Der Himmel hat nur einen Promi

Ein Traum von den Toren des Paradieses

Artikel von Natalie Brand
23. Oktober 2025 — 10 Min Lesedauer
Am 21.–22. November findet in Werther die Frauenkonferenz 2025 statt. Das Thema der Konferenz lautet „Ladies, wir sind Theologen – Gott lieben lernen mit Kopf, Herz und Hand“. Wir freuen uns, Natalie Brand als Hauptrednerin dabei zu haben. Die Konferenz ist ausgebucht, es wird ein Livestream angeboten.

Nachdem ich dem Mann mit dem riesigen, alten Buch in den Händen meinen Namen genannt habe, frage ich den anderen – den Torwächter –, wo es hier zum VIP-Bereich geht. Er schaut mich leer an. „Wohin gehen die Ehrengäste?“

„Hier gibt’s nur drei“, murmelt er.

Ich frage nach meinem Backstage-Pass. Dieselbe leere Miene. Ich hake nach: „Wenigstens ein Namensschild?“

„Es gibt nur einen Namen, der hier zählt.“

Es scheint ihn kaum zu kümmern, als ich ihn frage, woher die Leute wissen sollen, wer ich bin. Dann wird mir klar, dass das hier wohl keine besonders gut organisierte Angelegenheit ist. Ich wende mich wieder dem ersten Mann zu, der weiter in dem Buch sucht, das er wie eine Feder hält, und wiederhole meinen Nachnamen.

Er nimmt die Augen nicht von den Seiten. „Die Liste ist nicht alphabetisch sortiert.“

„Verzeihung!“ Die Unterbrechung kommt von meinem Taxifahrer, der sich inzwischen dazugesellt hat, um sein Glück zu versuchen. „Herr Georg Weber aus München“, stammelt er.

Im selben Augenblick kommt die Antwort: „Ja, wir haben Sie hier, Herr Weber. Gehen Sie rein.“

Mir klappt die Kinnlade herunter. Mein Taxifahrer nimmt seine Mütze runter und drückt sie an seine Brust. Mit Tränen in den Augen geht er an mir vorbei und verschwindet um die Ecke.

Zwei verschiedene Berühmtheiten

Der Torwächter schaut mich etwas mitleidig an. „Kannst du mich nicht einfach hineinlassen?“, bitte ich ihn. „Ich bin auf der Erde ziemlich bekannt … in den richtigen evangelikalen Kreisen natürlich.“

„Ruhm in diesem Land und Ruhm auf der Erde sind zwei ganz verschiedene Dinge.“[1]

„Okay. Dann bring mich einfach an einen Ort, an dem ich ein weiteres Feld nützlicher Betätigung finden kann für meine Gaben, die Gott mir verliehen hat.“[2]

Er schüttelt den Kopf. „So läuft es nicht. Du wirst hier überhaupt nicht gebraucht.“

„Nicht gebraucht?“ Ich schlucke.

„Gewollt, ja. Aber nicht gebraucht. Es gibt keine große Bühne für deine Gaben. Nur Vergebung dafür, dass du sie verkehrt eingesetzt hast.“[3]

Ich schrecke zurück vor Schock. „Verkehrt eingesetzt?“ Ich suche nach einer Spur von Erleichterung in seinem Gesicht. Seine Augen sind klein, aber kristallklar blau – wie Quellen der Weisheit.

Er erwidert meinen Blick. „Als du anfingst, hattest du echte Sorge um Seelen. Langsam, aber sicher, hast du gelernt, wie du eine Reaktion hervorrufen kannst – sogar Applaus. Mit der Zeit hast du das Evangelium dann voll ausgebeutet, hast den Namen Jesus Christus als Mittel benutzt und als Ware, um deine eigene Beliebtheit zu steigern.“

Ich verteidige mich. „Nein! Ich habe für das Evangelium gearbeitet. Tag ein, Tag aus. Ich bin viele Kilometer gereist, habe mit Menschen diskutiert und Vorträge gehalten, bis ich heiser war. Ich habe mich von einem Meeting zum nächsten geschleppt. Ich bin ausgebrannt. Im Dienst habe ich gegeben, gegeben, gegeben!“

„Ja, du hast hart gearbeitet! Du hast kaum am Boden vor dem Kreuz geruht. Stattdessen hast du für soziale Medien, Podcasts, Bücher und Konferenzen wie am Fließband produziert, um deine Abonnenten und Leser zu erhalten, um weiter Einladungen zu bekommen und um deinen Ruf zu bewahren. Warst du in all dem dabei wirklich so anders als die, von denen Paulus schreibt – die aus eigennützigen Motiven das Evangelium predigen (vgl. Phil 1,15–17)? Du hast zwar immer den Namen Christi erwähnt, aber vor allem dich selbst in den Mittelpunkt gestellt. Sicherlich gab es auch Funken von Aufrichtigkeit.“

Seine Hand ruht auf meiner Schulter. „Ich sage dir das, damit du es verstehst, bevor du durch das Tor gehst: ‚Es gibt keinen Himmel mit ein bisschen Hölle darin. Wir können nicht dieses oder jenes vom Teufel in unseren Herzen oder Geldbeuteln behalten. Satan muss raus, jedes Haar und jedes Federchen.‘[4] Dieses Land kann und wird keine Selbstanbetung tolerieren.“

Leer eingetreten

Seine Worte sind wie Pfeile. Der Schmerz ist schrecklich, aber ich empfinde keine Wut. Nur die schockierende Erkenntnis, dass alles, was er sagt, wahr ist. Ich sehe mich nun selbst, wie ich auf der Erde war. Ich ging mit einer kleinen Kiste herum, die als tragbare Bühne diente. Jetzt sehe ich, wie mein Herz oft auf dieser kleinen Kiste stand, viel über Jesus sprach, und doch immer wieder meinen eigenen Namen einfügte.

Ich werde richtig rot. Ach! Meine Selbstvermarktung füllte nicht nur eine einzelne Straße voller Menschen. Durch die globale Vernetzung hallte meine verzweifelte Selbstdarstellung weltweit durch alle Feeds. Meine Bühne, meine kleine Kiste, war aus Apps, Programmen und Computercode gefertigt.

„Du bist nicht allein“, sagt er weiter. „Viele sehnen sich auch trotz Treue in der Stille nach Anerkennung und werden zur Bitterkeit verführt, wenn sie nicht kommt.[5] Du wolltest Ruhm, und das war richtig und natürlich. Das menschliche Leben ist auf Ruhm ausgerichtet. Aber nicht für sich selbst. Da bist du falsch abgebogen. Der Ruhm gehört dem einen Namen. Nicht einmal der Sohn hat sich selbst verherrlicht (vgl. Joh 8,54). Wie konntest du also Ruhm für dich selbst suchen? Jetzt aber wirst du es sehen. Jemand hat einmal gesagt, dass der wahre Kern all dessen, wonach wir auf der Erde – selbst in unseren fehlgeleiteten Wünschen – wirklich gesucht haben, hier in dem ‚Land hoch oben‘[6] jenseits aller Vorstellungen auf uns warten wird.

Ich knie und weine. Verzweiflung zerreißt mein Herz. Dann ruft er plötzlich: „Hier ist er! Dein Name! Er war einer der letzten. Du darfst jetzt eintreten!“

Erleichterung durchströmt mich. „Danke! Danke!“ Froh, mich selbst wieder zu spüren, stehe ich auf und sammle meine Sachen. Die Wächter schauen mich verwundert an.

„Die müssen Sie hierlassen.“

„Aber was ist mit meinen Büchern? Sind sie hier nicht nützlich?“

„Nein.“

„Kann ich meine Zeugnisse und Urkunden nicht mitnehmen? Ich habe sie schön einrahmen lassen. Was ist mit meinen Roben? Meinen Titeln? Meinen Abonnenten? Meinen Auszeichnungen?“ Ich zeige sie wie Trophäen her.

Der Torwächter schüttelt den Kopf. „Man kann nicht alles Gepäck auf alle Reisen mitnehmen. Auf dieser Reise musst du vielleicht sogar deine rechte Hand und dein rechtes Auge zurücklassen.[7] Willst du etwa wie der Mann sein, der jahrelang den Ort suchte, an dem sein Name in diesem Land erklingt? Er hat den Ort nie gefunden, denn hier erklingt nur ein Name. Der Mann war am Boden zerstört, als er merkte, dass all seine irdischen Anstrengungen vergeblich waren. Er war einer, der sagte: ‚Herr, Herr, haben wir nicht in deinem Namen geweissagt und in deinem Namen Dämonen ausgetrieben und in deinem Namen viele Wundertaten vollbracht?‘ Die Antwort war: ‚Ich habe euch nie gekannt‘ (Mt 7,22–23). Dieser Mann war bitter enttäuscht.“ Die Augen des Torwächters glühen. „Sei nicht dieser Mann!“

Ich nicke stumm, voller Angst. Und ich trete ein. Mit leeren Händen.

Eine Stimme heißt mich willkommen: „Komm und sieh! Er ist endlos. Komm und nähre dich!“[8]

Torwächter

Ich sehe Licht. So viel Licht. Aber es ist anders als das Licht auf der Erde – es ist die reine Essenz. Und die schönste Musik – Musik, für die meine Ohren gemacht wurden. Und die Strophen – sein Name. Ich gehe, folge der Musik zu ihrer Quelle. Dem Zentrum dieses neuen Landes.

Vor mir tauchen Türen auf, und eine Frau verweilt dort, fast unsichtbar. Sie verbeugt sich und grüßt mich. „Ich bin eine Torwächterin. Ich stehe hier an der Tür vor den Vorhöfen des Herrn.“

Wenn Neid in diesem Land möglich wäre, würde ich ihn spüren. John Milton sah ihre freudigen Mühen voraus, als er schrieb:

„Tausende eilen auf sein Gebot über Land und Meer ohne Rast: Auch sie dienen, die nur stehen und warten.“[9]

Es ist eine Seele, die sich nach den Vorhöfen des Herrn sehnt und danach dürstet (vgl. Ps 84,3). Sie wartet nahe der Herrlichkeit – unsichtbar, verweilend in der Gegenwart. Sie ist wie die bescheidene Schwalbe, die nah am Thron nistet.

Ich bin überwältigt. Es gibt hier keine evangelikalen Promis, nur Torwächter. Das erfüllt mich mit Reue. Ach, hätte mein Herz doch mehr dem der Psalmisten geglichen! „Ich will lieber an der Schwelle im Haus meines Gottes stehen, als wohnen in den Zelten der Gottlosen!“ (Ps 84,11). Ich wohnte in den „Zelten der Gottlosen“, denn mein Herz war darauf bedacht, mein eigenes königliches Zelt aufzuschlagen. Ich bedaure, dass mir die Demut Spurgeons fehlte: „Wenn er mich als Türhüter in seinem Haus lassen würde, würde ich ihn gern für seine Gnade segnen, dass ich irgendetwas in seinem Dienst tun darf.“[10]

Meine eigene Unverständigkeit überrascht mich. Wenn meine Ewigkeit darin bestehen soll, Gott auf einem Thron aus Jaspis und Karneol zu bestaunen und unaufhörlich seinen Ruhm, seine Heiligkeit und Würdigkeit zu verkünden – warum um alles in der Welt habe ich dann Gewohnheiten gepflegt, die dem entgegenstehen? Warum habe ich mein Herz in der kurzen Spanne meines Lebens nicht darin geübt, ein Torwächter zu sein? „Wohl dem, den du erwählst und zu dir nahen lässt, dass er wohne in deinen Vorhöfen! Wir werden uns sättigen von den Gütern deines Hauses, deines heiligen Tempels!“ (Ps 65,5).

Ich zögere nicht, ich trete ein. Doch dann … Wie so oft bei Träumen wache ich im spannendsten Moment auf! Ich erwache aber mit einem neuen Entschluss: für das höchste Ziel meines Daseins zu leben. Mein Herz darin zu üben, ein Torwächter zu sein. Mich nach der Herrlichkeit und Gegenwart des Einen zu sehnen.


1 Vgl. C.S. Lewis, Die grosse Scheidung, oder: Zwischen Himmel und Hölle, Einsiedeln, Freiburg: Johannes, 9. Aufl., 1996, S. 115. Wie Lewis selbst zu Beginn des Buches schrieb: „Ich bitte den Leser, zu bedenken, daß dies eine Phantasie ist. Natürlich hat sie – das ist jedenfalls beabsichtigt – eine Moral“ (siehe Vorwort S. 9).

2 Vgl. Lewis, Die grosse Scheidung, S. 47–48.

3 Vgl. Lewis, Die grosse Scheidung, S. 48.

4 Lewis schreibt dieses Zitat George MacDonald zu (Hervorhebung hinzugefügt). Die Autorin bezieht sich vermutlich auf ein Epigraph im englischen Original von The Great Divorce.

5 Siehe Derek J. Brown, „Pastor, Build His Platform, Not Yours“, The Gospel Coalition, 2. Dezember 2019, online unter: https://www.thegospelcoalition.org/article/pastor-build-his-platform-not-yours/ (Stand: 08.10.2025).

6 Lewis, Die grosse Scheidung, S. 8.

7 Vgl. Lewis, Die grosse Scheidung, S. 7.

8 Lewis, Die grosse Scheidung, S. 87.

9 John Milton, When I Consider How My Light Is Spent, online unter: https://www.poetryfoundation.org/poems/44750/sonnet-19-when-i-consider-how-my-light-is-spent (Stand: 14.10.2025).

10 C.H. Spurgeon, Morning & Evening, Morning Reading (September 10th), online unter: https://www.blueletterbible.org/devotionals/me/view.cfm?doy=254&Time=am (Stand: 14.10.2025).