Vom Umgang mit verschiedenen Meinungen
Die Gewissen von Christen sind sich auffallend ähnlich, da wir alle dasselbe Wort und denselben Geist haben. Doch an den Rändern des Gewissen hat Gott Christen stets einen erstaunlichen Grad an Spielraum persönlicher Bedenken geschenkt. Paulus hat weder von den strengeren Christen in Römer 14 gefordert, sich anzupassen und anzufangen Fleisch zu essen, wie Jesus es erlaubt hat, noch hat er von denen, die Fleisch essen, gefordert damit aufzuhören, da sie eventuell außenstehende Vegetarier verärgern könnten. Er erwartete von ihnen, miteinander zurechtzukommen bis Jesus wiederkommt. (Wir gebrauchen schwach und stark in Bezug auf den Gauben oder die Freiheit des Gewissens, bestimmte Dinge zu tun [vgl. Röm 14,22], nicht in Bezug auf die Stärke oder Schwäche des rettenden Glaubens.)
Aber da es in der menschlichen Natur liegt, war die strengere Gruppe ständig versucht, diejenigen zu verurteilen, die sie als zu frei ansahen („Und so etwas nennt sich Christen!“), während die freie Gruppe die Tendenz hatte, auf diejenigen mit unnötigen Einengungen herabzuschauen („Diese armen Gesetzlichen!“). Zum Glück kritisiert Paulus beide Haltungen!
Doch Uneinigkeit ist nicht die einzige Gefahr. Arroganz und übermäßiges Selbstvertrauen unter den Starken öffnete sie für eine Irrlehre, die alle Sünden erlaubte, dem sog. Antinomianismus. Die verurteilende Haltung der strengeren Gläubigen brachte sie hingegen immer mehr zur gesetzlichen Irrlehre der Judaisten.
Keine dieser vier Haltungen über Uneinigkeiten in Gewissensfragen gefiel Gott; genau genommen waren zwei von ihnen absolut häretisch:
Starkes Gewissen |
Starkes Gewissen |
Schwaches Gewissen |
Schwaches Gewissen |
aber übertritt fahrlässig die Linie zur Gesetzlosigkeit und Unmoral |
aber schaut (verachtend) herab auf diejenigen mit einem schwachen Gewissen |
aber verurteilt diejenigen mit einem starken Gewissen |
aber übertritt die Linie zur Gesetzlichkeit |
isst Fleisch |
isst Fleisch |
isst kein Fleisch |
isst kein |
„Ich habe nicht nur die Freiheit, Fleisch zu essen, sondern auch, zu Feiern im Götzentempel zu gehen.“ |
„Ich habe die Freiheit, Fleisch zu essen, und diejenigen, die es nicht tun, sind unvernünftig und liegen theologisch falsch.“ |
„Fleisch zu essen ist sündig und Christen, die es tun, sind Gott gegenüber untreu.“ |
„Du musst die alttestamentlichen Speisevorschriften einhalten, wenn du Christ sein willst.“ |
Irrlehre |
Arroganz |
Verurteilung |
Irrlehre |
Satan hat seine Axt an diese natürliche Spaltung gelegt, um sie auszunutzen. Welchen Klebstoff würde Paulus also nutzen, um diesen Spalt zu schließen und diese Gemeinden auch in ihren Gewissenskonflikten zusammenzuhalten? Es wäre der Klebstoff der christlichen Liebe, wie sie in Römer 14 und 1. Korinther 8–10 deutlich wird. Die nachstehende Tabelle zeigt Paulus’ dreifache Lösung der Liebe für die wachsende Spaltung, die die frühe Kirche bedrohte. Nimm dir etwas Zeit, um dir Paulus’ Lösung der Liebe, die zur Einheit führt, sorgfältig zu betrachten:
Starkes Gewissen |
Starkes Gewissen |
Starkes Gewissen |
Starkes Gewissen |
Schwaches Gewissen |
Schwaches Gewissen |
Schwaches Gewissen |
aber übertritt fahrlässig die die Linie zur Gesetzlosigkeit und Unmoral |
aber schaut (verachtend) herab auf diejenigen mit einem schwachen Gewissen |
völlig überzeugt, zugleich annehmend, statt herabzuschauend auf diejenigen mit einem schwächeren Gewissen |
aber frei, um flexibel zu sein in umstrittenen Fragen, um (1) andere Gläubige aufzubauen und (2) das Evangelium zu fördern |
völlig überzeugt, zugleich annehmend, statt verurteilend gegenüber denen mit einem stärkeren Gewissen |
aber verurteilt diejenigen mit einem starken Gewissen |
aber übertritt die Linie zur Gesetzlichkeit |
isst Fleisch |
isst Fleisch |
isst Fleisch |
flexibel |
isst kein |
isst kein Fleisch |
isst kein |
„Ich habe nicht nur die Freiheit, Fleisch zu essen, sondern auch, zu Feiern im Götzen-tempel zu gehen.“ |
„Ich habe die Freiheit, Fleisch zu essen und diejenigen, die es nicht tun, sind unvernünftig und liegen theologisch falsch.“ |
„Ich habe die Freiheit, Fleisch zu essen, zur Ehre Gottes, aber ich werde auch Christen annehmen, die mir wider-sprechen.“ |
„[I]ch bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise etliche rette.“ (Das Ziel jedes Christen) |
„Ich enthalte mich davon, Fleisch zu essen, zur Ehre Gottes, aber werde auch Christen annehmen, die mir wider-sprechen.“ |
„Fleisch zu essen ist sündig und Christen, die es tun, sind Gott gegenüber untreu.“ |
„Du musst die alttestamentlichen Speisevorschriften einhalten, wenn du Christ sein willst.“ |
Irrlehre |
Arroganz |
Liebe |
Liebe |
Liebe |
Verurteilung |
Irrlehre |
Verzerrt das Evangelium durch gesetzlose Schmälerung. |
Schwächt das Evangelium ab. |
Offenbart das Evangelium. |
Vergrößert das Evangelium. |
Offenbart das Evangelium. |
Schwächt das Evangelium ab. |
Verzerrt das Evangelium durch gesetzliche Ergänzung. |
Die drei Spalten in der Mitte der Tabelle sind hauptsächlich von Paulus brillanter und vom Geist inspirierter Analyse der Gewissensunterschiede in Römer 14 und 15 abgeleitet. In diesen zwei Kapiteln gibt Paulus zwölf Prinzipien, um sicherzustellen, dass das strenge Gewissen der Schwachen respektiert wird, während gleichzeitig die legitimen Freiheiten der Starken gewahrt bleiben.
Hier sind sie:
1. Nehme diejenigen an, die nicht deine Meinung teilen.
„Nehmt den Schwachen im Glauben an, ohne über Gewissensfragen zu streiten. (NLB: „Nehmt den an, der im Glauben schwach ist, und streitet nicht mit ihm über unterschiedliche Meinungen.“) Einer glaubt, alles essen zu dürfen; wer aber schwach ist, der isst Gemüse.“ (Röm 14,1–2)
Mittlerweile hast du dich selbst wahrscheinlich bereits in die „starkes Gewissen” oder „schwaches Gewissen“ Kategorie eingeordnet. Doch Fakt ist, dass du in den meisten Fällen wahrscheinlich zugleich schwach und stark bist im Vergleich zu anderen. Es gibt bei allen umstrittenen Fragen fast immer Leute zu deiner Linken und zu deiner Rechten. Das bedeutet, es ist situationsabhängig, ob Gott dich auffordern wird, Paulus’ Ermahnung an die Schwachen oder an die Starken zu folgen.
2. Wer ein freies Gewissen hat, darf nicht auf diejenigen herabschauen, die es nicht haben.
„Wer isst, verachte den nicht, der nicht isst; und wer nicht isst, richte den nicht, der isst; denn Gott hat ihn angenommen. Wer bist du, dass du den Hausknecht eines anderen richtest? Er steht oder fällt seinem eigenen Herrn. Er wird aber aufrecht gehalten werden; denn Gott vermag ihn aufrecht zu halten.“ (Röm 14,3–4)
Ist es nicht immer die Versuchung der Starken, auf die strengen „Gesetzlichen“ herabzuschauen und sie zu verachten? Paulus verurteilt dieses Überlegenheitsgefühl.
3. Wer von seinem Gewissen begrenzt wird, sollte nicht diejenigen verurteilen, die Freiheit haben.
Und ist es nicht immer die Versuchung von Christen mit einem schwächeren Gewissen in einer bestimmen Frage diese „Gesetzlosen“ zu verurteilen?
Warum sind diese Haltungen so verkehrt? Paulus gibt zwei Gründe:
1. „Gott hat ihn angenommen” (14,3c). Bist du heiliger als Gott?
2. „Wer bist du, dass du den Hausknecht eines anderen richtest?“ (14,4a). Du bist nicht der Herr über andere Christen.
Wir wollen damit nicht sagen, dass diese Art von tertiären Fragen unwichtig ist. Es ist in Ordnung, darüber zu sprechen und sogar darüber zu predigen. Es ist in Ordnung, über sie zu tweeten und zu bloggen. Doch nur unter zumindest zwei Bedingungen: Die richtige Einstellung und das richtige Maß.
4. Jeder Gläubige sollte von seiner eigenen Gewissenslage völlig überzeugt sein.
„Dieser hält einen Tag höher als den anderen, jener hält alle Tage gleich; jeder sei seiner Meinung gewiss!“ (ELB: „in seinem eigenen Sinn völlig überzeugt). (Röm 14,5)
Das erste wichtige Gewissensprinzip ist, dass Gott allein Herr über das Gewissen ist. Dieser Punkt bringt uns zum zweitwichtigsten Gewissensprinzip: Gehorche ihm! Gott hat dir nicht ein Gewissen gegeben, damit du dich diesem widersetzt.
Das bedeutet nicht, dass dein Gewissen immer richtig liegt. Es ist weise, dein Gewissen zu justieren, damit es immer mehr mit Gottes Willen übereinstimmt. Das ist der Grund, warum wir unserem Buch ein ganzes Kapitel der Frage widmen, wie wir unser Gewissen justieren können. Aber es heißt, dass du als gesunder Christ nicht ständig gegen dein Gewissen sündigen kannst. Du musst von deiner jetzigen Position über Essen, Trinken und spezielle Tage – oder was auch immer das Thema ist – völlig überzeugt sein und dann konsequent gemäß dieser Auffassung leben, bis Gott dein Gewissen durch sein Wort und seinen Geist justiert.
„Die Wahrheit, die in unsere Herzen eingebrannt werden muss, ist, dass kein Christ ein Gewissen besitzt, das Gottes Standard absolut entspricht.“
Keine zwei Gläubigen haben genau das gleiche Gewissen. Das ist der Grund, warum wir Römer 14 brauchen! Die Wahrheit, die in unsere Herzen eingebrannt werden muss, ist, dass kein Christ ein Gewissen besitzt, das Gottes Standard absolut entspricht. Kein einziger!
Du solltest das Gewissen anderer respektieren und dich nicht über ihre Regeln oder ihre Freiheiten lustig machen. Wenn du die Gelegenheit haben solltest, kannst du anderen helfen, ihr Gewissen immer mehr in Einklang mit Gottes Standards zu bringen, doch du solltest niemals jemanden nötigen, gegen sein Gewissen zu sündigen.
5. Geh’ davon aus, dass andere zur Ehre Gottes etwas tun oder sich davon fernhalten.
„Wer auf den Tag achtet, der achtet darauf für den Herrn, und wer nicht auf den Tag achtet, der achtet nicht darauf für den Herrn. Wer isst, der isst für den Herrn, denn er dankt Gott; und wer nicht isst, der enthält sich der Speise für den Herrn und dankt Gott auch. Denn keiner von uns lebt sich selbst und keiner stirbt sich selbst.“ (Röm 14,6–7)
Achte darauf, wie großzügig Paulus mit beiden Seiten umgeht. Er geht davon aus, dass beiden Seiten ihre Freiheiten oder Einschränkungen zur Ehre Gottes ausüben. Wäre es nicht großartig, Teil einer Gemeinde zu sein, in der sich alle gegenseitig im Zweifelsfall bei diesen Unterschieden für unschuldig halten, statt die aller schlimmsten Spekulationen über allesmögliche aufzustellen?
6. Richte nicht in diesen Fragen, da wir alle eines Tages vor dem Richterstuhl Gottes stehen werden.
„Du aber, was richtest du deinen Bruder? Oder du, was verachtest du deinen Bruder? Wir werden ja alle vor dem Richterstuhl des Christus erscheinen; denn es steht geschrieben [Jes 45,23]: ‚So wahr ich lebe, spricht der Herr: Mir soll sich jedes Knie beugen, und jede Zunge wird Gott bekennen.‘ So wird also jeder von uns für sich selbst Gott Rechenschaft geben.“ (Röm 14,10–12)
Wenn wir mehr über unsere eigene Lage vor dem Richterstuhl Gottes nachdenken würden, würden wir weniger wahrscheinlich andere Christen richten.
7. Deine Freiheit Fleisch zu essen ist richtig, aber lass deine Freiheit nicht den Glauben eines schwachen Bruders oder einer Schwester schaden.
„Darum lasst uns nicht mehr einander richten, sondern das richtet vielmehr, dass dem Bruder weder ein Anstoß noch ein Ärgernis in den Weg gestellt wird! Ich weiß und bin überzeugt in dem Herrn Jesus, dass nichts an und für sich unrein ist; sondern es ist nur für den unrein, der etwas für unrein hält. Wenn aber dein Bruder um einer Speise willen betrübt wird, so wandelst du nicht mehr gemäß der Liebe. Verdirb mit deiner Speise nicht denjenigen, für den Christus gestorben ist!“ (Röm 14,13–15)
Sowohl freie als auch strenge Christen in einer Gemeinde haben Verantwortungen für einander. Doch die zweite Hälfte von Römer 14 legt die Verantwortung zum großen Teil auf die Schultern der Christen mit einem starken Gewissen. Ein offensichtlicher Grund dafür ist, dass sie von sich behaupten stark zu sein, sodass Gott sie aufruft, „die Gebrechen der Schwachen zu tragen“ (Röm 15,1). Und nicht nur das: Von den zwei Gruppen haben nur die Starken die Entscheidungsfreiheit bei tertiären Fragen wie Fleisch, heilige Tage, Wein, etc. Sie können entweder teilnehmen, oder sich enthalten, während das Gewissen der Strengen ihnen nur eine Option übrig lässt. Es ist ein großes Privileg für die Starken, im Vergleich zu den Schwachen die doppelte Anzahl an Optionen zu haben. Sie müssen dieses Geschenk weise nutzen, indem sie berücksichtigen, wie sich ihre Entscheidungen auf die sensiblen Gewissen ihrer Brüder und Schwestern auswirken.
„Christen mit einem starken Gewissen sollten nicht zulassen, dass ihre Freiheit die schwachen Geschwister ermutigt, gegen ihr Gewissen zu sündigen.“
Mit diesem Prinzip zeigt Paulus ein scharfsinniges Verständnis der Funktionsweise des Gewissens. Wie wir gesehen haben, eines der zwei wichtigen Prinzipien des menschlichen Gewissens ist „ihm zu gehorchen“. In die Gewohnheit zu geraten, seinem Gewissen nicht zu gehorchen, kann unser ewiges Schicksal in Gefahr bringen (1Tim 1,19). Diese Wahrheit bringt Paulus dazu, die Hälfte von Römer 14 und die Hälfte von 1. Korinther 8 dem Prinzip des Stolpersteins zu widmen: Christen mit einem starken Gewissen sollten nicht zulassen, dass ihre Freiheit die schwachen Geschwister ermutigt, gegen ihr Gewissen zu sündigen.
Das Anliegen hier ist nicht lediglich, dass unsere Freiheit unsere schwächeren Brüder oder Schwestern irritiert, nervt oder verletzt. Wenn ein Bruder oder eine Schwester mit deiner Freiheit nicht klarkommt, ist es ihr Problem. Doch wenn deine Freiheit deinen Bruder oder deine Schwester dazu führt, gegen ihr Gewissen zu sündigen, wird es zu deinem Problem. Wir sollten anderen niemals geistlichen Schaden zufügen (vgl. Röm 14,20–21).
Wie kann deine Freiheit anderen bekennenden Gläubigen geistlichen Schaden zufügen? Paulus ist hier nicht eindeutig, doch Doug Moo schlägt in seinem Römerkommentar zwei hauptsächliche Möglichkeiten vor:
1. Wenn wir etwas tun, von dem ein anderer Gläubiger denkt, dass es verkehrt ist, kann es den anderen Gläubigen dazu ermutigen, dasselbe zu tun. Sie sündigten also, weil sie nicht „aus Glauben“ handeln (Vers 23). …
2. Ein prahlerisches zur Schau stellen von Freiheit in einer Sache kann jemanden so tief schaden, dass er oder sie sich vom Glauben komplett abkehrt. (468)
Es ist absolut richtig, dass wir unser eigenes Gewissen nicht vom Gewissen anderer bestimmen lassen sollten, da das wichtigste Gewissensprinzip ist, dass Gott Herr über das Gewissen ist. Doch wir sollten immer das Gewissen anderer bedenken, wenn wir uns für ein bestimmtes Verhalten entscheiden.
8. Meinungsverschiedenheiten über Essen und Trinken sind im Reich Gottes nicht wichtig; einander in Gerechtigkeit, Frieden und Freude aufzubauen ist wichtig.
„So soll nun euer Bestes nicht verlästert werden. Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist; wer darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und auch von den Menschen geschätzt. So lasst uns nun nach dem streben, was zum Frieden und zur gegenseitigen Erbauung dient. Zerstöre nicht wegen einer Speise das Werk Gottes! Es ist zwar alles rein, aber es ist demjenigen schädlich, der es mit Anstoß isst. Es ist gut, wenn du kein Fleisch isst und keinen Wein trinkst, noch sonst etwas tust, woran dein Bruder Anstoß oder Ärgernis nehmen oder schwach werden könnte.“ (Röm 14, 16–21)
Paulus’ Begründung hier und in 1. Korinther 8,8 ist auffallend und wirklich kontraintuitiv: Paulus nutzt ein Argument, das die Starken für ihre Seite verwenden wollen – es spiele für Gott keine Rolle, was wir essen oder trinken, hör also auf, eine große Sache daraus zu machen – um die Starken zur Einsicht zu bringen. Schließlich befiehlt Gott uns nicht, etwas zu essen oder zu trinken, und es ist keine wichtige Angelegenheit im Reich Gottes, also warum kann man sich nicht freiwillig zurückhalten, wenn diese Freiheit dem Glauben eines wankenden Christen schaden könnte? Glücklicherweise stehen wir selten vor dieser Wahl, doch wir müssen willig sein, diese Entscheidung zu treffen.
„Wir haben zu einigen dieser Fragen sehr klare Überzeugungen, doch sie definieren nicht, worum es im Reich Gottes geht.“
Paulus erwähnt in Vers 17 zwar nur „Essen und Trinken“, aber das Prinzip gilt auch für viele andere umstrittene Themen. Im Reich Gottes geht es nicht um Überzeugungen über Schulausbildung, politische Parteien, Musikstile, etc. Wir behaupten nicht, dass tertiäre Fragen unwichtig seien. Wir haben zu einigen dieser Fragen sehr klare Überzeugungen, doch sie definieren nicht, worum es im Reich Gottes geht. Sich wegen dieser weniger wichtigen Fragen zu spalten, ist nicht, „was zum Frieden und zur gegenseitigen Erbauung dient” (Röm 14,19).
Zugleich müssen wir anerkennen, dass die zulässigen Gewissensunterschiede nicht für Fragen ersten Ranges gelten, die zentral und wesentlich für das Christentum sind. Zum Beispiel bestehen einige darauf, dass die Frage, ob homosexuelle Lebensformen unmoralisch seien, umstritten ist, obwohl die Schrift und 3 500 Jahre der kirchlichen Auslegungsgeschichte dagegen sprechen.
9. Wenn du Freiheit hast, dann stelle sie nicht zur Schau; wenn du streng bist, erwarte nicht von anderen, wie du zu sein.
„Du hast Glauben? Habe ihn für dich selbst vor Gott!“ (Röm 14,22a)
Der Satz macht deutlich, dass „Glauben“ in Römer 14 die Zuversicht des Gewissens ist. Wir sollten unseren Glauben an das Evangelium auf keinen Fall für uns selbst bewahren!
Unsere Meinung nicht zur Schau zu stellen, gilt für die Starken und die Schwachen gleichermaßen. Wer ein starkes Gewissen hat, hat in Christus große Freiheit, aber stellt es nicht zur Schau oder zeigt es auf eine Weise, die andere zur Sünde verleiten könnte. Sei besonders darauf bedacht, den Glauben von jungen Menschen und Neubekehrten zu fördern.
Diejenigen unter euch, die in einem bestimmten Bereich ein schwaches Gewissen haben, haben auch die Verantwortung, andere nicht zu „überwachen“ , indem sie sie unter Druck setzen, ihre strengen Standards zu übernehmen. Du solltest diese Angelegenheiten zwischen dir und Gott behalten.
10. Jemand, der nach seinem Gewissen lebt ist gesegnet.
„Glückselig, wer sich selbst nicht verurteilt in dem, was er gutheißt! Wer aber zweifelt, der ist verurteilt, wenn er doch isst, weil es nicht aus Glauben geschieht. Alles aber, was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde.“ (Röm 14,22b–23)
Gott hat uns das Geschenk des Gewissens gegeben, um unsere Freude zu vergrößern, wenn wir seinen Warnungen gehorchen. Einer der zwei wesentlichen Prinzipien ist, ihm zu gehorchen. „Paul hält es für gefährlich, dass Christen sich über ihr Gewissen hinwegsetzen, da sie sich daran gewöhnen, die Stimme ihres Gewissens zu ignorieren und so vielleicht auch dann die Stimme ignorieren, wenn das Gewissen gut unterrichtet ist und sie zu recht vor etwas warnt, was tatsächlich schlecht ist.“ (D. A. Carson, The Cross and Christian Ministry: An Exposition of Passages from 1 Corinthians, S. 123).
11. Wir sollen dem Beispiel Christi folgen, der andere vorangestellt hat.
„Wir aber, die Starken, haben die Pflicht, die Gebrechen der Schwachen zu tragen und nicht Gefallen an uns selbst zu haben. Denn jeder von uns soll seinem Nächsten gefallen zum Guten, zur Erbauung. Denn auch Christus hatte nicht an sich selbst Gefallen, sondern wie geschrieben steht [Ps 69,10]: ‚Die Schmähungen derer, die dich schmähen, sind auf mich gefallen.‘ Denn alles, was zuvor geschrieben worden ist, wurde zu unserer Belehrung zuvor geschrieben, damit wir durch das Ausharren und den Trost der Schriften Hoffnung fassen. Der Gott des Ausharrens und des Trostes aber gebe euch, untereinander eines Sinnes zu sein, Christus Jesus gemäß, damit ihr einmütig, mit einem Mund den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus lobt.“ (Röm 15,1–6)
Das Prinzip bedeutet nicht, dass die Starken mit der Position der Schwachen übereinstimmen müssen. Es meint nicht einmal, dass der Starke nie mehr seine Freiheiten ausleben darf. Anderseits meinte es auch nicht, dass der Starke nur den Schwachen aushalten, ertragen oder tolerieren muss. Für Christen bedeutet die Schwachheit der Schwachen „zu tragen“, dass man ihnen gerne hilft, indem man alles vermeidet, was den Glauben des anderen verletzten könnte.
Römer 15,3 hebt das Beispiel Christi hervor. Wir können uns nicht einmal ansatzweise vorstellen, welche Freiheiten und Privilegien der Sohn Gottes im Himmel genoss. Gott zu sein bedeutet, absolut frei zu sein. Denn Christus „hatte nicht an sich selbst Gefallen“, sondern gab seine Rechte und Freiheiten auf, um ein Knecht der jüdischen Kultur zu werden, damit wir vom Zorn gerettet werden. Im Vergleich zu dem, was Christus am Kreuz erlitten hat, ist der Verzicht auf eine Freiheit wie das Fleischessen in der Tat eine Kleinigkeit.
12. Wir geben Gott die Ehre, wenn wir einander annehmen, wie Christus uns angenommen hat
„Darum nehmt einander an, gleichwie auch Christus uns angenommen hat, zur Ehre Gottes!“ (Röm 15,7)
Mit diesem Satz stützt Paulus diesen langen Abschnitt, der mit ähnlichen Worten in 14,1 begann. Doch hier in 15,7 ergänzt Paulus die Worte um einen Vergleich – „gleichwie auch Christus uns angenommen hat“ – und ein Ziel – „zur Ehre Gottes“. Es ist wichtig, wie du diejenigen behandelst, mit denen du in umstrittenen Fragen nicht einer Meinung bist. Wenn du sie annimmst, wie Christus dich angenommen hast, ehrst du Gott.