Inwiefern ist Jesus das Brot des Lebens?
Im Johannesevangelium 6,48 finden wir das erste der sieben „Ich bin“-Worte von Jesus. Sechs dieser Aussagen enthalten ein Prädikat: Brot (vgl. Joh 6,48), Licht (vgl. Joh 8,12; 9,5), Tür (vgl. Joh 10,7.9), guter Hirte (vgl. Joh 10,11.14), Auferstehung und Leben (vgl. Joh 11,25) sowie der Weg, die Wahrheit und das Leben (vgl. Joh 14,6). Diese Worte offenbaren uns etwas über die Person und das Werk Jesu. Eines dieser sieben Worte – Johannes 8,58 – hat jedoch keine Ergänzung: „Ehe Abraham war, bin ich.“ Damit beansprucht Jesus den göttlichen Namen für sich, den Gott Mose am Dornbusch offenbarte (vgl. 2Mose 3,14). Diese absolute Aussage zeigt, dass jedes der „Ich bin“-Worte von Jesus ein Bekenntnis seiner Göttlichkeit ist. Weil die jüdischen Religionsführer nicht glaubten, dass Jesus der Messias war, hielten sie diese Aussage für blasphemisch. Also „hoben sie Steine auf, um sie auf ihn zu werfen“ (Joh 8,59). Sie verstanden sehr wohl, was Jesus über seine göttliche Natur verkündete, aber sie glaubten ihm nicht. Dieser Unglaube ist, wie das erste der „Ich bin“-Worte zeigt, keine Kleinigkeit: Jesu Worte sind eine Frage von Leben und Tod.
Im Rahmen eines längeren Gesprächs mit seinen Jüngern sagte Jesus: „Ich bin das Brot des Lebens“ (Joh 6,48). Diese Unterhaltung fand unmittelbar nach der Speisung der Fünftausend mit fünf Broten und zwei Fischen statt (vgl. Joh 6,5–14) und ereignete sich kurz vor dem Passahfest und dem Laubhüttenfest (vgl. Joh 6,4). Beide Ereignisse bilden den Rahmen, um zu verstehen, was es bedeutet, dass Jesus das Brot des Lebens ist.
Beim Laubhüttenfest erinnerten sich die Israeliten daran, wie Gott sie in der Wüste versorgt hatte, nachdem sie aus der Sklaverei in Ägypten befreit worden waren. Die Wüste war kein freundlicher Ort – sie bot weder Nahrung noch Wasser, keinen Schatten am Tag und kein Licht in der Nacht. Dennoch erwies sich der Herr der ganzen Erde auf ihrer Reise durch diese Einöde als großzügiger Gastgeber. Er erfüllte all ihre Bedürfnisse aus seinem herrlichen Reichtum in Christus Jesus (vgl. Phil 4,19; 1Kor 10,1–4). Eines der ersten Wunder seiner Versorgung war das tägliche Brot. Als sie dieses Brot zum ersten Mal sahen, wussten sie nicht, was es war, also nannten sie es Manna. Psalm 78,23–25 erinnert an die Güte Gottes:
„Und doch hatte er den Wolken droben geboten und die Türen des Himmels geöffnet; und hatte Manna auf sie regnen lassen zum Essen und ihnen Himmelskorn gegeben. Der Mensch aß das Brot der Starken; er sandte ihnen Speise, bis sie satt waren.“
In Johannes 6 fordern die Juden, dass Jesus sich durch ein Wunder beweist, wie Mose es getan hatte, indem er ihren Vätern Manna gab. Jesus korrigiert sie und erklärt, dass es nicht Mose war, der ihnen das Manna gegeben hatte, sondern sein Vater. Er macht deutlich, dass er selbst das wahre Brot vom Himmel sei, das die Seele nährt. Das Manna war eine gute Gabe Gottes, die die Israeliten vierzig Jahre lang nährte, bevor sie das gelobte Land betraten. Aber diejenigen, die das Manna aßen, starben. Jesus sagte: „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der hat ewiges Leben“ (Joh 6,54).
Als Jesus die Fünftausend speiste, tat er also dasselbe, was Gott in den Tagen des Mose getan hatte: Er zeigte sich als der Herr, der versorgt. Doch als die Menschen ihn wieder suchten, machte er ihnen klar, dass sie von falschen Motiven geleitet waren. Sie suchten vergängliches Brot für den Bauch. Stattdessen sollten sie nach Brot für das ewige Leben streben. Dann erklärte Jesus: „Ich bin das Brot des Lebens.“
Die Rede vom Brot, vom Essen seines Fleisches und Trinken seines Blutes verweist deutlich auf Jesu Menschsein. An Jesus zu glauben bedeutet, das Opfer seines menschlichen Lebens anzunehmen. Dennoch sprechen die „Ich bin“-Worte auch von seiner göttlichen Natur. Wir empfangen ihn also nicht nur durch den Glauben an sein Opfer, sondern auch durch den Glauben an sein ewiges göttliches Leben. Essen ist ein treffendes Bild für den rettenden Glauben: Was man isst, gelangt ins Innere, nährt und stärkt. Im Gegensatz zur Nahrung für den Körper wird das Leben Christi im Gläubigen jedoch nicht aufgebraucht. Sein ewiges Leben erhält das auf Gott ausgerichtete Leben – für immer.