Für eine andere Welt gemacht

C.S. Lewis (1898–1963)

Artikel von John Piper
1. Dezember 2025 — 12 Min Lesedauer

„Clive Staples Lewis war kein Mensch: Er war eine Welt.“[1] Mit diesen Worten beschrieb Peter Kreeft den bekannten irischen Schriftsteller und Literaturwissenschaftler.

Es handelt sich um die Art von Lob, auf das man in Büchern über C.S. Lewis immer wieder stößt. Dieser Mann, so scheint es, hatte etwas Außergewöhnliches an sich. Und der Schein trügt nicht.

Was meinen eigenen Weg mit Lewis betrifft, kann ich bezeugen, dass ich nicht mehr derselbe bin, seit ich ihn – zusammen mit Jonathan Edwards, seinem reformierten Gegenstück – in meinen frühen Zwanzigern zu lesen begann. Ich sehe mich nicht als Nachahmer von Lewis. In seiner Begabung und seiner Art zu sehen, zu denken und zu empfinden, kommt ihm kaum einer gleich. In seiner Fähigkeit, die Frische und das Wunderbare der Dinge wahrzunehmen und zu verspüren, war er ein Kind; in seiner Fähigkeit hingegen, die Dinge zu beschreiben, zu verstehen und zu verteidigen, ein reifer Mann.

Ich kann also Lewis nicht nachahmen, aber ich kann ihm sehr wohl zuhören. Das tue ich seit Jahrzehnten, und was ich dabei gelernt habe, hallt fast überall in meinem Leben und meiner Arbeit wider. Sein Einfluss ist schlichtweg enorm.

Englands Stimme des Glaubens

Lewis wurde am 29. November 1898 in Belfast, Irland, geboren. Seine Mutter starb, als er neun Jahre alt war. Sein Vater blieb für den Rest seines Lebens unverheiratet. Zwischen dem Tod seiner Mutter im August 1908 und dem Herbst 1914 besuchte Lewis vier verschiedene Internate und studierte danach zweieinhalb Jahre lang bei William Kirkpatrick, den er den „großen Knock“ nannte. Dort festigte sich sein aufkeimender Atheismus und seine Denkfähigkeit wurde auf außergewöhnliche Weise verfeinert. Später beschrieb er sich selbst als siebzehnjährigen Rationalisten.

Doch gerade als sein Rationalismus seinen Höhepunkt erreichte, stieß er auf George MacDonalds Fantasy-Roman Phantastes. „In jener Nacht“, schrieb er später, „wurde in einem gewissen Sinne meine Imagination getauft“.[2] Etwas war hereingebrochen – er nannte es eine „neue Qualität“, einen „strahlenden Schatten“.[3] Der romantische Impuls seiner Kindheit war wieder erwacht, aber er erschien ihm nun real und heilig (auch wenn Lewis es damals noch nicht so beschrieben hätte).

Als er achtzehn Jahre alt war, nahm er sein Studium an der Oxford University auf, trat jedoch noch vor Studienbeginn in die Armee ein. Im Februar 1918 wurde er in Frankreich verwundet, woraufhin er zur Genesung nach England zurückkehrte. Im Januar 1919 kehrte er für sein Studium zurück nach Oxford und erwarb in den folgenden sechs Jahren drei Abschlüsse, für die er jeweils die Bestnote erhielt. Im Oktober 1925 wurde er im Alter von sechsundzwanzig Jahren zum Lehrbeauftragten ernannt.

Sechs Jahre später, im Jahr 1931, bekannte er sich zum Glauben an Jesus Christus und war von der Wahrheit des Christentums überzeugt. Innerhalb von zehn Jahren wurde er während des Zweiten Weltkriegs zur „Stimme des Glaubens“ für England, und seine Rundfunkvorträge in den Jahren 1941–1942 erlangten Klassikerstatus.[4]

In voller Blüte

Lewis befand sich nun auf dem Höhepunkt seines kreativen und apologetischen Schaffens. In seiner Blütezeit war er wahrscheinlich die weltweit führende Autorität für mittelalterliche englische Literatur und (laut einem seiner Gegner) der belesenste Mann seiner Generation.[5] Er war jedoch noch vieles mehr. Es erschienen Bücher unterschiedlichster Art: Flucht aus Puritanien, The Allegory of Love, Dienstanweisungen an einen Unterteufel und die Perelandra-Trilogie. Dann begann er 1950 mit den Chroniken von Narnia. Alle diese Titel gehörten unterschiedlichen Genres an und zeigten die erstaunliche Vielseitigkeit von Lewis als Schriftsteller, Denker und imaginativem Visionär.

Im Jahr 1947 erschien er auf der Titelseite des Time Magazine. Nach dreißig Jahren in Oxford wurde er 1955 Inhaber des Lehrstuhls für Englische Literatur des Mittelalters und der Renaissance an der University of Cambridge. Im folgenden Jahr heiratete er im Alter von siebenundfünfzig Jahren Joy Davidman. Kurz vor ihrem vierten Hochzeitstag starb sie an Krebs. Dreieinhalb Jahre später, am 22. November 1963 (zwei Wochen vor seinem 65. Geburtstag), verstarb schließlich auch Lewis.

Als Autor ist Lewis heute beliebter als zu seinen Lebzeiten. Allein die Chroniken von Narnia wurden über hundert Millionen Mal in vierzig Sprachen verkauft. Einer der Gründe für diese Beliebtheit ist – so werde ich argumentieren – der Umstand, dass Lewis in einem außergewöhnlich hohen und gesunden Maße ein „romantischer Rationalist“ war. Seine Romantik sowie sein Rationalismus waren die Wege, auf denen er zu Christus fand. Sie waren auch die Wege, auf denen er sein Leben lebte und seine Arbeit verrichtete.

Lewis als Romantiker

Das Wesen von Lewis’ Romantik liegt in seiner Erfahrung der Welt, die in ihm immer wieder das Gefühl weckte, dass es immer mehr gibt als diese geschaffene Welt – etwas anderes, das jenseits der natürlichen Welt liegt. Es handelte sich um ein Gefühl der Untröstlichkeit, das aber zugleich angenehm war; ein Hunger, „besser als jede Fülle“, und eine Armut, „besser als jeder Reichtum“.[6] Zunächst meinte er, dieses stechende Verlangen und die Sehnsucht an sich seien das, wonach es ihn verlange. Seine Bekehrung zum Theismus und dann zu Christus klärte die Lage jedoch auf und zeigte ihm, worauf all diese Sehnsucht in Wahrheit gerichtet war.

Berichte von einem fernen Land

Nachdem Gott im Frühjahr 1929 Lewis’ Atheismus überwunden hatte, blickte Lewis auf all seine romantischen Sehnsuchtserlebnisse zurück und wusste, warum dieses Verlangen etwas Untröstliches an sich hatte und dennoch angenehm war. Es war ein Verlangen nach Gott. Es war ein Beweis dafür, dass er für Gott geschaffen war:

„Die Bücher oder die Musik, in denen wir die Schönheit vermuteten, werden uns verraten, wenn wir unser Vertrauen in sie setzen; sie war nicht in ihnen, sie kam nur durch sie, und was durch sie kam, war Sehnsucht. Diese Dinge – die Schönheit und die Erinnerung an unsere eigene Vergangenheit – sind gute Bilder für das, was wir wirklich wünschen; aber wenn wir sie für die Sache selbst halten, werden sie zu stummen Götzen, die die Herzen ihrer Verehrer brechen. Denn sie sind nicht die Sache selbst; sie sind nur der Duft einer Blume, die wir noch nicht gefunden, das Echo einer Melodie, die wir noch nicht gehört, Berichte von einem fernen Land, das wir noch nie besucht haben.“[7]

Als Lewis durch Gottes Gnade erkannte, dass die Freude „ein Hinweis auf etwas anderes, Äußeres“ war (nämlich auf Gott), hörte er auf, sie zu einem Götzen zu machen.[8]

Für eine andere Welt gemacht

Über seine Beziehung zur Freude sagt Lewis: „In einem gewissen Sinn handelt die zentrale Geschichte meines Lebens von nichts anderem“.[9] Wenn man seine wiederholten Beschreibungen dieser Erfahrung von Romantik bzw. Freude in Überrascht von Freude, Flucht aus Puritanien, Über den Schmerz und „Das Gewicht der Herrlichkeit“ liest, wird einem klar, dass Lewis diese nicht als eine Eigenart seiner Persönlichkeit betrachtete, sondern als ein Merkmal seines Menschseins. In diesem Sinne sind wir alle Romantiker.

In Über den Schmerz argumentiert Lewis beispielsweise, dass selbst Menschen, die meinen, sich nie nach dem Himmel gesehnt zu haben, die Dinge nicht klar sehen:

„Es gibt Zeiten, da auch ich glaube, daß wir gar nicht nach dem Himmel verlangen. Noch häufiger aber frage ich mich, ob wir – im Innersten unseres Herzens – jemals nach etwas anderem verlangt haben … Blicke von schmerzlicher Flüchtigkeit, nie ganz erfüllte Versprechen, ein Echo, das sogleich dahinstarb, wenn es unser Ohr erreichte. Würde … aber … je ein Echo kommen, das nicht dahinsterben, sondern anschwellen würde zum vollen Ton – dann würden wir es erkennen. Weit entfernt von aller Möglichkeit eines Zweifels würden wir sagen: ‚Hier ist endlich das, wofür ich geschaffen bin.‘“[10]

In seiner eigenen Erfahrung der Romantik spiegelte sich für Lewis die universelle Erfahrung aller Menschen. Wir alle sind Romantiker. Wir alle verspüren von Zeit zu Zeit eine Sehnsucht, die diese Welt nicht stillen kann, das Gefühl, dass es noch mehr geben muss. Am bekanntesten formulierte er dies in Pardon, ich bin Christ: „Wenn wir nun in uns selbst ein Bedürfnis entdecken, das durch nichts in dieser Welt gestillt werden kann, dann können wir daraus doch schließen, daß wir für eine andere Welt erschaffen wurden.“[11]

Lewis als Rationalist

Wenden wir uns nun Lewis’ Rationalismus zu. Ich gebrauche diesen Begriff (wie auch den Begriff „Romantik“) nicht in seinem gängigen philosophischen Sinne. Ich meine damit lediglich Lewis’ tiefe Hingabe an die Vernunft: Er glaubte daran, dass es wahre Rationalität gibt und dass diese in der absoluten Rationalität – der Rationalität Gottes – verwurzelt ist.

Keine Widersprüche

Der einfachste Weg, zum Kern von Lewis’ Rationalität vorzudringen, besteht darin, zu sagen, dass er an den Satz vom Widerspruch glaubte – und dass dort, wo dieser Satz aufgegeben wird, nicht nur die Wahrheit gefährdet ist, sondern auch die Romantik und die Freude. Der Satz vom Widerspruch besagt schlicht und einfach, dass zwei widersprüchliche Aussagen nicht gleichzeitig und auf dieselbe Weise wahr sein können.

Dieses Bekenntnis zu den Grundgesetzen der Logik bzw. Rationalität führte Lewis auf philosophischem Wege zu demselben Christus, den er auf dem Weg der Romantik und Freude gefunden hatte. Auf dem romantischen Weg wurde Lewis immer wieder dazu gebracht, über die Natur hinaus nach der ultimativen Realität zu suchen – was ihn schlussendlich zu Gott in Christus führte –, weil seine Sehnsüchte nicht als Produkt dieser Welt (weg-)erklärt werden konnten. Wie kam es nun dazu, dass dasselbe durch den Gebrauch seiner Vernunft geschah?

Er betrachtete die philosophisch-wissenschaftliche Kosmologie, die in der modernen Welt entstand, und empfand sie als widersprüchlich:

„Wenn ich aber die wissenschaftliche Kosmologie für bare Münze nehme, kann ich weder den christlichen Glauben noch die Wissenschaft selbst irgendwo einordnen. Wenn unser Verstand völlig von unseren Gehirnzellen abhängt und diese von biochemischen Vorgängen und die biochemischen Vorgänge (auf lange Sicht) vom ziellosen Fluß der Atome, dann kann ich nicht verstehen, warum die Gedanken eines solchen Verstandes mehr Bedeutung haben sollten als das Rauschen des Windes in den Bäumen. Und das ist für mich die entscheidende Frage.“[12]

Mit anderen Worten: Moderne Menschen konstruieren eine Weltanschauung, in der es zwischen ihren Gedanken und dem Wind in den Bäumen keinen Unterschied gibt; gleichzeitig aber bezeichnen sie diese Gedanken als wahr. Lewis sah hier einen Widerspruch. Der atheistische Mensch nutzt seinen Verstand, um eine Weltanschauung zu schaffen, die zugleich den Gebrauch seines Verstandes untergräbt und zunichte macht.

Entweder ein Schwachsinniger oder Gott

Das ist es, was Lewis mit seinem Buchtitel Die Abschaffung des Menschen meinte. Wenn es keinen Gott als Grundlage der Logik (wie dem Satz vom Widerspruch) und als Grundlage für Werturteile (wie Gerechtigkeit und Schönheit) gibt, ist der Mensch damit abgeschafft. Sein Verstand ist nicht mehr als das Rascheln von Blättern und seine Werturteile sind nicht mehr als Wellen auf einem Teich.

Hier beschreibt er, wie ihn diese Gedanken auf den Weg der Vernunft führten und dazu brachten, das Christentum als wahr anzusehen

„Aufgrund dieser und ähnlicher Beobachtungen kommt man zwangsläufig zu der Erkenntnis, daß alles andere wahrscheinlicher ist als die landläufige wissenschaftliche Kosmologie. … Jeder philosophische Idealismus oder Theismus mußte zumindest etwas weniger falsch sein. Und es zeigte sich, daß der Idealismus, wenn man ihn ernst nahm, verkappter Theismus war. Und wenn man den Theismus annahm, mußte man sich auch dem Anspruch Christi stellen, demgegenüber man – so empfand ich es jedenfalls – keine neutrale Position beziehen kann. Entweder er war ein Schwachsinniger, oder er war Gott. Und er war kein Schwachsinniger.“[13]

Sehnsucht und Logik

Lewis kam somit einerseits auf dem Weg der Romantik (Sehnsucht) und andererseits auf dem Weg des Rationalismus (Logik) zu Christus als seinem Herrn und Gott.

Er fand Christus auf den sich kreuzenden Wegen der Romantik und des Rationalismus. Als Christ wurde er zu einem Meisterdenker und einem Meister der poetischen Ausdruckskraft in Geschichten und Essays. Das ist es, was er war, was er wusste er, und was das Ziel seines Lebens war. Er nutzte jede romantische und jede rationale Anstrengung, um den Menschen zu zeigen, wohin ihn all seine Sehnsüchte und seine Logik geführt hatten: zur Herrlichkeit Jesu Christi, dem Ziel all seiner Sehnsüchte und der Grundlage all seiner Logik.


1 Peter Kreeft, C.S. Lewis: A Critical Essay, Front Royal: Christendom College Press, 1988, S. 4.

2 C.S. Lewis, Überrascht von Freude, Giessen: Brunnen, 1994, S. 219.

3 Ebd., S. 217.

4 Vgl. Alister McGrath, C.S. Lewis – A Life: Eccentric Genius, Reluctant Prophet, Carol Stream: Tyndale House Publishers, 2013, S. 210.

5 Vgl. ebd., S. 166.

6 C.S. Lewis, The Pilgrim’s Regress, Grand Rapids: Eerdmans, S. 7.

7 C.S. Lewis, „Das Gewicht der Herrlichkeit“, S. 93–108, in: C.S. Lewis, Der innere Ring – und andere Essays, Basel und Gießen: Brunnen, 1992, S. 97.

8 Lewis, Überrascht von Freude, S. 284.

9 Ebd., S. 27–28.

10 C.S. Lewis, Über den Schmerz, Gießen: Brunnen, 1998, S. 148–149.

11 C.S. Lewis, Pardon, ich bin Christ: Meine Argumente für den Glauben, Basel und Gießen: Brunnen, 17. Taschenbuchaufl., 2004, S. 126.

12 C.S. Lewis, „Ist Theologie Dichtung?“, S. 41–58, in: C.S. Lewis, Der innere Ring – und andere Essays, Basel und Gießen: Brunnen, 1992, S. 57.

13 Ebd., S. 56.