Freunde und Geliebte fürs Leben
„Ich möchte niemals heiraten, sondern für immer nur die Geliebte sein. Das ist viel romantischer.“ In diese Richtung ging ein Zitat, das ich vor einigen Jahren in einer Boulevard-Zeitschrift las. Ich legte die Zeitschrift weg, aber das Zitat ließ mich nicht ganz los. Stimmt das? Schließen sich Ehepartner- und Geliebtesein per se aus? Ist die Ehe tatsächlich ein Romantikkiller?
„Wir haben uns auseinandergelebt“, „Ich liebe ihn/sie einfach nicht mehr“, „Vielleicht ist es besser, dass wir uns trennen. Wir sind einfach nicht mehr glücklich zusammen.“ Solche Aussagen scheinen das Zitat zu bestätigen. Wer kennt nicht solche Aussagen, selbst unter Christen? Und vielleicht haben wir sogar selbst manchmal mit solchen Gedanken zu kämpfen?
Joel Beekes Rezept: 123 Seiten gegen die Ehe-Routine
Was können wir dagegen tun? Wie können wir unsere Ehen so führen, dass sie tatsächlich bis zum Lebensende nicht nur halten, sondern auch schön und leidenschaftlich bleiben? Eine biblische Antwort darauf möchte dieses vorliegende Buch von Joel Beeke, Pastor und Theologieprofessor in den USA, geben. „Dieses Buch soll dir helfen, die Liebe in deiner Ehe durch Gottes Gnade wieder neu zu entfachen. Falls deine Ehe noch immer Feuer und Flamme ist, hoffe ich, dass das Buch dir hilft, noch heißer und heller zu brennen“ (S. 14), heißt es im Vorwort.
Joel Beeke schrieb dieses kompakte, 123 Seiten lange Buch im Jahre 2012, als er und seine Frau bereits 25 Jahre verheiratet sind und drei erwachsene Kinder haben. Im April 2025 erschien es nun im Herold-Verlag erstmals auf Deutsch. Das Buch möchte die biblische Theologie von Ehe nicht in aller Ausführlichkeit erklären. Vielmehr ist es ein sehr praktisches, biblisch fundiertes Buch für Verheiratete oder Pärchen, die sich auf die Ehe vorbereiten möchten.
Zurück zu Gottes Blueprint: Evangelium erneuert Beziehungen
Freundschaft und sexuelle Intimität. Auf diese zwei Aspekte einer Ehe konzentriert sich Beeke in seinem Buch. Bevor Beeke sich jedoch der Praxis widmet, erklärt er in den ersten Kapiteln kurz und prägnant, warum das Evangelium eine so wichtige Rolle für die Ehe spielt. Er legt dar, wie Gottes wunderschöner „Blueprint“ der Ehe in der Schöpfungsgeschichte durch den Sündenfall zerstört wurde und wie unser ganzes Leben – unter anderem unsere Ehen – allein durch die Erlösung durch Jesus Christus wieder heilen können. Beeke möchte zeigen, dass durch die Beziehung mit Jesus auch unsere Ehebeziehungen wieder so hell leuchten können, wie Gott es sich zu Beginn erdacht hat: Ehen, die Gottes Herrlichkeit widerspiegeln.
Sehr deutlich konzentriert sich Beeke nach dem Vorwort auf die zwei Themen, die sich auch im Buchtitel wiederfinden: Eheleute sollen für immer sowohl Freunde als auch Geliebte füreinander sein. Mit anderen Worten steht er mit wehenden Fahnen dafür ein, dass die freundschaftliche Beziehung und die sexuelle Intimität und Leidenschaft bei Eheleuten durch die Kraft des Evangeliums immer weiter wachsen.
Er gliedert sein Buch daher vorrangig in diese zwei Hauptteile: 1) Die Ehe als Beziehung und 2) Sexuelle Intimität in der Ehe. Zum ersten Teil gibt es drei längere Unterthemen, zum zweiten Teil 10 kürzere. Im Folgenden möchte ich einige Aspekte, die mich besonders ansprachen, hervorheben und kommentieren.
Mehr als Mitbewohner: Seelische Freundschaft kultivieren
Freundschaft ist für Beeke die Grundlage einer guten Ehe. Freundschaft heißt Gemeinschaft. Als Ebenbilder Gottes sind wir dazu aufgerufen, etwas von der engen, tiefen und liebenden Gemeinschaft zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist in unserer Ehe widerzuspiegeln. Doch das ist kein Selbstläufer. Besonders realistisch zeigt Beeke, wie schnell es passiert, dass Eheleute einander als
„etwas Selbstverständliches ansehen. Jeder beginnt, schwierige Situationen und Verantwortung allein und auf seine eigene Weise zu meistern, sei es zu Hause, auf der Arbeit oder im Umgang mit den Kindern. … Und bevor sie sich versehen, wachen sie sechs Jahre später auf und fragen sich: Kenne ich eigentlich den Menschen noch, der da neben mir im Bett liegt?“ (S. 28)
Beeke beschreibt hier das typische Szenario des seelischen Auseinanderlebens. Ein Phänomen, das wahrscheinlich besonders uns Menschen in den modernen Industrieländern stark betrifft, insbesondere wenn man Kinder hat. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass es Tage gibt, an denen mein Mann und ich uns kaum sehen oder sprechen – oder nur, um Terminabsprachen oder Aufgaben zu klären. Abends sind wir zu müde, um noch lang zu reden. Wann schaffen wir es aber, etwas gemeinsam und nicht nur nebeneinander zu tun? Wie oft schauen wir unserem Ehepartner aufmerksam ins Gesicht und fragen, wie es ihm wirklich geht? Was beschäftigt ihn? Was macht ihm gerade Freude oder Sorgen? Was tut Gott gerade in seinem Leben? Für all das braucht es Zeit füreinander, sonst zerbricht die Freundschaft.
Beeke gibt wertvolle Anregungen, um die seelische und geistliche Freundschaft in der Ehe zu kultivieren. Persönlich ermutigte mich vor allem der Abschnitt darüber, wie wichtig das gemeinsame Gebet ist. Ich möchte diese Zeiten noch mehr wertschätzen, pflegen und hochhalten. Außerdem wurde ich erneut daran erinnert, wie wichtig es ist, meine Kritik auf gute Weise zu formulieren, die meinen Mann auch wertschätzt.
Leidenschaft, die bleibt: Intimität als Gottesdienst
In diesem Kapitel spricht Beeke über die Schönheit des ehelichen Sex. Es geht ihm dabei nicht um anatomische Erklärungen und Tipps zum Liebesspiel, sondern darum, dass Ehepaare wirklich ein Leben lang leidenschaftlich gern miteinander schlafen. Hier mag es einem frisch verliebten Pärchen nahezu absurd vorkommen, dass man jemals nicht gern Sex haben würde. Aber Beeke weiß, wovon er redet. Es gibt viele Gründe, warum sich die sexuelle Intimität als herausfordernder erweist, als man dachte. Sex fängt im Kopf an. Darum geht Beeke vor allem auf falsche und ungesunde Gedanken und Einstellungen ein, z.B. die Annahme, Sex sei etwas Unreines, Schuldgefühle oder Sex als Waffe. Beekes Ratschläge mögen für die heutige Welt manchmal etwas „altbacken“ oder sogar kontrovers klingen, wie z.B. Sex als Gehorsamsakt oder sein Kapitel zur Vermehrung. Auch ich musste an einigen Stellen erst einmal überlegen, ob man das heute wirklich noch so sehen und sagen darf. Man merkt, dass Beeke versucht, einfühlsam auf die meisten hypothetischen Einwände seiner Leser einzugehen und zu differenzieren. Neben der Schrift kommen hier auch einige Puritaner zu Wort. Aufgrund der Kürze des Buches kann ich mir dennoch vorstellen, dass bei manchen Lesern noch mehr Redebedarf besteht. Das Buch könnte also als gute Grundlage für weitere Gespräche dienen.
Insgesamt vermittelt Beeke ein sehr positives Bild von Sex – ein Bild, das nicht dem einer gebrochenen Welt entspricht, sondern viel größer ist. Immer wieder betont er, dass Sex ein Geschenk für uns ist, das wir mit unserem Ehepartner dankbar genießen und dabei Gott ehren dürfen. Er ermutigt und fordert sogar dazu auf, Jesus konkret darum zu bitten, sich in unserem Sexleben zu verherrlichen.
Wer jetzt denkt, Beeke würde Ehe und Sex vielleicht ein Fünkchen zu sehr glorifizieren, oder wer sich fragt: „Was ist, wenn ich trotz aller Bemühungen nicht diese große Freude in meiner Ehe erfahre?“, dem sei getrost gesagt: Bei aller Begeisterung macht Beeke durchweg klar, dass auch diese Dinge nur vergängliche Geschenke sind und allein die Beziehung zu Jesus Christus ewig besteht und erfüllt. Er ist und bleibt unsere größte Liebe.
17 Jahre Ehe später: Persönliche Reflexion und Empfehlung
Joel Beeke schreibt in seinem Anhang, dass sein Buch uns als ein Spiegel dienen soll, um zu prüfen, wie es um uns und unsere Ehe steht, und entsprechend daran zu arbeiten. Genau das hat es auch bei mir gemacht. Mein Mann und ich gaben uns vor 18 Jahren das Ja-Wort. Hätte man uns vor ca. 17 Jahren dieses Buch in die Hand gedrückt, hätte ich es wahrscheinlich kurz durchgescannt und gedacht: „Ja, kenne ich alles schon. Das ist alles klar!“ Inzwischen weiß ich aber, dass vieles von dem, was in diesem Buch so klar und fast schon banal klingt, mit den Jahren wirklich sehr schwierig umzusetzen sein kann. Darum bin ich dankbar für diese kleine Lektüre. Wir brauchen immer wieder Gottes Geist und Wort, die uns erinnern, erweichen und korrigieren, so wie Beeke es in seinem Buch tut. Viele Punkte, die er in seinem Buch anführt, haben mich erinnert und ermutigt, einige Dinge in meiner Ehe bewusster zu kultivieren.
Eine große Stärke des Buches liegt meiner Meinung nach in der Kompaktheit und dem Fokus auf die zwei Hauptpunkte Freundschaft und Leidenschaft. Wer in diese beiden Punkte investiert, beugt einer Ehekrise nicht nur ausgezeichnet vor, sondern verherrlicht wirklich Gott damit. Und darum soll es letztlich in unserem ganzen Leben gehen.
Ich kann dieses Buch daher wärmstens allen Paaren empfehlen, die sich nach mehr Liebe und Leidenschaft in ihrer Ehe sehnen und bereit sind, von Jesus zu lernen.
Buch
Joel Beeke, Freunde und Geliebte fürs Leben: Ein biblischer Leitfaden für tiefere Freundschaft und Leidenschaft in der Ehe, Leun: Herold, 2025, 123 Seiten, 9,90 EUR.