Zehn Tipps für Theologiestudenten

Artikel von Kevin DeYoung
16. September 2016

Ich kann kaum glauben, dass schon 17 Jahre vergangen sind, seitdem ich mit der Ausbildung an einem theologischen Seminar begann. Ich weiß noch, wie ich mich fühlte: nervös, aufgeregt und weit weg von zu Hause. Diese drei Jahre waren wunderbar – voller guter Freunde und guten Unterrichts. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder Mann, der sich auf ein Leben im pastoralen Dienst vorbereiten will, alles daransetzen sollte, sich an einem guten evangelikalen Seminar (persönlich) einzuschreiben und mehrere Jahre des ernsthaften Studiums und der Ausbildung dem Dienst zu widmen.

Wenn du ein solcher Mann bist oder eines Tages sein wirst, freut mich das sehr.

Ich habe auch einige Ratschläge. Die folgenden zehn Punkte sollte jeder, der neu an die Ausbildungsstätte kommt, über die nächsten paar Jahre hinweg kennen, bedenken und im Kopf behalten.

1. Engagiere dich in der Ortsgemeinde. Mache ein Sternchen hierhinter! Unterstreiche es. Hebe es hervor und vergiss es nicht. Die theologische Ausbildung soll der Gemeinde dienen. Du gehst, vermute ich, auf das Seminar, weil du in der Gemeinde dienen möchtest. Vernachlässige also nicht den Grund, aus dem du dort bist, wo du bist. Finde eine gute Gemeinde. Schließe dich ihr an. Such’ dir einen Mentor. Bring’ dich ein (und nicht nur beim Lehren und Predigen). Wenn du die Ausbildung durchläufst, ohne tiefgehende Beziehungen und praktische Dienstmöglichkeiten in der Ortsgemeinde zu pflegen, bist du auf dem Holzweg.

2. Schöpfe das Studienangebot aus. Eine gute theologische Ausbildung ist einfach klasse. Du triffst auf Experten in den Bereichen: Bibel, Theologie, Geschichte, Sprachen, Seelsorge und Predigen. Lerne von ihnen. Gehe zu den Andachten. Nimm an Sonderkursen und Extravorlesungen teil. Es mag dir für den Moment wie eine Überlastung vorkommen, aber schon bald wirst du alleine in einer Gemeinde sein, wo du in deinem Alltag fast nur geben und nur sehr wenig Input bekommen wirst. Sei ein engagiertes, dankbares, hungriges Mitglied deiner Seminar- oder Hochschulgemeinschaft.

3. Vergiss Beziehungen nicht. Zu den besten Dingen während der Ausbildung gehören die Leute, die du triffst. Mit einigen der Brüder dort wirst du für den Rest deines Lebens im selben Netzwerk oder in derselben Denomination zusammenarbeiten. Nimm dir Zeit, die Leute kennenzulernen. Habe Spaß mit ihnen. Gehe mit ihnen essen. Bete mit ihnen. Schließe Freundschaften.

4. Pflege ein Hobby. Glaub’ mir: Du wirst auf dem Seminar mehr schaffen, wenn du nicht versuchst, 16 Stunden am Tag dafür zu arbeiten. Wenn du gerne läufst oder schwimmst oder Rad fährst oder angelst oder jagst oder meinetwegen Fantasy-Football spielst, gib es nicht auf. Du brauchst einen Ausgleich. Der Mensch lebt nicht von Griechisch-Karteikarten allein. Sogar Spurgeon rät dazu, am Strand spazieren zu gehen. Tu dir selbst den Gefallen, nicht zu geistlich zu sein.

5. Nimm dir einen Sabbat. Ist es falsch, an einem Sonntag Calvin zu studieren und etwas über die Erweckungsbewegung zu lesen und etwas über die Bedeutung von pistou Christou zu schreiben? Nein. Ist es unbiblisch, zu denken, dass Leute auf dem Seminar keinen Tag der Ruhe und Anbetung brauchen? Ja. Plane voraus. Beschütze deine Sonntage.

6. Vergiss nicht: Es ist bloß eine Note. Ich weiß, wie wichtig es für dich ist, eine „1“ anstelle einer „1-„ oder – Gott bewahre – einer Note im Zweierbereich zu bekommen. Mir waren Noten auch wichtig. Aber sie bemessen nicht deinen Wert als Christ, sagen noch nicht einmal zuverlässig voraus, was für ein Pastor du sein wirst. Eine bessere Note ist es nicht wert, deine Familie oder deine persönliche Stille aufs Spiel zu setzen. Arbeite hart. Kenne deine Grenzen. Rege dich nicht auf, wenn du nicht der Klassenbeste bist.

7. Dein Leben steht nicht still. Es mag eine Zeit der Ausbildung und der Vorbereitung sein, aber das heißt nicht, dass du noch drei Jahre warten sollst, bis du ein richtiger Christ oder ein wertvolles Mitglied der Gemeinde sein kannst. Gott hat gute Werke parat, die du heute tun kannst. Er hat dich auch für hier und jetzt zu einem Dienst berufen. Glaube nicht, dass das echte Leben später beginnt.

8. Sei vorsichtig – du weißt mehr als die meisten in der Gemeinde. Wenn du an einer theologischen Ausbildungsstätte eingeschrieben bist, weißt du wahrscheinlich jetzt schon mehr über formelle systematische Theologie und Kirchengeschichte und Exegese als 90 Prozent der Gottesdienstbesucher. Und in fünf Jahren wirst du mehr biblisches, historisches und theologisches Wissen als 99 Prozent der Christen auf diesem Planeten haben, vor allem wenn du auf einer strengen Schule bist (was du auch sein solltest!). Deine Aufgabe ist nicht, die Leute mit deinem im Studium erworbenen Wissen zu beeindrucken. Du musst lernen, auf offene und zugängliche Art und Weise zu kommunizieren. Bleibe demütig. Halte es einfach aus. Die besten Lehrer bringen die schwierigen Dinge leicht verständlich rüber.

9. Sei vorsichtig – du weißt viel weniger, als du denkst. Du hast vielleicht mehr Wissen als je zuvor, aber das heißt nicht, dass deine Urteilskraft, deine Reife und deine echte Lebenserfahrung mit deiner Ausbildung mitgehalten haben. Und selbst deine formelle Ausbildung ist weniger, als du denkst. Jeder, der vier Wochen Doktorand ist, weiß mehr über ein beliebiges Thema als du. Lies weiter. Wachse weiter. Höre auf deine Ältesten. Lerne von älteren Christen. Sei nicht überheblich!

10. Finde deine Identität in Christus. Als ich auf dem College war, war ich der Gitarre spielende, Calvin zitierende, Griechisch und Hebräisch studierende, dienstfixierte Theologe. Das war ich. Ich dachte, ich sei besonders. Bis ich auf das Seminar ging und feststellte, dass meine vermeintlich einzigartige Identität nun ausnahmslos auch jede Person um mich herum beschrieb. Es ist einfach, sich mit anderen zu vergleichen, vor allem, wenn die anderen dieselben Sachen machen und dieselben Ziele verfolgen. Vergiss nicht: Wir werden nicht durch das Predigen gerechtfertigt (oder durch unser Wissen über Turrettini oder die Größe unserer Gemeinde oder die Note, die wir in persönlicher Evangelisation bekommen). Wir werden zu Schafen berufen, bevor wir zu Hirten berufen werden. Du bist, wer du in Christus bist. Das ist für jeden von uns besonders genug.


Kevin DeYoung

Kevin DeYoung ist Hauptpastor der „University Reformed Church“ in East Lansing (Michigan, USA). Der Text erschien zuerst auf dem Blog der Gospel Coalition (https://blogs.thegospelcoalition.org).In deutscher Sprache erschien das Buch: Gott beim Wort nehmen (Waldems: 3L Verlag, 2016).

© Gospel Coalition. Wiedergabe mit freundlicher Genehmigung.

Kevin DeYoung ist Hauptpastor der Christ Covenant Church in Matthews, North Carolina (USA), Vorstandsmitglied bei The Gospel Coalition und Assistenzprofessor für Systematische Theologie am Reformed Theological Seminary (Charlotte, USA). Er hat zahlreiche Bücher geschrieben, darunter Gott beim Wort nehmen und Leg einfach los. Kevin und seine Frau Trisha haben neun Kinder.