Sind die Produktivitätsversprechen der KI die Risiken für Pastoren wert?

Artikel von Benjamin Eggen
14. November 2025 — 7 Min Lesedauer

Mein Freund Alexandre ist Pastor in Togo. Er schreibt seine Predigten nicht auf einem Computer, sondern von Hand. Er studiert die Bibel nicht online, sondern verwendet eine analoge Konkordanz. Er nutzt keine Bibel-Software, um Kommentare zu lesen, sondern setzt auf die paar, die in seinem Bücherregal zu finden sind.

Verpasst Alexandre etwas Entscheidendes für seinen Dienst als Pastor?

Die Versprechen der künstlichen Intelligenz

Als ich das erste Mal von künstlicher Intelligenz hörte, war mein Interesse geweckt. Ich wuchs mit dem Internet auf, ich liebe Technologie und halte immer Ausschau nach Wegen, wie ich produktiver sein kann. KI schien das perfekte Werkzeug zu sein.

Als Pastor einer Gemeinde mit einer überschaubaren Mitgliederanzahl hoffte ich, KI für einige alltägliche Aufgaben einsetzen zu können. Vielleicht bist du in einer ähnlichen Situation: Zusätzlich zu deinen pastoralen Verantwortlichkeiten musst du dich um verschiedene administrative Belange wie das Drucken von Mitteilungsblättern oder die Planung der Kinderbetreuungsdienste kümmern. Ist es möglich, KI für solche Aufgaben zu nutzen?

Nun ja … irgendwie schon! KI kann zum Beispiel eine Liste der ersten Donnerstage eines Monats erstellen, an denen wir jeweils unsere Gebetstreffen haben. Sie kann Daten aus einem Formular ziehen, das Gemeindemitglieder ausgefüllt haben. Sie kann Dateien organisieren und Statistiken erstellen. In gewisser Hinsicht kann KI als digitaler Assistent verwendet werden. Das klingt vielversprechend, oder?

Trotz der Vorteile, die KI-Technologien für diese administrativen Dinge bieten, bin ich heute nicht mehr so begeistert davon. Das hat vor allem zwei Gründe.

Das ethische Dilemma

Wenn ich darüber nachdenke, wie mich KI in meiner pastoralen Arbeit unterstützen kann, tauchen zu viele ethische Fragen für mich auf. Schließlich ist die Erstellung von Formularen etwas ganz anderes als das Verfassen einer Predigt. Hinsichtlich rein administrativer Aufgaben sind sich die meisten wohl einig, dass sich KI sinnvoll einsetzen lässt. Andererseits sollte künstliche Intelligenz nicht den Pastorendienst einer Gemeinde übernehmen.

Das Problem ist, dass administrative Aufgaben und pastorale Verantwortlichkeiten nicht immer klar unterscheidbar sind. Sollten Pastoren KI nutzen, um E-Mails an Gemeindemitglieder zu schreiben oder Anwendungen für ihre Predigt zu finden? Würde das bedeuten, dass Aufgaben, für die ein Pastor vor Gott verantwortlich ist, teilweise oder vollständig an die KI abgegeben werden? Hinzu kommt: Wer ist für die KI-Inhalte verantwortlich – ich oder das dahinterstehende Unternehmen? Und kann dieses Unternehmen überhaupt zur Rechenschaft gezogen werden für etwas, das die KI als Antwort auf meine Eingabe erzeugt hat? Fragen wie diese machen mich sehr skeptisch, inwieweit KI mich bei meinen pastoralen Aufgaben unterstützen kann.

Der Prozess ist wichtig

Der zweite Grund für meine inzwischen geringe Begeisterung für KI: Sie macht die Dinge zu einfach. KI liefert mir Antworten, ohne dass ich selbst etwas dafür tun muss. Manche würden das vielleicht als maximale Effizienz bezeichnen. Das ist der Grund, warum sie KI als revolutionäres Tool feiern. Nur das Ziel zählt. Es ist nicht wichtig, wie ich dieses erreicht habe. KI kann beispielsweise selbst aus den undurchsichtigsten Passagen der Bibel passende Beispiele für deine nächste Predigt erstellen. Du musst deshalb nie über deine eigenen Erlebnisse nachdenken, um gute Illustrationen und Beispiele für theoretische Konzepte zu finden. Das Ergebnis: sofortige Zeitersparnis! Das ist aber noch nicht alles. KI kann auch große Teile eines Kommentars von deinem verstorbenen Lieblingstheologen in Sekundenschnelle zusammenfassen. Das Beste daran? Du musst das Buch nicht einmal lesen. Das hat die KI für dich übernommen.

Es stimmt, dass jede Technologie dazu da ist, uns effizienter zu machen. Und doch funktioniert KI mit ihrer maximalen Effizienz etwas anders als beispielsweise dein Laptop oder eine gewöhnliche Suchmaschine. KI arbeitet autonom oder nahezu autonom, und mit Autonomie geht Abhängigkeit einher. Wenn es beispielsweise um das Verfassen von Predigten geht, lockt KI viele Pastoren damit, dass sie einen Großteil der Auslegung, Veranschaulichung oder Anwendung der Predigtpassage übernimmt, wie es dein Textverarbeitungsprogramm und deine Bibel niemals tun könnten. Aber eine solche Nutzung führt mit der Zeit zur Verkümmerung deiner Fähigkeit, Gottes Wort auszulegen, zu veranschaulichen oder auf deine Gemeinde anzuwenden. Du wirst abhängig von der KI, um die Arbeit zu erledigen, die du als Pastor deiner Gemeinde eigentlich selbst erledigen solltest. Dieses Problem ist spezifisch für die KI.

Ein weiteres Problem ist die Unfähigkeit der KI, zwischen unproduktiven und produktiven Arbeiten zu unterscheiden. Dass du die Bibelstelle für deine bevorstehende Predigt auslegst und darüber meditierst, dient nicht nur dazu, deine Gedanken aufs Papier zu bringen. Auslegen und Nachdenken kommen vielmehr dem geistlichen Wachstum zugute – und zwar nicht nur deinem eigenen, sondern auch dem deiner Gemeinde. Du siehst also, dass für die Arbeit eines Pastors oft der Prozess und das Ergebnis gleichermaßen wichtig sind. Der Prozess macht uns zu dem, wer wir sind, und prägt unser Wissen, unser Herz und unseren Charakter. Es handelt sich um schmerzhafte, aber produktive Arbeit, und sie ist notwendig, um uns zu besseren Pastoren zu machen. KI spart dir vielleicht Zeit, aber sie wird dich etwas viel Wertvolleres kosten: deine Fähigkeit, der Pastor zu sein, den deine Gemeinde braucht. KI macht dich vielleicht effizienter, aber sie kann dich nicht gottesfürchtiger machen.

Frag dich selbst: Was würde ich verpassen, wenn ich während meiner gesamten Tätigkeit als Pastor die KI verwenden würde, um Predigtstellen Woche für Woche auszulegen? Welches geistliche Wachstum würde ich persönlich opfern, wenn ich der KI meine Verantwortung übertrage, über Gottes Wort zu meditieren und es auf meine Gemeinde anzuwenden?

Wie sieht es mit den Versprechen der KI aus?

Diese Warnung ist schwer zu verdauen, wenn KI überall sonst als das A und O angepriesen wird. Könnten wir eine Chance für die Verbreitung des Evangeliums verpassen? Schließlich sagen die KI-Experten, dass wir besser auf den Zug aufspringen sollten, um nicht von ihm überrollt zu werden.

Lieber Pastor, wir müssen uns daran erinnern, dass KI nichts tun kann, um die größten Probleme der Menschheit zu lösen. Menschen sind noch immer Sünder und die Welt ist noch immer unter Gottes Zorn. KI verbessert vielleicht unser Wohlbefinden, aber sie kann keine Herzen verändern. Gott hingegen kann Herzen verändern, und das tut er durch sein Wort. Rate mal, wessen Job es ist, sein Wort zu verkünden? Unserer. Lass dich also als Botschafter von Gottes Wort nicht von der KI ersetzen.

Schon vor dem Aufkommen von künstlicher Intelligenz baute Gott seine Gemeinde durch sein gepredigtes Wort und wird dies auch weiterhin tun, wenn die KI längst Geschichte ist. Daher sollten wir ohne Scheu die Vorstellung ablehnen, dass die Verbreitung des Evangeliums von diesem Moment an immer von einer KI abhängig sein wird. Jesus hat sein Geheimnis bereits offenbart: Wartet auf den verheißenen Heiligen Geist und beginnt dann, Zeugnis abzulegen (vgl. Apg 1,4–5.8).

KI in die richtige Schublade stecken

Kehren wir zurück zu meinem Freund Alexandre, dem als Pastor seiner Gemeinde wenige bis gar keine technischen Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Zu Beginn dieses Artikels fragte ich, ob er etwas verpasse. Ich glaube nicht. Er ist der Beweis dafür, dass Laptops, das Internet und Bibel-Software an der richtigen Stelle zwar nützliche, aber nicht unverzichtbare Werkzeuge sind. Sein Gemeindedienst ist im Wesentlichen identisch mit deinem und meinem.

Sei dankbar für Technologie, aber glaube nicht, dass sie deine Aufgabe als Pastor grundlegend verändern kann. Pastoren müssen nicht an vorderster Front des technologischen Fortschritts stehen. Es ist vielleicht sogar noch zu früh, um zu wissen, wie ein gesunder Umgang mit KI überhaupt aussehen könnte. Probiere ruhig aus, wie gut sie als technisches Hilfsmittel ist. Widme aber den größten Teil deiner Zeit dafür, Gottes Wort zu studieren – so lange, bis du es kennst und liebst. Erst dann kannst du es zum geistlichen Wohl deiner Gemeinde verkündigen.