Elberfelder Bibel Studienausgabe
Im November 2009 habe ich, aufgeregt wie ein kleines Kind, meine ESV Study Bible (ESVSB) ausgepackt. Bestellt hatte ich das dicke Buch, weil es sich in Nordamerika in Windeseile verbreitet hatte. Die erste Auflage war ausverkauft, noch bevor die Druckerei die 100.000 Exemplare überhaupt liefern konnte. Bereits sechs Monate nach Erstveröffentlichung hatte der Verlag Crossway 300.000 Exemplare gedruckt.
Jetzt halte ich die deutschsprachige Ausgabe der ESVSB mit 2690 Seiten in den Händen und bin fast so aufgeregt wie damals. Die Herausgeber, der SCM R. Brockhaus und die Christliche Verlagsgesellschaft, haben das Werk – etwas umständlich – ELBERFELDER BIBEL: Die große Studien- und Kommentarausgabe „getauft“. Weil es knackiger klingt, spreche ich nachfolgend von der ELB-Studienbibel (ELBSB). Angeboten werden zwei wertige Ausgaben. Die Standardausgabe mit Kunstledereinband kostet 130 Euro, die Echtlederausgabe mit Goldschnitt satte 180 Euro. Das ist jeweils eine Menge Geld. Lohnt sich die Investition? Ich will nicht um den heißen Brei herumreden. Es lohnt sich! Nachfolgend sechs Argumente:
(1) Die ELBSB verbindet eine sehr genaue deutsche Bibelübersetzung (Elberfelder Bibel, Ausgabe 2006) mit fachlich hochwertigen Erläuterungen. Genau das wünscht man sich von einer Studienbibel.
(2) Wie die englische Ausgabe ist auch die deutsche Ausgabe wunderschön gestaltet. Das Schriftbild ist hervorragend lesbar und die 200 Tabellen sowie die 240 Karten und Illustrationen sind brillant gestaltet. Man merkt, dass sich die deutschen Herausgeber an das „Exzellenzbekenntnis“ von Crossway gehalten haben: „Die Absicht und Vision der großen Studien- und Kommentarausgabe der ELBERFELDER BIBEL besteht in erster Linie darin, Gott, dem Herrn, die Ehre zu geben: 1. durch die einmalige Qualität, Schönheit und Genauigkeit in Inhalt und Aufmachung und 2. durch das Bestreben, Menschen zu einem tieferen Verständnis der Bibel, des Evangeliums und der Person Jesu Christi als ihrem Herrn und Erlöser zu verhelfen“ (S. VII).

(3) Die rund 20.000 Erläuterungen zu den Bibelversen wurden von 95 international geschätzten Theologen wie J.I. Packer, Wayne Grudem, Thomas Schreiner, Simon Gathercole, Peter Williams, Robert Yarbrough oder Daniel Wallace verfasst. Die Anmerkungen sind aussagekräftig formuliert und exegetisch sowie theologisch fundiert.
(4) Zusätzlich zu den Anmerkungen gibt es hilfreiche Einführungen zu jedem Buch der Bibel. Erörtert finden die Leser dort Entstehungszeit und -ort, die Hauptthematik, wichtige Einzelthemen, die heilsgeschichtliche Bedeutung, herausstechende literarische Merkmale sowie Absicht und Hintergrund. Häufig gehören auch eine Zeittafel und eine Karte dazu. Immer ist die Gliederung des jeweiligen Buches enthalten.
(5) Die ELBSB enthält außerdem rund siebzig weiterführende Artikel zu den verschiedensten Themen (die Artikel zu Homosexualität und zur Todesstrafe fehlen in der deutschen Ausgabe). Dabei sind systematisch-theologische Beiträge etwa zum Wesen Gottes, zur Gemeinde oder auch zu den letzten Dingen (Eschatologie). Auch ethische, archäologische oder hermeneutische Themen werden behandelt. Wer kurze, aber inhaltlich gehaltvolle Abhandlungen zu Themenkreisen wie „Die Apokryphen“, „Die Septuaginta“ oder „Wie das Neue Testament das Alte Testament zitiert und interpretiert“ lesen möchte, wird hier fündig.
(6) Die Studienbibel vertritt schließlich eine klassisch-konservative Theologie in der Tradition der protestantischen Reformation. Die Herausgeber schreiben dazu (S. VIII):
„Die Erklärungen wurden in der Überzeugung geschrieben, dass die Bibel vollkommen wahr ist. Bei Textstellen, in denen es angeblich Irrtümer oder Widersprüche gibt, werden mögliche Lösungen angeboten. Manchmal werden in den Erklärungen auch Auslegungen erwähnt, die nicht mit der klassischen evangelikalen Lehrmeinung übereinstimmen, um darzulegen, wie und warum solche Ansichten im Widerspruch zur Bibel stehen. Im Rahmen der reformatorischen Theologie im Allgemeinen orientieren sich die Verfasser zuweilen an deren reformierter Ausprägung, die in den USA, der Schweiz und den Niederlanden verbreiteter ist als in Deutschland.“
In den Leserhinweisen grenzen sich Herausgeber der deutschen Ausgabe in einigen Punkten von der reformierten Ausrichtung der Originalausgabe ab. Erwähnt werden explizit Punkte wie „Erwählung“, „Eschatologie und Prophetie“, „Hermeneutik“, „Israel“ und die „Rolle der Frau“.
In der heute kontrovers diskutierten „Frauenfrage“ vertritt die ELB-Studienbibel zwar ein komplementäres Verständnis (im Sinne, dass Mann und Frau sich ergänzen und die Lehrverantwortung in den Gemeinden den Ältesten oder Hirten vorbehalten ist). Allerdings bleibt in den Erläuterungen zu 1. Timotheus 2,12 offen, ob Frauen außerhalb der Gemeinde Führungspositionen innehaben sollten (vgl. S. 2272). Das scheint einigen Mitarbeitern der deutschen Ausgabe eine zu zeitgeistige Sichtweise zu sein (vgl. S. VII).
Trotz dieser behutsamen Distanzierungen von der reformierten Ausprägung wurden die Anmerkungen und Kommentierungen akkurat übersetzt, insoweit ich das bisher sehen konnte. Ich habe einige Bibelstellen zur Frage der Erwählung überprüft. Die gesichteten Stellen sind durchweg sorgfältig übertragen worden. Zu 1. Petrus 1,2, wo steht, dass die Fremdlinge in der Diaspora „nach der Vorkenntnis Gottes, des Vaters“ auserwählt sind, heißt es zum Beispiel: „Sie sind Gottes Volk infolge seiner Vorkenntnis. Dies bezieht sich nicht nur darauf, dass Gott im Voraus wusste, dass sie ihm gehören würden, sondern bedeutet auch, dass er seine Zuneigung schon im Vorhinein auf sie gerichtet und sie dazu vorherbestimmt hat, ihm zu gehören (vgl. Röm 8,29)“ (S. 2353).
Verweisen möchte ich noch auf das großartige Kartenmaterial im Anhang. Die Abbildungen sind so auserlesen und informativ gestaltet, dass ich mir schon den gesamten Crossway ESV Bible Atlas (2010) in deutscher Ausgabe herbeiwünsche. David Barrett von biblemapper.com, der die Karten für die ESVSB entwickelt hat, gehört zu den Herausgebern des ESV Bible Atlas. Am Ende der Studienbibel sind im Übrigen weitere nützliche Anhänge zu finden, etwa Tabellen zu den biblischen Maßen, Gewichten und Währungen oder zwei Bibellesepläne.
Was noch wichtig ist: In den Hinweisen für Leser steht eine Bemerkung, die ganz allgemein für den Umgang mit Studienbibeln von Bedeutung ist: Beim Lesen sollte stets der Bibeltext im Vordergrund stehen. Die Erklärungen und Zusatzmaterialien haben einen „dienenden Charakter“. Sie sollten hinzugezogen werden, nachdem der jeweilige Bibeltext gelesen und bedacht worden ist (vgl. S. VII).
Wir haben also eine neue Studienbibel in deutscher Sprache. Und zwar nicht irgendeine, sondern eine, die sich in den letzten siebzehn Jahren einen exzellenten Ruf erarbeitet hat. Ich danke den Verlagen für ihren Mut, ein solches Mammutprojekt in Angriff genommen zu haben, und wünsche der Bibel eine weite Verbreitung. Meine ESVSB ist inzwischen in die Jahre gekommen und ziemlich abgegriffen. Ich werde jetzt auf die ELBSB umsteigen.
Buch
Elberfelder Bibel. Die große Studien- und Kommentarausgabe, SCM R. Brockhaus und CV Dillenburg 2025, 130,00 €.