Es ist verführerisch leicht, am Sonntagmorgen ein goldenes Kalb anzubeten
„So richtet nun euer Herz und eure Seele darauf, den HERRN, euren Gott, zu suchen!“ (1Chr 22,19)
Jede Sünde ist Götzendienst, denn jede Sünde ist eine Übung im Vertrauen darauf, dass etwas oder jemand anderes als der eine wahre Gott zufriedenstellt, erfüllt oder segnet. Es ist nicht schwer zu sehen, wie das Verletzen der Gebote zwei bis zehn automatisch eine Verletzung des ersten Gebots ist. Diese Wahrheit offenbart, dass der stärkste „Anbetungskrieg“ jeden Tag im Heiligtum unseres eigenen Herzens stattfindet. Aber wir müssen diesen Krieg führen, weil niemand nur Zuschauer ist, wenn es um Götzendienst geht.
„Jede Sünde ist Götzendienst, denn jede Sünde ist eine Übung im Vertrauen darauf, dass etwas oder jemand anderes als der eine wahre Gott zufriedenstellt.“
In Jesaja 44,12–17 finden wir eine machtvolle und offenbarende Beschreibung, wie einfach es ist, in Götzendienst abzurutschen. Wir sehen in dieser Stelle, dass Kunstschmiede einfach ihre Werkstücke in der Glut bearbeiten und mit ihren Hämmern formen. Holzschnitzer spannen ihre Messschnur aus und Kunsthandwerker bilden die physische Gestalt. Männer fällen Bäume, um Häuser zu bauen, und sie pflanzen neue Bäume, um sie zu ersetzen. Sie machen Feuer und backen Brot. Oh, sieh doch, was wir erschaffen haben.
Der Übergang erscheint nahtlos vom alltäglich Werktagsleben zu „er macht auch einen Gott und betet ihn an; er verfertigt sich ein Götzenbild und fällt davor nieder“ (Vers 15). Vom selben Feuer, das er zum Wärmen und zum Kochen benutzt hat, sagt der Arbeiter: „Errette mich, denn du bist mein Gott!“ (Vers 17).
Diese Wendung ist unscheinbar. Der Wechsel von normaler menschlicher Leistung zu Gotteslästerung braucht keine Erklärung. Er passiert einfach. Jesaja 44,12–17 demonstriert, dass man nur einen Schritt weit entfernt ist, ein Götzendiener zu werden, und manchmal reicht es, einfach nur seine Arbeit zu verrichten.
Die Schlussfolgerung für unsere Gemeinde ist gewaltig. Am Sonntag sind unsere Gottesdiensträume voll mit Menschen, die anbeten wollen, und niemand kommt mit einer neutralen Einstellung. Wir müssen deshalb besonders achtgeben, nicht vorauszusetzen, dass selbst in unserem religiösen Umfeld, wo wir den Menschen die Bibel unter die Nase halten, wirklich Jesus, der erhobene Christus, angebetet wird.
Jedes Wochenende wird in allen möglichen Gemeinden Musik gemacht, die menschliche Fähigkeit und Kunst verherrlicht. Ich saß einmal in einer Gemeinde, in der wir das Lied „Ich kann die Welt mit meinen zwei Händen verändern“ singen sollten, und die Frage traf mich wie ein Blitz: „Wen bete ich eigentlich gerade an?“
„Wir dürfen nicht den Anschein von geschäftiger Religiosität mit Anbetung im Geist und in der Wahrheit verwechseln.“
Genauso füllen jedes Wochenende Männer und Frauen unsere Kirchengebäude, um die rhetorischen Fähigkeiten ihres Predigers sowie ihn als Person zu bewundern und zu denken, dass diese Gemeinde seine Gemeinde ist, nicht die von Christus. Viele von uns kommen zum Gottesdienst und freuen sich über die geistlichen Gaben unserer Glaubensgeschwister. Wir beten die Anbetungserfahrung an; wir geben Geld, weil wir vom Spielautomaten des Himmels eine Auszahlung erwarten; wir ziehen uns an, um zu beeindrucken; wir dienen und leiten, um die Unzulänglichkeiten unseres Herzens auszugleichen, was doch nur Christus kann. Jedes Wochenende preisen hunderte von Predigern ein therapeutisches Evangelium auf Grundlage derselben Bibel, die das wahre Evangelium verkündigt. Wir Reformierten sind davon nicht ausgenommen, da unsere Leidenschaften so oft in Lehre fließen und nur vage mit Bewunderung für ihren Autor verbunden sind.
Eine Gemeinde wird im Handumdrehen götzendienerisch, weil der Götzendienst schon da ist. Deshalb können wir unseren Gottesdienst nicht auf Autopilot stellen. Wir dürfen nicht den Anschein von geschäftiger Religiosität mit Anbetung im Geist und in der Wahrheit verwechseln. Wir sehen in 2. Mose 32,5, dass selbst die Anbeter des goldenen Kalbs ihr Tun als Anbetung des Bundesgottes Jahwe verstanden.
Der Imperativ des Evangeliums ist deshalb, immer und immer wieder zum Indikativ des Evangeliums zurückzukehren. Unsere erste Pflicht ist „Evangeliumsgehorsam“ (Röm 10,16; 2Thess 1,8; 1Petr 4,17). Unsere Herzen und Sinne fließen durch die Furche des Götzendienstes, aber die bewusste Verkündigung von Jesus zu jedem möglichen Zeitpunkt wird uns von unserem götzendienerischen Kurs abbringen. Martin Luther rät uns:
Da ist zu Rate zu ziehen und zu hören das Evangelium, das lehrt, nicht was ich tun muss – das ist das eigentliche Amt des Gesetzes –, sondern was ein anderer für mich getan hat, dass also Jesus Christus, der Sohn Gottes, für mich gelitten hat und für mich gestorben ist, damit er mich von Sünde und Tod befreie. Dieses gebietet dir das Evangelium anzunehmen und zu glauben und das ist und heißt die Wahrheit des Evangeliums. Und das ist der Hauptartikel der christlichen Lehre, in dem die Erkenntnis der Frömmigkeit zusammengefasst ist. Darum liegt alles daran, diesen Artikel gut zu wissen und beständig einzuprägen.
Timothy Keller führt weiter aus: „Auf diese Weise sagt Luther aus, dass selbst nachdem du durch das Evangelium bekehrt worden bist, dein Herz wieder zurückfallen und nach anderen Prinzipien funktionieren wird, wenn du es nicht bewusst und immer wieder in den Evangeliumsmodus versetzt.“
Die Verkündigung der guten Nachricht von Jesus und das Preisen seiner ewigen Vollkommenheit ist immer eine Unterbrechung, immer eine Störung. Sie allein wird das spaltende Schwert bringen zwischen dem, worauf selbst unsere religiösen Herzen ausgerichtet sind und dem, wohin sie ausgerichtet sein sollten. Aus diesem Grund können wir nicht länger unserer Arbeit nachgehen. Wir müssen nach den Angelegenheiten Gottes trachten (Kol 3,1–4).