Ist das Christentum ein Opium oder ein Wahrheitsserum?
„Religion … ist das Opium des Volkes.“[i] Der bekannte Ausspruch von Karl Marx zeigt eine verstörende Wirklichkeit auf: Zu oft ist das einzige Ergebnis von Religion, dass Menschen sich besser fühlen. Manche sagen, dass Religion nichts mehr als ein Placebo ist, eine trügerisch ineffektive Medizin, die den Patienten Hoffnung vorgaukelt, wo keine wirkliche Hoffnung existiert. Traurigerweise ist das oft wahr: Manche religiöse Gruppen sind nichts mehr als Opiate, die ein kurzes, auf persönlichen Gefühlen gegründetes Hoch geben und nicht auf überprüfbaren, letzten Wahrheiten fußen.
Wenn Theologie eine epistemologische Metamorphose durchlaufen würde, bei der sie sich mit überprüfbaren Fakten ausstatten würde, dann würde sich das Spiel dramatisch verändern.[ii] Was wäre, wenn die Wahrheit an einem bestimmten Punkt der Geschichte den Vorhang unserer permanenten Suche nach dem ultimativen Placebo durchbrochen hätte und sich als der Weg, die Wahrheit und das Leben offenbart hätte? Was wäre, wenn Existenz, Leben, Tod und Auferstehung dieser Person nachprüfbare Ereignisse wären, die in der wirklichen Zeit, dem wirklichen Raum und der wirklichen Geschichte stattgefunden hätten? Wäre die „Religion“, die sie verkündigte, ein bloßes Placebo? Oder wäre sie die mächtige Medizin des allerhöchsten Gottes, die buchstäblich von Gewissheit und Macht überläuft?
Obwohl unsere postmoderne Welt manchmal vorgibt, „geistlich“ zu sein, wird das Christentum dennoch permanent hinterfragt und angegriffen auf der Basis, dass es als Placebo wahrgenommen wird. Als Verteidigung gegen diese Angriffe ist es lebenswichtig, dass Christen die Argumente kennen, die das Christentum untermauern. Die Rolle der Apologetik ist es, die besonderen Behauptungen des Christentums zu verteidigen – vornehmlich, dass Gott zur Erde kam und Mensch wurde, an einem Kreuz für die Sünden der Menschheit starb und am dritten Tage auferstand, um die Rettung all derer, die glauben, sicherzustellen.[iii] Wie können solch wundersame Behauptungen der genauen Untersuchung einer Welt standhalten, in der die Wissenschaft sowohl bestimmt, was Wissen ausmacht, als auch das exklusive Recht hat, Wahrheitsansprüche zu stellen? Man muss ganz einfach die Annahme der Wissenschaft infrage stellen, dass „Religion keine Wahrheit enthalten kann“ oder dass Religion nur von „religiösen“ Vorstellungen spricht (wodurch es zum Opium des Volkes wird). Um auf angemessene Weise den Wahrheitsgehalt der Behauptungen des Christentums zu zeigen und diese Annahmen zu hinterfragen, wird dieser Artikel die Beweiselemente untersuchen, die notwendig sind, um jedweden Wahrheitsanspruch zu untermauern.
Wenn unsere postmoderne Gesellschaft auch nur annähernd ein Rahmenkonzept zulässt (oder unbewusst gebraucht), das eine Theorie des Wissens ausmachen könnte, dann ist die wichtigste Aufgabe, um Wahrheitsansprüche zu diskutieren und zu bewerten, die Grundsätze dieses Rahmenkonzepts zu verstehen. Deshalb müssen wir ein paar grundlegende Aspekte der Epistemologie verstehen – der Lehre darüber, wie wir wissen, was wir wissen –, die die Philosophie des 20. Jahrhunderts kennzeichnen, insbesondere die Grundsätze der sogenannten Analytischen Philosophie.[iv]
Verschiedene Arten von Aussagen
Die meisten Vertreter der Analytischen Philosophie gehen davon aus, dass es drei Arten von Aussagen gibt: Wahrheitsansprüche sind analytisch, synthetisch oder unsinnig. Zum besseren Verstehen beschreibe ich alle drei Aussagearten und bewerte ihre Fähigkeit, Wahrheit zu offenbaren.
Erstens, analytische Aussagen sind solche, die mathematischer Natur sind oder die aus streng logischen Definitionen und Ableitungen bestehen. Hier ist ein Beispiel: „Zwei plus Zwei ergibt Vier.“ Analytische Aussagen wie diese sind rein definitorisch und deshalb absolut wahr. Weiterhin, weil analytische Aussagen rein definitorisch sind, können sie uns keine Informationen außer denen vermitteln, die in der Aussage stecken. (In unserem Beispiel kann uns „Zwei plus Zwei ergibt Vier“ nicht sagen, woher das Konzept der Zahl „Zwei“ kommt oder wieso eigentlich Zwei und Zwei Vier ergibt und nicht Fünf.)
Zweitens, synthetische Aussagen sind Behauptungen über die Welt, die Natur oder das Universum, die nicht in sich als wahr definiert sind. Diese Aussagen sind typischerweise auf empirische Überprüfung oder externe Beobachtung angewiesen, um bestätigt oder verworfen zu werden. Hier ist ein Beispiel: „Ich lebe in der Musterstraße 1234, Musterstadt, 56789 Kalifornien.“ Um die synthetischen Wahrheitsansprüche zu beweisen, wird normalerweise eine induktive Argumentation geführt, von der die wissenschaftliche Methode das wichtigste Beispiel ist. Die Art von Argumentation versucht, starke Beweise für die Wahrheit einer Behauptung zu liefern. In unserem Beispiel müsste ein Beobachter, um diesen Wahrheitsanspruch zu bewerten, empirische Beweise untersuchen, die ihn untermauern. Der offensichtlichste Test wäre, zu der Adresse zu fahren und zu schauen, ob dort wirklich meine Wohnung ist. Abgesehen von solch einer Untersuchung könnte man die Behauptung im Glauben annehmen. Synthetische Behauptungen fangen normalerweise im Spezifischen an und arbeiten sich langsam zum Allgemeinen, indem sie erhärtet und bestätigt werden.
Weil jedoch empirische Überprüfung und Beobachtung eingesetzt werden, um synthetische Wahrheitsansprüche zu bewerten, können sie nie die definitive, hundertprozentige Gewissheit analytischer Aussagen erreichen. Befangenheit, unangemessene Prüfmaterialien und –subjekte, ungenügende Daten und Datenmanipulation sind mögliche Zwänge, die potentiell dazu dienen, die Glaubwürdigkeit synthetischer Aussagen zu unterminieren. Das ist der Grund, warum synthetische Wahrheitsansprüche getestet werden müssen! Diese Tests müssen nicht in hohem Maße formalisierte Untersuchungen sein, aber sie sollten mit angemessener Sorgfalt durchgeführt werden. Welche Tests man auch verwendet, der Punkt ist: Um die Richtigkeit oder Falschheit einer synthetischen Aussage in Abwesenheit von Beweisen zu beurteilen, bedingt es – zumindest vorläufig – eine Art von Glauben.
Darum ist das wichtig: Wenn wir synthetische Wahrheitsansprüche als vorläufig wahr behandeln können, dann ist Glauben nicht ein ausschließlich religiöses Konzept. Synthetische, vorläufige Wahrheitsansprüche sind solche Behauptungen, die im eigentlich Sinn wahrscheinlich sind, weil sie auf empirisch nachprüfbaren Beweisen beruhen. Das heißt, dass unsere alltäglichen, allgemeinen Erfahrungen robuste Unterstützungen für diese Wahrheitsansprüche liefern. Zum Beispiel, habe ich den Glauben, dass mein Auto starten wird, wenn ich in es einsteige und ich zur Arbeit fahren will. Ich habe keinen zwingenden Grund, diese These zu bezweifeln, weil mein Auto bisher jeden Morgen gestartet ist, seitdem ich es gekauft habe. Trotzdem bleibt das ein vorläufiger Wahrheitsanspruch. Hier ist der Punkt: Du und ich leben routineweise – ohne nachzufragen – als ob wahrscheinlich synthetische Aussagen (z.B. dass mein Auto diesen Morgen anspringt) gewiss sind, selbst wenn diese Gewissheit nicht abschließend bestimmt werden kann. Mein Auto könnte auch diesen Morgen nicht anspringen – die Batterie könnte leer sein, der Anlasser kaputt oder Diebe könnten den Motor gestohlen haben.
Dieses Konzept beantwortet auf direkte Weise einen verbreiteten Angriff auf das Christentum, der folgendermaßen läuft: „Ihr Gläubigen müsst manche Aussagen im Glauben annehmen! Das ist nicht rational!“ Richard Dawkins definiert Glauben angeblich als „an etwas zu glauben, von dem man weiß, dass es nicht wahr ist.“ Aber ein scharfsichtiger Fragesteller könnte einwenden: „Werden nicht die meisten Dinge, auf die wir uns verlassen, im Glauben angenommen?“ Auf die Wahrscheinlichkeit von beobachteten Daten zu vertrauen und daran zu glauben, ist ein wesentlicher Aspekt der menschlichen Erfahrung und einer, durch den über Wahrheit befunden werden kann.
Schließlich gibt es Wahrheitsansprüche, die weder analytisch noch synthetisch sind. Unsinnige Aussagen sind vollkommen nicht-verifizierbar entweder per Definition oder per objektiven Beweisen. Sie sind noch nicht einmal subjektiver Natur und werden oft als „sinnlos“ bezeichnet. Unsinnige Aussagen sind weder per Definition wahr noch eignen sie sich dazu, durch Beobachtung geprüft zu werden. Ein klassisches Beispiel kommt von Noam Chomsky: „Farblose grüne Vorstellungen schlafen fest.“[v] Das ist ein vollkommen korrekter deutscher Satz – grammatikalisch richtig und allgemein verständlich – aber vollkommen unsinnig. Es gibt keine Wahrheitsbehauptung in dieser Aussage und keine Mittel, um ihre Wahrheit zu überprüfen. Weil diese Aussagen weder wahr noch falsch sind, vermitteln sie kein Verständnis entweder ihrer eigenen internen Logik (wie bei analytischen Aussagen) oder Informationen über die externe Welt (wie bei synthetischen Aussagen).
Viele Menschen haben alle religiösen Aussagen in diese unsinnige Kategorie gesteckt und es stimmt, dass einige religiöse Aussagen unsinnig sind. Hier ist ein Beispiel: Es gibt einen Gott, von dem gesagt wird, dass der den ganzen Kaffee im Universum geschaffen und den Menschen als Geschenk gegeben hat. Die Anhänger dieses Gottes behaupten, dass er in einer anderen Sphäre existiert, wo ihn keine menschliche Methode der Beobachtung erfassen kann. Glauben an diesen Kaffeegott ist in der Tat unsinnig, da seine Existenz weder analytisch noch synthetisch bestimmt werden kann.
Einige Beispiele für diese drei Aussagearten können helfen, den Unterschied zwischen ihnen zu erkennen. Stell dir vor, dass du eine Geschichtsvorlesung besuchst und der Dozent fragt: „Wie viele Könige im Königreich sind Herrscher?“ Diese Frage verdient eine analytische Aussage als Antwort (d.h. „Ein König herrscht über ein Königreich“) denn die Definitionen von „König“, „Königreich“ und „Herrscher“ erzwingen diese Antwort. Dann fragt der Dozent „Wie viele Diener hat jeder König?“ Diese Frage bedingt eine synthetische Aussage (z.B. „Der König hat zweihundert Diener“), da jeder Diener gezählt werden muss, um die Antwort zu bestimmen. Aber jetzt kommt ein Glaubenselement ins Spiel – wenn die Zahl der Diener durch deine glaubwürdige Quelle berichtet wird, dann könnte man seinen Glauben auf die Demographen setzten, die die Daten gesammelt haben. Man muss Glauben, dass diese Analysten die Zahl der Diener, die jeder König hat, nicht verändert, übersehen oder falsch aufgezeichnet haben.
Der Dozent verkündigt schließlich: „Ein antiker König schuf das Universum und verstarb im Anschluss sofort.“ Diese Aussage ist unsinnig, weil ihre Wahrheit weder definitorisch ist, noch gibt es Mittel, durch welche diese Aussage getestet werden kann, um zu beweisen, dass solch ein König entweder existierte oder das Universum geschaffen hat.
Was wird durch „wahr“ gemeint?
Religiöse Wahrheitsansprüche neigen dazu, in diese unsinnige Kategorie zu fallen, weil die meisten von ihnen nicht falsifizierbar sind – das heißt, es gibt keinen Weg zu überprüfen, ob sie wahr oder falsch sind, wie bei unserem Beispiel des Kaffeegotts. Deshalb muss ein Verteidiger einer religiösen Aussage, um diese unsinnige Kategorie zu überwinden, entweder zeigen, dass sie axiomatisch wahr ist (d.h. zeigen, dass sie eine analytische Aussage ist) oder zeigen, dass sie eine synthetische Behauptung ist (d.h. zeigen, dass sie durch Beobachtung und Überprüfung bewiesen werden kann).
Keine Religion außerhalb des Christentums macht den Versuch, sich auf synthetische Aussagen zu stützen. Das Christentum allein überragt in diesem Bereich alle anderen Religionen. Da die Kernbehauptung des Christentums – dass Jesus Christus, der Gott und Schöpfer des Universums ist, Mensch wurde, durch den Sanhedrin und Pontius Pilatus verurteilt wurde, am Kreuz starb und drei Tage später auferstand, um die Rettung all jener zu erwirken, die an ihn glauben – einen empirischen (synthetischen) Charakter hat.
Die Tatsache, dass diese Behauptungen über Jesus in der natürlichen Welt angesiedelt sind, öffnen sie für empirische Prüfung. Das Christentum beruft sich nicht streng auf eine analytische, definitorische Behauptung, sondern auf eine synthetische; deshalb fällt der Bericht über seine Entstehung in dieselbe epistemologische Kategorie wie wissenschaftliche Wahrheit. Deshalb kann das Christentum Wahrheitsansprüche über die Welt, die Natur und das Universum machen. Diese Wahrheitsansprüche können als wahrscheinlicher Fakt erkannt werden, selbst wenn es Teile der Erzählung gibt, die Glauben benötigen. Dieser Glaube ist nicht eine besondere Art von Glauben, die für das christliche Bekenntnis eigen sind, sondern es ist eigentlich die gleiche Art von Glauben, die universell notwendig ist, damit Menschen leben können.
Demnach sind die synthetischen Behauptungen der Wissenschaft, welche die Epistemologie des postmodernen Denkers ausmachen, von der gleichen Art wie die synthetischen Behauptungen des Christentums. Das heißt wiederum, dass eine der prominentesten Annahmen der Wissenschaften – „In der Religion kann keine Wahrheit gefunden werden“ – haltlos ist. Weil jede Aussage, die die Wissenschaft als wahr erklärt, auch Glauben verlangt, kann der Wissenschaftler nicht Glauben benutzen, um die Wahrheitsansprüche des Christentums abzuwerten. Auf diese Weise ist die Erwiderung „Naja, das ist eine Sache des Glaubens“ unwirksam gemacht, weil alle positiven Aussagen in Abwesenheit direkter Beobachtung auf einer Grundlage von Glauben fußen. Der christliche Glaube ist kein „blinder Glaube“; es ist ein Glaube genährt von Beweisen und Verstand. Selbst der materialistischste Wissenschaftler lebt auf dieser Grundlage.
Obwohl die Postmoderne in der Tat „spirituell“ sein kann, dient diese Spiritualität nicht als Mittel, um Wahrheit zu finden, sondern als ein System, um ein friedvolles oder erfülltes Leben zu führen. Deshalb sind nach dieser Ideologie die Aussagen einer Religion keine Tatsachen, sondern ein Placebo, welches denen, die sich an religiösen Handlungen beteiligen, ermöglicht, sich gut zu fühlen. Ein Beispiel ist die „Coexist“-Bewegung, die argumentiert, dass alle Religionen ihre exklusiven Ansprüche aufgeben und die Ansprüche der anderen akzeptieren sollen. Nach diesem Paradigma (ob ein Vertreter das realisiert oder nicht) sind alle Religionen unsinnig. Religionen existieren nicht als Mittel, um zur Erkenntnis der Wahrheit zu kommen, sondern sie vermitteln dem Gläubigen nur wünschenswerte Gefühle.
„Sei, wer du bist“
Auf ähnliche Weise zeigt sich dieser Ansatz bei dem populären, postmodernen, quasi-ethischen Aussage, die heute so oft zitiert wird: „Sei, wer du bist.“ Diese Aussage legt nahe, dass Individuen jegliche externen Empfehlungen in Bezug darauf, wie sie ihr Leben führen, ignorieren sollen und sich stattdessen davon leiten lassen, was sich am besten anfühlt – nicht, dass etwas Externes dieses „Beste“ für dich definieren sollte! Weil Ethik, tägliches Leben und Religion keine objektive Wahrheit halten, setzen postmoderne Menschen hauptsächlich auf persönliche Befriedigung. Das Christentum geht über die postmoderne geistliche Erfahrung hinaus; es setzt sich synthetischen Aussagen aus, die von empirischen Daten und Beobachtung abhängen; es lebt in der realen Welt, und das ist, sehr oft, das Gebiet der Wissenschaft.
Weil die synthetischen Wahrheitsansprüche des Christentums in der Vergangenheit stattfanden und durch den Gebrauch der historischen Methode beurteilt werden können, kann das Christentum als eine robuste Wissensgrundlage für die Gläubigen dienen, aber es kann es auch für neugierige Ungläubige – selbst in einer postmodernen Welt. Das bedeutet, dass aufgezeichnete Berichte, externe Datierung und archäologische Beweise eingesetzt werden können, um die Richtigkeit der christlichen Wahrheitsansprüche zu bewerten.
Die wesentlichen christlichen Behauptungen in Bezug auf Christus werden als „das Evangelium“ bezeichnet. Diese Evangeliumsbotschaft ist unter den Weltreligionen auf einzigartige Weise historisch. Das heißt, die Behauptungen des Evangeliums gründen sich auf Ereignisse, die in der wirklichen Zeit, an wirklichen Orten und in der wirklichen, überprüfbaren Geschichte passiert sind. Deshalb erzählt der Apostel Paulus, als er die „Evangeliumsbotschaft“ definieren möchte, seinen Lesern die historische Geschichte über Christus und führt Zeugen auf, die die Wahrhaftigkeit seiner Behauptung in der Geschichte bestätigen können:
Denn ich habe euch zuallererst das überliefert, was ich auch empfangen habe, nämlich dass Christus für unsere Sünden gestorben ist, nach den Schriften, und dass er begraben worden ist und dass er auferstanden ist am dritten Tag, nach den Schriften, und dass er dem Kephas erschienen ist, danach den Zwölfen. Danach ist er mehr als 500 Brüdern auf einmal erschienen, von denen die meisten noch leben, etliche aber auch entschlafen sind. Danach erschien er dem Jakobus, hierauf sämtlichen Aposteln. Zuletzt aber von allen erschien er auch mir. (1Kor 15,3-8)
Unter den Weltreligionen sticht das Christentum nicht nur für die Tatsache heraus, dass es historische Behauptungen aufstellt, sondern sogar die Mittel zu seiner eigenen Widerlegung in die Hand gibt. Später im selben Kapitel zeigt Paulus einen Mechanismus auf, durch den der christliche Wahrheitsanspruch gründlich widerlegt werden kann:
Wenn aber Christus nicht auferstanden ist, so ist unsere Verkündigung vergeblich, und vergeblich auch euer Glaube! Wir werden aber auch als falsche Zeugen Gottes erfunden, weil wir von Gott bezeugt haben, dass er Christus auferweckt hat, während er ihn doch nicht auferweckt hat, wenn wirklich Tote nicht auferweckt werden! Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, so ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden; dann sind auch die in Christus Entschlafenen verloren. Wenn wir nur in diesem Leben auf Christus hoffen, so sind wir die elendesten unter allen Menschen! (1Kor 15,14-19)
Das bedeutet, wenn für die Behauptung des Christentums, dass Christus auferstanden ist, gezeigt werden kann, dass sie historisch falsch ist – z.B. die Knochen von Jesus Christus würden in irgendeiner Höhle in Palästina gefunden werden – dann würde sich die ganze Religion als falsch erweisen. Das Christentum benutzt nicht nur Geschichte als Schauplatz wichtiger Ereignisse, sondern es baut sogar vollkommen auf Geschichte, um seine zentralen Behauptungen zu verifizieren und zu bestätigen.
Das Christentum macht einige historische Behauptungen, die voneinander abhängig sind. Deshalb würde, wenn auch nur eine von ihnen als falsch gezeigt werden könnte, das ganze Fundament zusammenstürzen. Damit Christentum Wahrheit vermitteln kann, müssen mindestens drei Ereignisse wirklich passiert sein:
- Jesus Christus muss menschgewordener Gott sein;
- er muss vor Pontius Pilatus vor Gericht gestellt, verurteilt und gekreuzigt worden sein, was zu seinem Tod führte; und
- er muss am dritten Tage auferstanden sein.
Der Einfluss auf die Wahrheit des Christentums ist folgender:
- Wenn Jesus nicht Gott war, dann hätte er nicht für die Sünden der Welt sühnen können;
- wenn Jesus nicht gestorben ist, dann ist die Behauptung, dass er die Sünde, den Tod und die Macht des Teufels durch sein Opfer überwunden hat, für nichtig erklärt, da kein Opfer geschah; und
- wenn Christus nicht von den Toten auferstand, dann ist seine Behauptung, Gott zu sein, falsch, und er konnte weder siegreich über den Tod sein noch für alle Gläubigen das Leben erlangen.
Die wichtigste Frage von allen muss sein, ob die Behauptungen über Jesus durch historische Beweise gestützt werden. Das heißt, sind sie wahr?
Die Beweise prüfen
Um zu entscheiden, ob die verfügbaren historischen Beweise die Behauptungen über Jesus Christus belegen, müssen wir die historischen Daten untersuchen unter Zuhilfenahme des gleichen historischen Prozesses, der gleichen kritischen Methode und dem gleichen Beweismaterial, die gebraucht werden, um die Behauptungen über irgendeine historische Figur zu entscheiden.
Dieses Beweismaterial muss vertrauenswürdige, historische Berichte umfassen, die offenkundig die Ergebnisse im Leben der geschichtlichen Person wiedergeben. Diese historischen Berichte formen das Quellenmaterial – die Daten, wenn man so will –, die empirischer Überprüfung und kritischer Beobachtung der synthetischen Argumentationskette standhalten müssen. Nur dann können die Quellen als glaubwürdig erachtet werden. Während absolute Gewissheit niemals möglich ist, sollte die Plausibilität des Quellenmaterials ausreichend sein, um entsprechend zu handeln. Deshalb wird Glauben für dieses historische Unternehmen wesentlich sein. (Nochmal, dieser Glaube kann kein blinder Glaube sein, sondern muss – wie der Glaube, der für jede synthetische Wahrheitsbehauptung notwendig ist – auf den gleichen Prinzipien gegründet sein, durch die die Wissenschaft Fakten bestimmt und durch die wir unsere täglichen Entscheidungen treffen.)
Wie es für jede historische Person der Fall wäre, müssten die Beweise für Jesus notwendigerweise vielgestaltig sein. Insbesondere, um die die drei Thesen aus der Liste oben zu erhärten, bräuchten wir Berichte und Aufzeichnungen, dass Jesus unter römischer Herrschaft existiert und gelebt hat; es müsste glaubwürdige Berichte geben, dass der römische Präfekt über Judäa, Pontius Pilatus, Jesus zum Tode verurteilt hat; und schließlich bräuchten wir Berichte, dass Jesus nach seinem Tod körperlich lebendig war und anderen erschien.
Diese ganzen Ereignisse sind im Neuen Testament aufgezeichnet, insbesondere in den Evangelien von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes. Wie wir es erwarten würden, berichten uns die Evangelien die Ereignisse über die menschliche Geburt von Jesus; sein göttliches Wesen, welches Mensch wurde. Sie machen klar, dass Jesus durch die Hände der Stellvertreter des römischen Imperiums starb. Und schließlich verkündigen die Evangelien freimütig seine Auferstehung von den Toten und erzählen von seiner Erscheinung vor 500 Menschen (siehe 1Kor 15) nach seinem Sieg über den Tod.
Damit der Skeptiker das Neue Testament nicht vorschnell als bloßes Märchen abtut, ist es wichtig zu erwähnen und zu wissen, dass die Evangelien als historische Dokumente untersucht wurden unter den überaus kritischen Augen von Historikern, Archäologen, Exegeten, Theologen und verschiedenen anderen Experten.[vi]
Sie haben dieser Prüfung erstaunlich gut standgehalten; in der Tat, in allen Bereichen (außer denen, für die es keine empirische Überprüfung gibt, wie die Wunder) haben sich die Evangelien als unter den historisch genauesten Dokumenten der Antike in der ganzen Welt erwiesen.
Zum Beispiel sind die Evangelien erstaunlich genau in Bezug auf politische Figuren ihrer Zeit. Referenzen auf historische Personen wie Herodes Archelaos, Herodes Antipas und Pontius Pilatus sind nicht nur spezifisch bezüglich ihres Titels, Zeit und Ort, sondern sie genießen auch alle unabhängige Bestätigung durch andere, außerbiblische Texte. Die Kultur von Judäa aus dem ersten Jahrhundert wird nirgends besser bezeugt als in den Evangelien. Wenn diese Texte das Leben im frühen ersten Jahrhundert so genau wiedergeben, dann können wir ihnen vernünftigen Glauben schenken in Bezug auf die Behauptungen, die sich weniger leicht verifizieren lassen.
Die Abfassung jedes der Evangelien wird – selbst von den skeptischsten Gelehrten – nicht später als siebzig Jahre nach der Auferstehung Christi (d.h. vor 100 n.Chr.) datiert. Im Vergleich zu anderen antiken Dokumenten platzieren diese Daten die Abfassung der Evangelien sehr nah zu den Ereignissen, die sie wiedergeben. Auch wenn die frühsten, erhaltenen Manuskripte der Evangelien aus dem 2. Jahrhundert stammen, sind sie immer noch relativ zeitnah zu der Abfassung dieser Texte. Das älteste bekannte Manuskript der Werke von Aristoteles, einem griechischen Philosophen, datiert neun Jahrhunderte nach seinem Leben und Tod. Trotz des dazwischenliegenden Jahrtausends, zweifelt kein Mensch ernsthaft an, dass dieser antike Philosoph wirklich gelebt hat, daher ist es vollkommen vernünftig, dass die Berichte über Christi Leben, Tod und Auferstehung in hohem Maße vertrauenswürdig sind.
Die Berichte der Evangelien sind nicht nur außergewöhnlich zeitnah zu den Daten der Ereignisse, die sie dokumentieren, sondern sie werden auch, wie oben erwähnt, durch externe Dokumente und Quellen gestützt. Flavius Josephus[vii], der die Erfahrungen der Juden unter römischer Herrschaft aufzeichnete, und Publius Cornelius Tacitus, der von der Kreuzigung und der Beteiligung von Pontius Pilatus in seinen Annalen[viii] berichtet, sind beides nichtchristliche Autoren, die von Elementen aus der Evangeliumserzählung berichten. Josephus berichtet sogar von Jesu Behauptung, Gott zu sein. Diese Bestätigungen können den archäologischen Funden hinzugefügt werden – wie dem Knochenkasten des Kajaphas, der Pontius-Pilatus-Inschrift oder dem Jakobus-Ossuar – welche auch die Personen der Evangelien belegen.
Die verfügbaren historischen Beweise bestätigen, dass die Evangelien in der Tat genaue und vertrauenswürdige Quellen synthetischen Wissens sind. Die drei Behauptungen bezüglich Jesus, mit denen wir uns vorhin befasst haben, erweisen sich als solide Wahrheitsbehauptungen. Die Evangelien – und andere Zeugnisse – dokumentieren wahrheitsgetreu nicht nur, dass Jesus behauptete, Gott zu sein, sondern auch, dass viele Menschen dieser Behauptung Glauben schenkten. Die Evangelien – und andere Zeugnisse – dokumentieren deutlich, dass Pontius Pilatus Jesus hinrichten ließ und dass seine Hinrichtung außerhalb Jerusalems öffentlich beobachtet wurde. Die Evangelien dokumentieren deutlich, dass Jesu Leichnam öffentlich in einem Grab beigesetzt wurde, das einem Mann namens Josef von Arimathäa gehörte, und dass eine römische Wache außerhalb des Grabes aufgestellt wurde. Die Evangelien dokumentieren – und verkündigen später –, dass Jesus drei Tage nach seiner Hinrichtung körperlich von den Toten auferstand. Im Laufe der folgenden vierzig Tage aß Jesus mit seinen Jüngern und erschien mehr als fünfhundert Menschen. Jesu Auferstehung von den Toten bestätigte seine Behauptung, Gott zu sein.
Die historischen Untermauerungen der Evangeliumsberichte über das Leben und die Zeiten von Jesus sind unwiderlegbar. Mehrere von den Hauptereignissen aus dem Leben Jesu können in externen, nichtchristlichen Quellen belegt werden. Deshalb besteht Historizität Jesu den Lackmustest synthetischen Wissens. Wir können auf die historische Existenz Jesu vertrauen, weil wir auf die Authentizität der Evangelien vertrauen können. Wenn die Evangelien so wahrheitsgemäß in Bezug auf nebensächliche Details sind, warum sollten wir dann nicht erwarten, dass sie glaubwürdig in Bezug auf das allerwichtigste Detail sind: die Göttlichkeit Christi?
Ein vernünftiger Glaube
Das ist ein vernünftiger Glaubensanspruch. Wenn wir vernünftigerweise sicher sein können, dass die Ereignisse, die in den Evangelien aufzeichnet sind, wahrheitsgetreu sind, und kein Beweis für die Falschheit der Behauptung von Christus, der Messias zu sein, gefunden werden kann (z.B. seine Leiche), dann fangen andere Glaubenssätze, die von der Göttlichkeit Christi abhängen an, nach den Regeln synthetischen Wissens Sinn zu machen. Zu wissen, dass Jesus wirklich Gott war, deutet darauf hin, dass er zur Erde kam, um die Menschheit von ihrer Sünde zu retten und Erlösung für alle zu erlangen, die an ihn glauben, wie er selbst behauptete. Das Wissen, dass Jesus Christus die Menschheit von Sünde, Tod und der Macht des Teufels rettete benötigt Glauben; aber aufgrund der Glaubwürdigkeit der Evangelien besetzt dieser Glaube die gleiche epistemologische Kategorie wie wissenschaftliches Wissen.
Dieser Glaube entspringt nicht dem Opium oder ist eine Wohlfühlhalluzination, und er ist auch nicht auf irgendeine unsinnige Aussage gegründet. Das Christentum ist in einer einzigartigen Position in der heutigen postmodernen Welt, indem es begründet werden kann. Synthetische, empirische Behauptungen demonstrieren überzeugend (durch Gebrauch derselben Methodologie der Wissenschaften), dass das Christentum und die Behauptungen über die Göttlichkeit Jesu wahre Fakten sind. Wir kommen zu dem Schluss, dass Jesus Gott ist, nicht durch geistliche Erleuchtung oder indem wir uns mit dem Universell-Göttlichen verbinden, sondern durch die gleiche Methodologie, durch die wir die Faktizität der Amerikanische Revolution begründen oder dass Gravitation eine anziehende Kraft in Abhängigkeit der Masse eines Objektes ist. Die postmodernen Vorstellungen der „Coexist“-Bewegung oder des „Sei wer du bist“-Mantras werden durch den allgemeinen Anspruch Jesu widerlegt, dass er „der Weg, die Wahrheit und das Leben“ ist (Johannes 14,6). Das historische und empirische Wesen des Christentums bricht aus dem Gebiet des Mythos aus und dringt in das Gebiet der echten Wirklichkeit ein.
Christen, die Fragen und Kritik ausgesetzt sind, können sich auf mehr als nur blinden Glauben verlassen, um die Behauptungen, die ihrem Glauben entgegenstehen, zu widerlegen. Unser Vertrauen auf Christus als unsere einzige Hoffnung für Leben, Rettung und Freiheit ist ganz gewiss ein Glaubenssprung, aber es ist kein blinder Sprung. Um sich gegen Angriffe zu verteidigen, ist es von grundsätzlicher Bedeutung, dass Christen die Epistemologie der Theologie verstehen, die exklusiven Behauptungen des Christentums verkünden und den wahren Glauben durch Apologetik verteidigen. Jesus Christus, wahrer Gott und wahrer Mensch, ist für deine Sünden gestorben und auferstanden. Leben wir mutig in dieser Wahrheit.
Scott Keith (PhD, Foundation House Oxford, gesponsert von der Graduate Theological Foundation) ist Leiter von 1517 The Legacy Project und Ko-Moderator des podcasts Thinking Fellows. Dieser Artikel erschien zuerst bei White Horse Inn. Übersetzung und Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.
[i] Das vollständige Zitat von Marx lautet: „Die Religion ist der Seufzer der bedrängten Kreatur, das Gemüth einer herzlosen Welt, wie sie der Geist geistloser Zustände ist. Sie ist das Opium des Volks.“ siehe Karl Marx: Einleitung zu Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie.
[ii] Es ist die Meinung des Autors, dass jede Kirche eine Kopie der Vortragsreihe von Dr. John W. Montgomery „Sensible Christianity“ in ihrer Bibliothek haben sollte. Sie kann hier gekauft werden: https://shop.1517legacy.com/products/sensible-christianity-mp3.
[iii] Siehe 1. Korinther 15,3-4.
[iv] Für mehr zu diesem Thema, siehe A. J. Ayer, Language, Truth & Logic (Mount Vernon, NY: Gould Media, 1980). Siehe auch John W. Montgomery, Tractatus Logico-Theologicus (Eugene, OR: Wipf&Stock, 2012); und Ludwig Wittgenstein, Bertrand Russel und C. K. Ogden, Tractatus Logico-Philosophicus (1922).
[v] Noam Chomsky, Syntactic Structures (The Hague: Mouton, 1957), 15.
[vi] Eine wunderbare Zusammenstellung der historischen Glaubwürdigkeit kann gefunden werden in John W. Montgomery, History, Law and Christianity (Irvine, CA: New Reformation Publication, 2014).
[vii] Siehe Flavius Josephus, The Works of Flavius Josephus; Comprising the Antiquities of the Jews; a History of the Jewish Wars; and Life of Flavius Josephus, Written by Himself ... And Three Dissertations, Concerning Jesus Christ, John the Baptist, James the Just, God’s Command to Abraham, Etc., übersetzt von William Whiston (Hartford, CT: S. S. Scranton Co., 1917).
[viii] Siehe Cornelius Tacitus, The Annals, übersetzt von A. J. Woodman (Indianapolis: Hackett, 2004).