Lob der Anfechtung
Bald wurde Luther mit anderen Widrigkeiten konfrontiert. Im Jahr 1527 wurde Luther dermaßen auf die Probe gestellt, dass der Kirchenhistoriker Philip Schaff dieses Jahr als „das Jahr des Desasters“ beschrieb. Es war die Zeit der „härtesten geistlichen und physischen Kämpfe“ Luthers. Als die führende Person der Reformation zahlte Luther einen hohen Preis im Kampf für die Wahrheit und seine physische Verfassung verfiel unter den zunehmenden Verpflichtungen der Bewegung. Am 22. April 1527 wurde Luther auf der Kanzel von solch einem Schwindelgefühl übermannt, dass er mit dem Predigen aufhörte und gezwungen war, sich zu erholen. Andere körperliche Probleme folgten bei dem Reformator, einschließlich ernste Herzprobleme, Verdauungsprobleme und Ohnmachtsanfälle. Er begann auch emotional zu ermüden und litt an Schüben von Entmutigungen und Depressionen.
Am 6. Juli streckte ein anderer Angriff Luther nieder. Er unterhielt gerade Gäste beim Essen, als er ein intensives Brummen in seinem linken Ohr verspürte. Er musste ins Bett getragen werden, wo er verzweifelt um Wasser bat, ansonsten, so meinte er, würde er sterben. Luther kühlte so sehr aus, dass er davon überzeugt war, dass seine letzte Nacht angebrochen sei. In einem verzweifelten Gebet übergab er sich selbst dem Willen Gottes und bereitete sich darauf vor, seinem Schöpfer zu begegnen. Obwohl Luther einige Tage ernsthaft krank blieb, gelangte er schließlich wieder zu Kräften.
Im August wütete die Schwarze Pest unter den Einwohnern von Wittenberg. Viele starben, andere flüchteten um ihr Leben. Die Universität von Wittenberg zog nach Jena in Deutschland. Friedrich drängte Luther zu gehen, um sein eigenes Leben zu retten. Zusätzlich zu dieser Gefahr war Käthe schwanger und sie hatten ein einjähriges Kind, Hans. Luther bestand jedoch darauf, dass es seine moralische Pflicht sei, zu bleiben und den Kranken zu dienen.
Schwere Prüfungen lasteten auf den Schultern Luthers. Der Tod umgab ihn von allen Seiten. Er sah, wie Menschen in seinem Haus und auf der Straße starben. Er entschloss sich dazu, sein geräumiges Haus in ein Krankenhaus zu verwandeln, um für die an der Plage Leidenden zu sorgen. Hans wurde hoffnungslos krank und Luther wurde so stark belastet, dass er elf Tage lang nichts essen konnte. Er war tief um Käthes Sicherheit besorgt und wurde durch Verzweiflung geschwächt.
In einem Brief an seinen vertrauensvollen Freund und Mitarbeiter Philipp Melanchthon bekannte Luther seine wachsenden Anfälle von Depressionen:
Ich verbrachte mehr als eine Woche im Tod und in der Hölle. Mein ganzer Körper schmerzte und ich zittere noch immer. Völlig verlassen von Christus arbeitete ich unter Schwanken und Stürmen der Verzweiflung und Lästerung gegen Gott. Aber durch die Gebete der Heiligen hatte Gott Erbarmen mit mir und zog meine Seele aus diesem Inferno.
Im November schrieb Luther ein theologisches Traktat mit dem Titel: Ob man vor dem Sterben fliehen möge. Er argumentierte, dass ein geistlicher Leiter bei der Gemeinschaft der Gläubigen, die seiner Leitung anvertraut sind, in Zeiten extremer Zwangslagen bleiben muss. Sicherlich galt der Ausbruch der Schwarzen Pest als eine solche Krise, als extremer Stress sich schwer auf sein Herz legte und seinem Körper die Kraft entzog. Aber in seiner Schwachheit fand Luther neue Stärke in Gott.
Während dieser schwierigen Jahre, die angefüllt waren mit Kontroversen, dem Tod und vielen Plagen, verfasste Luther sein berühmtestes Kirchenlied: „Ein feste Burg ist unser Gott.“ Dieses großartige Werk basiert auf Psalm 46, einem Lobpreis des unerschütterlichen Vertrauens in Gott. Über viele Jahre hat Luther das Buch der Psalmen übersetzt und gelehrt, ein Buch, das er innig liebte. Diese inspirierte Sammlung von antiken Lobpreisliedern war tatsächlich das erste Bibelbuch, das Luther in der Schule unterrichtete. Eine Auslegung von ausgewählten Bußpsalmen war das Thema seines ersten gedruckten Werkes.
In harten Zeiten, wenn sich Luther oft schrecklich entmutigt und niedergeschlagen fühlte, wandte er sich an Melanchthon und bemerkte: „Kommt, Meister Philipp, wir wollen den 46. Psalm anstimmen.“ Sie sangen es dann in Luthers Originalfassung:
Ein feste Burg ist unser Gott,
Ein gute Wehr und Waffen,
Er hilft uns frei aus aller Not,
Die uns jetzt hat betroffen.
Bezugnehmend auf das Singen seines Lieblingspsalmes sagte Luther:
Wir singen diesen Psalm zum Lob Gottes, weil Gott mit uns ist und machtvoll und wunderbar seine Kirche und sein Wort bewahrt und sie verteidigt gegen alle fanatischen Geister, gegen die Pforten der Hölle, gegen den versöhnlichen Hass des Teufels und gegen alle Angriffe der Welt, des Fleisches und der Sünde.
Aus Luthers dunkelstem Leid strahlte das helle Licht der Zuversicht in Gott hervor. Philip Schaff staunt darüber, dass dieses monumentale Kirchenlied aus solchen Mühen entstehen konnte, und betont: „Die tiefste Trauer und der höchste Glaube treffen oft zusammen.“ Dies war bei Luther der Fall, denn „Ein feste Burg ist unser Gott“ wurde „geboren aus tiefster Bedrängnis und siegreichen Glauben.“
Die 1520er Jahre erwiesen sich als eine turbulente Zeit für Luther, in der er sich in vielen Kämpfen wiederfand. Angesichts der zunehmenden Herausforderungen kämpfte Luther den guten Kampf des Glaubens und blieb in seiner Hingabe an die Wahrheit der Bibel unerschütterlich treu. Durch diese Leiden wuchs er tiefer in der Wahrheit und wurde stärker im Glauben.
Luther erkannte, dass diese Konflikte dem göttlichen Plan entsprachen, um aus ihm den Theologen zu machen, von dem Gott wollte, dass er es sei. In der Erläuterung von Psalm 119 brachte der Reformator seine Überzeugung darüber zum Ausdruck, was er als den richtigen Weg ansah, um Theologie zu studieren. Er bekräftigte drei Dinge, die für das Studium der biblischen Lehre unabdingbar sind: „Darin wirst du drei Regeln finden, durch den ganzen Psalm reichlich vorgestellt. Und heißen also: Oratio, Meditatio, Tentatio.“ Diese drei lateinischen Wörter bedeuten übersetzt „Gebet“, „Meditation“ und „Anfechtung“. Es ist diese dritte Grundvoraussetzung, die unsere Aufmerksamkeit verdient. Luther nennt tentatio „den Prüfstein“, um die Wahrheit zu lernen.
Luther glaubte, dass Anfechtung im Leben eines jeden Gläubigen, insbesondere eines Theologen, notwendig seien, um in der Wahrheit zu wachsen. Über die Anfechtung sagte er: „… die lehrt dich nicht allein wissen und verstehen, sondern auch erfahren, wie recht, wie wahrhaftig, wie süß, wie lieblich, wie mächtig, wie tröstlich Gottes Wort sei, Weisheit über alle Weisheit.“ Mit anderen Worten bestand Luther darauf, dass die Theologie etwas sei, das man nicht nur in der Sicherheit der Vorlesungsräume erlerne, sondern in den Flammen der Bedrängnis. In feurigen Prüfungen wird man gedemütigt und gebrochen. Es sind diese Momente, in denen ein Leiter belehrbar gemacht wird. In schwierigen Zeiten scheint das erleuchtende Werk des Heiligen Geistes oftmals heller. Gebrochene Herzen sorgen für aufnahmebereite Gedanken.
Während der Diener Gottes am Wort dient, nehmen solche Anfechtungen an Intensität zu. Luther erklärte:
„Denn sobald Gottes Wort ausgeht durch dich, so wird dich der Teufel heimsuchen, dich zum rechten Gelehrten machen und durch seine Anfechtung lehren, Gottes Wort zu suchen und zu lehren.“ Luther dankte dem Teufel und den Papisten, „dass sie mich durch des Teufels Toben so zerschlagen, so bedrängt und geängstigt, das heißt, einen rechten, guten Theologen gemachten haben, wohin ich sonst nicht gekommen wäre.“
Inmitten der zunehmenden Konflikte steht Luther als ein hoch aufragendes Beispiel für die standhafte Loyalität gegenüber dem Evangelium, die von Gott gefordert wird. Der Dienst ist niemals ohne Schwierigkeiten. Es gibt keine leichten Orte, um dem Herrn zu dienen. In gefährlichen Zeiten demonstrierte Luther die unnachgiebige Hingabe, die notwendig ist, um durchzuhalten.