Calvin über das Streben nach Heiligkeit

Buchauszug von Jerry Bridges
4. September 2017 — 3 Min Lesedauer

Heiligkeit heißt, Christus gleichgestaltet zu sein. Calvin schreibt: „Weil der Vater uns in Christus mit sich selbst versöhnt hat, gebietet er uns nun, Christus als unserem Vorbild gleichgestaltet zu werden.“ Er schreibt sogar: „Wenn wir uns nicht leidenschaftlich und betend der Rechtschaffenheit Christi weihen, dann begehren wir nicht nur auf untreue Weise gegen unseren Schöpfer auf, wir schwören ihm auch als unserem Retter ab.“

Das sind starke Worte. Das Wort leidenschaftlich kommuniziert den Gedanken des Eifers, oder wie wir heute sagen würden „alles zu geben“ oder „sich ganz reinzuhängen“. Das Wort abschwören bedeutet „feierlich zu entsagen“, wie Petrus bei seiner dritten Leugnung des Herrn, als „er anfing, sich zu verfluchen und zu schwören: Ich kenne den Menschen nicht!“ (Mt 26,74).

Calvin lässt keinen Spielraum. Entweder folgen wir leidenschaftlich dem Vorbild Christi nach oder wir entsagen ihm feierlich durch unser Verhalten und unseren Lebensstil. Wie anders doch dieser Maßstab ist im Vergleich zu der Einstellung von so vielen Christen heutzutage, die ausgesprochen zwanglos und halbherzig in ihrem Streben nach Christusähnlichkeit sind. Aber durch den sachlichen Schreibstil Calvins wird deutlich, dass er ein leidenschaftliches Streben nach Heiligkeit als das normale christliche Leben erachtete.

Solch ein leidenschaftliches Streben nach Christusähnlichkeit benötigt eine starke Motivation. Um sie zu finden, appelliert Calvin an die Segnungen Gottes:

  • Gott hat sich selbst als Vater offenbart; deshalb sollten wir uns als seine Kinder verhalten. Christus hat uns durch sein Blut gereinigt; deshalb sollten wir uns nicht von neuem besudeln.
  • Christus hat uns als Glieder mit seinem Leib verbunden; deshalb sollten wir ihn nicht durch irgendeinen Makel entehren.
  • Christus ist in den Himmel aufgefahren; deshalb sollten wir unsere fleischlichen Begierden hinter uns lassen und unsere Herzen zu ihm aufheben.
  • Der Heilige Geist hat uns zu einem Tempel Gottes geweiht; deshalb sollten wir uns bemühen, sein Heiligtum nicht zu entweihen, sondern seine Herrlichkeit sichtbar zu machen.
  • Sowohl unsere Seele als auch unser Leib sind bestimmt, einen unvergänglichen und unverwelklichen Ehrenkranz zu ererben; deshalb sollten wir sie rein und unbefleckt bewahren.

Für Calvin gibt es so etwas wie einen „fleischlichen Christen“ nicht. Stattdessen schreibt er: „Der Apostel weist zurück, dass irgendjemand Christus wirklich kennt, der nicht gelernt hat, den alten Menschen abzulegen, der sich wegen der betrügerischen Begierden verderbte, und Christus anzuziehen.“ Wiederum schreibt er: „[Das Evangelium] wird nichts nützen, wenn es nicht unsere Herzen verändert, unser Verhalten prägt und uns in neuen Geschöpfe verwandelt.“ Er setzt fort: „Vollkommenheit muss letztendlich das Ziel sein, auf das wir uns ausrichten und wonach wir streben. Es ist nicht rechtens für dich, einen Kompromiss mit Gott zu machen und zu versuchen, einen Teil deiner Pflichten zu erfüllen und andere nach Belieben auszulassen.“

Zur gleichen Zeit warnt Calvin davor, ein zu strenges Maß an andere Gläubige anzulegen. Er schreibt: „Wir sollten bei unseren Mitchristen nicht auf absolute Vollkommenheit bestehen, egal wie sehr wir selbst danach streben.“ Um es zeitgemäß auszudrücken, wir sollten hart mit uns selbst und sanft mit anderen sein. Leider ist oft das Gegenteil der Fall. Wir erwarten viel von anderen und machen Ausreden für uns selbst.

Obwohl er leidenschaftlich für die Wichtigkeit eines Strebens nach Heiligkeit eintritt, ist Calvin realistisch in Bezug auf unsere mageren Erfolge. Er gesteht ein, dass der Großteil der Christen nur kleine Fortschritte macht. Aber das entschuldigt uns nicht. Stattdessen schreibt er: „Lasst uns nicht aufhören, das Äußerste zu geben; auf dass es unablässig vorwärts gehe auf dem Weg des Herrn; und lasst uns ob der Kleinheit unserer Erfolge nicht verzagen.“