Von Jesus reden, ohne komisch zu wirken
Von Jesus reden, ohne komisch zu wirken – ganz ehrlich: Dieser Titel löste etwas Unbehagen in mir aus. Habe ich doch gute Gelegenheiten verstreichen lassen, in denen ich hätte von Jesus erzählen können. Dann diese mahnende Stimme im Inneren: „Du solltest doch …“
Der Autor dieses Buches, Sam Chan, beschreibt genau das: Wir verspüren oft Angst und Hilflosigkeit, wenn es darum geht, das Evangelium weiterzugeben. Deswegen gibt er dem Leser acht Evangelisations-Tipps an die Hand, die ihm helfen, von Jesus zu erzählen, ohne dieser komische Typ zu sein, bei dem die Umstehenden die Augen verdrehen und sich abwenden. Chan ist sich sicher: Nur Gott kann das Feuer senden (vgl. 1Kön 18). Er gießt seinen Geist aus. Er öffnet die Herzen der Menschen. Doch wir müssen den Altar bauen. Wir sind es, die Zeit, Erfahrungen, Geschichten, Emotionen, unsere Persönlichkeit investieren.
Freundeskreise miteinander verbinden
In seinem ersten Tipp ermutigt Chan die Leser, ihre christlichen und nichtchristlichen Freundeskreise miteinander zu verbinden. Zur Verdeutlichung dieses Prinzips ein Beispiel aus dem Buch:
„In meiner Zeit als Assistenzarzt habe ich in einer WG mit drei nichtchristlichen Assistenzärzten gelebt. Immer wenn meine christlichen Freunde aus der Gemeinde vorbeigekommen sind, haben sie nicht nur mit mir Zeit verbracht, sondern auch mit meinen nichtchristlichen Freunden. Wenn meine christlichen Freunde ins Kino gegangen sind, haben sie auch meine nichtchristlichen Mitbewohner eingeladen – und umgekehrt. Nach zwei Jahren waren unsere Freundeskreise miteinander verschmolzen. … Nach zwei Jahren haben meine drei Mitbewohner ihr Leben Christus übergeben. Sie waren Teil einer Gemeinschaft mit Gläubigen geworden.“ (S. 23)
Was war hier passiert? In der Gemeinschaft von christlichen Freunden fingen Chans nichtchristliche Freunde an, der Botschaft vom Kreuz Glauben zu schenken, und wurden schließlich ebenfalls Teil dieser Glaubensgemeinschaft.
Durch dieses und viele andere Beispiele und Erlebnisse aus Chans Leben hat sich mir Folgendes besonders eingeprägt: Verbinde deine christlichen und nichtchristlichen Freundeskreise miteinander! Wenn du das nächste Mal eine Grillparty veranstaltest, lade neben deinen christlichen Freunden auch ein paar nichtchristliche mit ein. Ermögliche es ihnen, christliche Freunde kennenzulernen und christliche Gemeinschaft zu erleben. Überhaupt benennt Chan Gastfreundschaft als das Geheimrezept der Evangelisation. Dabei muss gar nicht mit einem aufwendig konzipierten Abend aufgewartet werden – ein kurzes Treffen auf einen Kaffee kann ein geeigneter Einstieg sein, um Interessen auszutauschen und darauf in weiteren Treffen aufzubauen. Hier geht es nicht um einmalige Aktionen, sondern vielmehr um einen Lebensstil, eine Art, zu sein, Freunde einzuladen und sich von ihnen einladen zu lassen.
Das ist nämlich ein weiterer Tipp Chans: Lass dich von deinen nichtchristlichen Freunden einladen! Gehe zu ihren Geburtstagen, Spieleabenden, Grillfeiern, Konzerten. Dann gewinnst du ihr Vertrauen und sie werden deinen Einladungen viel offener gegenüberstehen. Anstatt als Bedrohung fürs Evangelium, kann eine gemeinsame Veranstaltung als Gelegenheit für das Evangelium angesehen werden. Auch Jesus aß und trank mit Nichtchristen und verbrachte Zeit mit ihnen (z.B. in Lk 7 und 19). Natürlich werden wir stellenweise Grenzen ziehen müssen, wenn „unser moralischer Kompass“ (S. 45) sich meldet. Bei manchen Treffen wird es demnach gut sein, christliche Freunde um Gebet zu bitten und ihnen Rechenschaft abzulegen, mit wem und wo wir unterwegs waren.
Wer kennt das nicht in seiner Gemeinde? Es ist eine evangelistische Veranstaltung geplant, und so wird motiviert und verständlicherweise auch erwartet, fleißig „Außenstehende“ einzuladen. Manchmal jedoch sind wir nachher enttäuscht. Es ist kaum jemand gekommen. Wenn wir allerdings immer wieder Zeit mit unseren nichtchristlichen Freunden verbringen, ist eine solche evangelistische Veranstaltung nur eine weitere Aktion, die wir gemeinsam unternehmen. Chan hat vielfach erlebt, dass seine nichtchristlichen Freunde sich viel eher einladen ließen, wenn er sich zuvor auch von ihnen einladen ließ und Zeit mit ihnen verbrachte. Diese Beispiele machen Mut!
Aktiv zuhören
Wenn wir nichtchristliche Freunde zu uns einladen, zu ihren Geburtstagen gehen, neben Fremden in der Bahn sitzen oder Nachbarn auf der Straße treffen, werden wir immer Weisheit benötigen, wenn wir mit ihnen ins Gespräch kommen. Laut Chan gibt es verschiedene Ebenen, auf denen sich ein Gespräch befindet. Das sind Interessen, Werte und Weltanschauungen. Die Unterhaltung über Interessen ist eher beschreibender Natur und lässt sich gut in eine gemeinsame Kaffeezeit integrieren. Bei einem größeren Zeitfenster wie etwa einem Abendessen, wird die Unterhaltung vielleicht schon auf eine andere Ebene übergehen. Man unterhält sich nicht nur über das, was man am Wochenende erlebt hat, sondern auch über Werte und was man so von dem ein oder anderen hält. Die Kunst besteht darin, aufmerksam zuzuhören, ob unsere nichtchristlichen Freunde Andeutungen machen, wenn sie bereit für die nächste Ebene, die der Weltanschauungen, sind. Hier können wir Stellung beziehen zu dem, was wir glauben, oder Impulsfragen stellen, wie: „Was erwartest du vom Leben?“, „Mit welcher Religion oder welchem Glauben bist du aufgewachsen?“, „Was glaubst du über Gott?“ (S. 56).
Es geht darum, unserem Gegenüber aktiv zuzuhören und ihm das auch zu zeigen, was oft bedeuten kann, ihm den größeren Redeanteil zu gewähren. Laut Chan können wir eine Art inoffizielle De-facto-Seelsorger für unsere nichtchristlichen Freunde, Arbeitskollegen oder Nachbarn werden. Es kann sein, dass sie uns in persönlichen Krisenzeiten nach Gebet oder Rat fragen. Folgende Anregungen aus Kapitel 7 finde ich sehr hilfreich. Hier werden einige Seelsorger-Eigenschaften aufgeführt, die wir uns als Christen aneignen können: Sei weise, merke dir die Namen deiner Mitmenschen, interessiere dich für das Leben deiner Mitmenschen, drücke durch freundliche Gesten Wertschätzung aus, strahle Ruhe aus und biete Gebet an.
Meinungsverschiedenheiten ertragen
Natürlich wird es früher oder später zu Meinungsverschiedenheiten kommen, denn das Evangelium wird immer ein Affront sein. Um skeptische Fragen zu beantworten, können wir unseren nichtchristlichen Freunden Geschichten erzählen. Erzählen wir ihnen, wie Christen mit Herausforderungen umgegangen sind, wie Jesus unseren Freunden begegnet ist, wie wir zum Glauben an ihn gekommen sind. Erzählen wir ihnen die vielen Geschichten aus der Bibel, in denen Jesus Menschen geholfen, verändert und befreit hat. Es sind nicht unsere Meinungen und Wertvorstellungen, die dort zum Ausdruck kommen. Nein, Jesus ist die Grundlage für unsere Überzeugungen, und wir können uns stets auf ihn berufen und den Rest in seine Hand legen.
Chan schließt mit Gedanken aus Der Schwarze Schwan. Taleb, der Autor dieses Werkes, behauptet dort, dass viele bedeutungsvolle Ereignisse nebenbei passierten und gar nicht aktiv gesucht wurden. Er plädiert dafür, die scheinbare Willkür der Ereignisse des Lebens einfach anzunehmen und auf deren Ergebnisse gespannt zu sein, in dem Wissen, nicht das zu finden, wonach man suchte, aber etwas anderes, das man nicht suchte, zu erfahren.
So verhalte es sich auch mit der Evangelisation. Manchmal gehen wir hinaus mit dem klaren Ziel, zu evangelisieren, aber es ergibt sich nichts. Stattdessen sollen wir neben unseren geplanten evangelistischen Aktivitäten einfach losgehen und „den Menschen um uns herum Jesus sein“ (S. 147 f.), dann werden sich die Gelegenheiten zur Evangelisation auf unerwartete Weise auftun.
Fazit
Mein anfängliches Unbehagen verflog zu Beginn dieser Lektüre. Chan behandelt das Thema Evangelisation mit viel Humor und Optimismus, wozu auch die vielen persönlichen Anekdoten aus seinem Leben beitragen. Das Buch mit seinen rund 150 Seiten lässt sich leicht lesen – und dank der Aufteilung in überschaubare Kapitel muss das Lesen auch nicht in einem Stück erfolgen. Allerdings ist es so interessant, informativ und hilfreich, dass ich es gar nicht weglegen wollte.
Jahrelang habe ich mich mit dem Dilemma herumgetragen, wie ich meine verschiedenen Freunde unter einen Hut bekomme. Ich wurde darin bestärkt, weiterhin Zeit mit ihnen zu verbringen, und ermutigt, meine christlichen und nichtchristlichen Freundeskreise miteinander zu verbinden. Interessanterweise hat das Buch keinen Druck und kein schlechtes Gewissen in mir ausgelöst, wie ich es bei dieser Thematik des Öfteren verspürt habe. Im Gegenteil, es bewirkte große Freude in mir, genau das zu praktizieren: hinauszugehen und gottgeschenkte Gelegenheiten zu ergreifen in froher Erwartung, dass Gott das Feuer sendet.
Wenngleich das Buch nicht sehr dick ist, so gäbe es doch noch einige Punkte, die erwähnenswert wären und die ich gern hier aufgeführt hätte. Aber alles Weitere empfehle ich wärmstens jedem Christen in einem persönlichen Exemplar nachzulesen!
Buch
Sam Chan, Von Jesus reden, ohne komisch zu wirken: Alltagsmission in einer skeptischen Welt, München: Tenet 2025, 160 Seiten, 8,90 EUR.