähe. Und Katharina gebar auch ein eigenes Kind, wahrscheinlich um 1526.[10] Beide Elternteile waren sehr freudig. Aber im Februar 1527 verstarb der Säugling. „Matthäus schien besser damit zurechtzukommen, aber Katharina rang damit besonders“.[11] Zu einer Zeit schwerer Krankheit im Jahr 1531 gebar Katharina ein zweites Kind. Es ist unklar, wie lange dieses Kind lebte, aber bis 1533 war auch dieses Kind verstorben.[12] Zusätzlich zu ihrer Trauer als Mutter war Katharina als Theologin auch besorgt, dass der Tod ihrer Kinder Gottes Züchtigung war.[13] Freunde versicherten ihr, dass dies nicht der Fall war, aber die Trauer und das Ringen ums Verstehen waren dennoch groß.

Obwohl der doppelte Verlust ein tiefes Tal für Katharina darstellte, scheint er ihren Dienst an anderen oder ihre Fürsorge für die Kirche nicht geschwächt zu haben. Sie schrieb oft für die Wahrheit und den Frieden. Sie sandte Luther einen Brief und bat ihn, die Schweizer in der Kontroverse um das Abendmahl mit ein bisschen mehr Milde zu behandeln und erhielt eine Antwort von Luther, die höflicher als gewöhnlich war.

Obwohl sie die Wahrheit vehement verteidigte, war sie trotzdem den Anabaptisten gegenüber aufgeschlossener als viele andere Reformatoren.[14] Ihre Liebe für Christus verlieh ihr eine Liebe für alle Menschen, die zu Christus gehören.

Während einer Zeit der Pest im Jahr 1541 pflegte Katharina viele Menschen in Straßburg – einschließlich ihres Ehemanns – bis sie wieder gesund waren.[15] Einmal mehr sah sie ihre klare Berufung darin, zu dienen, und ihr furchtloser Gehorsam erstrahlte.

Witwenschaft und Konflikt

Durch ihre Arbeit alterte sie. Aber sie war immer noch aktiv als ihr Ehemann am 9. Januar 1548 verstarb. Die Führer der Stadt erlaubten Katharina, im Pfarrhaus der Kathedrale zu bleiben, was sie von Armut verschonte.

Obwohl ihre Gesundheit nachließ, setzte Katharina ihre Krankenfürsorge fort. 1558 zog sich einer der Führer der Stadt Aussatz zu. Seine eigene Familie durfte ihn nicht besuchen, aber Katharina erlangte die Erlaubnis, ihn zu sehen und ihn in seinem Leid zu ermutigen.[16] Es gab auch einen Neffen mit Syphilis, der zum Krankenhaus geschickt wurde. Weil sie sich für ihr Familienmitglied verantwortlich fühlte, lebte Katharina eine Zeitlang dort mit ihm und sorgte für ihn qualitativ so, wie es das Personal nicht vermochte.

Nach Zells Tod veränderte sich Straßburg und Katharina wurde in ihre öffentlichste und leidvollste Kontroverse verwickelt. Als ihr Ehemann noch lebte, erlaubte er einem Studenten namens Ludwig Rabus in ihrem Haus als Praktikant zu leben. Dieser wurde Zells Nachfolger und der beliebteste Prediger der Stadt. Trotz seiner Ausbildung griff er reformierte Ansichten und Bräuche an und vertrat ein strenges Luthertum. Katharinas Toleranz erstreckte sich nicht auf jemanden, der die Kanzel und die Theologie ihres Ehemanns missbrauchte, und so schrieb sie gegen Rabus. Diese Schriften sind die bemerkenswertesten ihrer Werke, denn sie versetzten Katharina, aufgrund ihrer Verteidigung der Wahrheit und aufgrund des sehr öffentlichen, kontroversen Stils, in die Rolle eines Reformators.

Im Jahr 1557 antwortete Rabus; die Briefe bewegten sich von theologisch-politischen Themen bis hin zu persönlichen Angriffen auf Katharina, die er „Störer des Friedens der Kirche“ nannte. Sie reagierte mit einem Brief an die ganze Stadt. Ihre Sprache war ernst und eloquent: „Nennen Sie das, den Frieden zu stören, dass ich anstatt mein Zeit in frivolem Amüsement zu vergeuden, die Pestverseuchten besuchte und die Toten heraustrug? Ich habe die besucht, die im Gefängnis sind und unter dem Todesurteil stehen. Oft habe ich drei Tage und Nächte weder gegessen noch geschlafen. Ich habe nie die Kanzel bestiegen, aber ich habe mehr als jeder Pfarrer getan, indem ich die Gemeindemitglieder besuchte. Heißt das, den Frieden der Kirche zu stören?“ Und später schrieb sie: „Ihr Jünglinge tretet auf den Gräbern der Erzväter dieser Kirche in Straßburg und bestraft alle, die mit euch nicht einer Meinung sind.“[17] Es war eine Zeit, die ihr viel Kummer bereitete.

1558 wurden Katharinas Studien der Heiligen Schrift veröffentlicht, die zum Teil aus der Trauer über den Tod ihres Mannes, theologischen Debatten und dem Leid eines Freundes entsprangen.[18] Als Kommentar über Psalm 51 und 130 sowie dem Vaterunser sind sie nachdenklicher als ihre anderen Schriften und offenbaren einen Autor, der durch die Mittel der Gnade und durch Trauer geistlich gereift ist. Es war ihr letztes veröffentlichtes Werk.

Tod

Sie beschützte und unterstützte weiterhin verfolgte Protestanten und setzte ihre Liebesmühen bis zu ihrem Tod fort. Ihr Todestag ist unbekannt. Sie war am 3. März 1562 noch am Leben; denn ein Brief, den sie an diesem Tag schrieb, ist erhalten geblieben, und sie berichtet darin, dass sie „oft halb tot durch ihre lange Krankheit“ ist. Sicherlich mit dem Ende dieses Jahres, im Alter von 64 Jahren, war sie in der Herrlichkeit. Ein paar Jahre früher schrieb sie an einen Freund:

„Ich sehe die Zeit meiner Entlassung vor mir und begrüße sie; ich freue mich darin und weiß, dass hier zu sterben mein Gewinn sein wird, dass ich das Sterbliche und Vergängliche ablege und das Ewige, Unsterbliche und Unvergängliche anlege. Ich bin jetzt sechzig Jahre alt und bin vor Gott in seiner Furcht gewandelt, und habe die Welt für fünfzig Jahre verachtet, so dass ich mit dem heiligen Ambrosius sagen kann: ,Ich habe so gelebt, dass ich mich nicht schäme, weiter unter den Gläubigen zu leben, aber ich fürchte mich nicht, zu sterben, denn ich bin gewiss, dass ich in Christus von Neuem leben werden und dass ich in ihm für immer einen gnädigen Gott habe.‘“[19]

Das war das Zeugnis einer der herausragendsten Frauen der Kirche der Reformation, eine kinderlose Reformationsmutter, deren Fähigkeiten der ihres Mannes entsprachen. Sie stach hervor durch die Verwaltung ihres Hauses und durch die Aufnahme von Flüchtlingen, auch verteidigte sie ihre theologische Position durch Bücher und Schriften. Sie war ein weiblicher Theologe im besten Sinne. Historiker nennen sie heute einen „Laienreformator“. Aber sie tat nur das, was jeder Christ tun sollte – sie setzte ihre Gaben für eine Veränderung durch das Evangelium in ihrem eigenen Umkreis ein, auf jede erdenkliche Weise.


[1] Alise Anne McKee, Katharina Schutz Zell, 2 Bd. (Leiden, Niederlande: Brill, 1999), Bd. 1, S. 34–35.

[2] Ebd., Bd. 1, S. 40.

[3] Roland Bainton, Women of the Reformation in Germany and Italy (Minneapolis: Fortress, 1971), S. 56.

[4] Manche Priester, die heirateten, verloren dadurch ihre Position und ihr Einkommen. McKee, Bd. 1, S. 47.

[5] Bucer in Bainton, Germany and Italy, S. 63.

[6] Katharina Zell, Church Mother: The Writings of a Protestant Reformer in Sixteenth-Century Germany, übersetzt von Elsie McKee (Chicago: University of Chicago Press, 2006), S. 72–73. 

[7] McKee, Bd. 2, S. 2; Zell, 50, 53, 43.

[8] Zu der Zeit hatte die Stadt etwa 25.000 Einwohner. Bainton, Germany and Italy, S. 63.

[9] McKee, Bd. 1, S. 50.

[10] McKee, Bd. 1, S. 70. Das Geburtsdatum wird anhand des Taufregisters geschätzt. 

[11] McKee, Bd. 1, S. 77.

[12] McKee, Bd. 2, S. 306.

[13] McKee, Bd. 1, S. 84.

[14] Bainton, Germany and Italy, S. 66. Dies umfasste Kaspar Schwenckfeld, der ursprünglich Lutheraner war, aber zunehmend sektierisch wurde, Kindstaufe und Konfessionen ablehnte sowie Pazifismus und andere Lehren vertrat, die den Anabaptisten ähnelten. Er schweifte schließlich in Irrlehre ab.

[15] McKee, Bd. 1, S. 107.

[16] Bainton, Germany and Italy, S. 68. Sie war auch schon lange bekannt für ihren Dienst im Gefängnis. Bainton, S. 65.

[17] Katharina Zell an Ludwig Rabus in Bainton, Germany and Italy, S. 72, 73.

[18] McKee, Bd. 2, S. 305–309.

[19] Katharina Zell an Felix Armbruster, Juli 1558, in McKee, Bd. 1, S. 229.