Herrlichkeit
Vom Zustand der Gläubigen in der Ewigkeit
Die christliche Lehre vom ewigen Zustand der Erlösten ist verwurzelt in dem Konzept der göttlichen Herrlichkeit, an der sein auserwähltes Volk in Ewigkeit teilhaben wird. Herrlichkeit ist kein göttliches Attribut wie Heiligkeit, sondern der Zustand, in dem Gott ist und wie er von anderen wahrgenommen wird. Das biblische Bild der Herrlichkeit Gottes leitet sich üblicherweise von den Ritualen an den Herrscherhöfen des Altertums ab, an denen Monarchen häufig in großer Pracht eingesetzt wurden und teilweise sogar selbst als Götter angesehen wurden. Die Autoren der Bibel bedienen sich dieser Analogie, stellen dabei aber unmissverständlich klar, dass die Herrlichkeit – oder Ehre – des Herrn unvergleichbar größer ist als alles, was auf der Erde zu sehen ist. Die Himmel selbst erzählen die Ehre Gottes (vgl. Ps 19,1), und die Erde ist nur der Schemel seines himmlischen Throns (vgl. Jes 66,1).
Die Herrlichkeit Gottes steht auch im scharfen Kontrast zu den bescheidenen Lebensumständen des Menschen. Dabei ist der Unterschied zwischen seinem und unserem Zustand von zweierlei Art. Zum einen ist da der Unterschied zwischen dem Schöpfer und seinen Geschöpfen, einer Kluft, die keine menschliche Anstrengung überwinden kann. Zum anderen ist da der Unterschied, der aufgrund der menschlichen Sünde entstanden ist, die die Herrlichkeit von uns als Gottes Bild beschädigt hat und durch die wir ihm weniger ähnlich sind als vor dem Sündenfall. In die Herrlichkeit Gottes zu kommen, ist dementsprechend ein zweistufiger Prozess. Zunächst muss der von der Sünde verursachte Schaden überwunden werden, um dann von der materiellen Welt in die Auferstehungswelt verwandelt zu werden. Die beiden Stufen sind klar voneinander getrennt und erfolgen niemals gleichzeitig, auch wenn sie möglicherweise zeitlich nicht weit auseinanderliegen. So sagt zum Beispiel Jesus zum Schächer am Kreuz, dass sie am selben Tag noch gemeinsam im Paradies sein werden. Trotzdem bezieht sich das Versprechen an den Verbrecher noch immer auf einen zukünftigen Zeitpunkt, auch wenn dieser nur wenige Stunden entfernt ist (vgl. Lk 23,43).
Kurz vor seiner Kreuzigung betet Jesus, dass sein Vater seine Herrlichkeit wiederherstellen möge, an der er gemeinsam mit Gott vor seiner Menschwerdung teilhatte. Das ist ein Beweis dafür, dass das Leben auf der Erde ein Verlassen der Herrlichkeit bedeutet, selbst dann, wenn keinerlei Sünde im Spiel ist (vgl. Joh 17,1–5). Im selben Abschnitt sagt Jesus, dass er den Vater auf der Erde verherrlicht hat – das kann nur bedeuten, dass er seinen Vater so offenbart hat, wie er wirklich ist. Diese Auslegung wird unterstützt durch die Aussage des Johannes, dass durch die Menschwerdung Jesu die Jünger die Herrlichkeit Gottes in ihm sahen (vgl. Joh 1,14). Herrlichkeit ist somit eine geistliche Eigenschaft, die nicht von materiellen Dingen wie einem menschlichen Körper bestimmt oder eingeschränkt wird. Materielle Dinge können sogar zu einem Mittel zur Offenbarung der Herrlichkeit werden – wenn derjenige mit geistlicher Erkenntnis gesegnet ist – anstatt zu etwas, das die Herrlichkeit für das Auge verdeckt.
Dass Gottes Herrlichkeit im menschlichen Körper zu sehen ist, wird durch die Verklärung von Jesus demonstriert, bei der Petrus, Jakobus und Johannes Jesu göttliches Wesen zu sehen bekommen (vgl. Mt 17,1–8; Mk 9,2–8; Lk 9,28–36). Es ist nicht klar, inwieweit die Verklärung die ewige Herrlichkeit Gottes widerspiegelt, aber sie kann uns einen Eindruck davon vermitteln, wie das Leben im Himmel aussehen wird, denn neben Jesus und in Gemeinschaft mit ihm – jedoch nicht mit den Jüngern – stehen die berühmten Figuren Mose und Elia als Symbol für das Gesetz und die Propheten. Sie waren Teil seiner Herrlichkeit und hatten an ihr Anteil, was uns einen gewissen Hinweis darauf gibt, welchen erhabenen Zustand wir genießen werden, wenn wir uns im neuen Himmel und auf der neuen Erde zu ihnen gesellen werden.
Verwandlung
Die erste Stufe der Verherrlichung der erlösten Menschheit ist ein Prozess der Verwandlung, der für uns in 1. Korinther 15,35–58 skizziert wird. Paulus beschreibt den zukünftigen Zustand als ein Sterben und Auferstehen zu einem neuen Leben. Es gibt keinen anderen Abschnitt, in dem er so genau erklärt, was das bedeutet. Wir erfahren, dass der irdische Körper, den wir jetzt haben, sterben wird und dass wir mit einem geistlichen Körper auferstehen werden, der nicht den zeitlichen Gesetzen der menschlichen Natur unterworfen sein wird. Es ist unklar, ob dieser Körper wie derjenige sein wird, den Jesus nach seiner Auferstehung hatte – der auf eine Art so materiell war, dass er essen und berührt werden konnte, und gleichzeitig geistlich genug, um unbemerkt zu erscheinen und zu verschwinden. Es erscheint wahrscheinlicher, dass unsere geistlichen Körper eine weitere Stufe durchlaufen haben werden, die durch die Himmelfahrt Christi verdeutlicht wird. Anders gesagt: Es wird nichts mehr von unserem aktuellen irdischen Zustand in uns verbleiben, sondern alles an uns wird auf eine höhere geistliche Ebene erhoben worden sein, die vergleichbar ist mit der der Engel. Der stichhaltigste Beweis, den wir dafür haben, ist die Aussage Jesu, dass es in der Auferstehung keine Ehe geben wird. Damit deutet er an, dass das zeitliche menschliche Verlangen und seine zeitlichen Bedürfnisse verschwinden werden (vgl. Mt 22,30). Hinzu kommt die Zusage, dass irdischer Schmerz weggewischt werden wird (vgl. Offb 21,4), was wahrscheinlich bedeutet, dass unsere verwandelten geistlichen Körper immun gegen die Dinge sein werden, die uns jetzt plagen.
Es ist wichtig, diese Verwandlung anzuerkennen. Sie erinnert uns daran, dass der Zustand der Verherrlichung des Himmels keine Rückkehr zum Garten Eden sein wird. Das wird symbolisiert durch die Aussage, dass der Baum des Lebens, der zuvor im Garten stand, dann inmitten des Neuen Jerusalems stehen wird (vgl. Offb 22,2). Die Umstände, die die Versuchung und den Fall Adam und Evas ermöglicht hatten, werden nicht mehr existieren, sodass die Gläubigen sicher sein können, dass sie nie wieder verführt oder erneut abfallen werden. Es wird einen neuen Himmel und eine neue Erde geben, eine vollständig verwandelte Umgebung, in der die Erlösten zur vollen Entfaltung kommen können.
Es ist nicht ganz eindeutig, ob auch menschliche Errungenschaften aus diesem Leben weiterhin eine Rolle spielen werden. Die Frage stellt sich, da das Bild des verherrlichten Universums das einer himmlischen Stadt ist und Städte menschengemacht sind. So scheint es schlüssig, dass, wenn Gott den Menschen auf die Erde gestellt hat, um ihr Potential zu entwickeln, die Früchte dieser Arbeit auch im Himmel zu sehen sein werden – aber das ist zugegebenermaßen Spekulation. Wir können auch keine Aussage darüber treffen, wie wir in der Ewigkeit aussehen werden. Werden wir beispielsweise einander erkennen? Werden wir so alt aussehen wie zu unserem Todeszeitpunkt oder wird das Alter keine Bedeutung haben? Wenn dem so ist, werden andere wissen, wer wir sind? Diese Fragen und andere wie diese sind unmöglich zu beantworten, jedoch wissen wir, dass eine direkte Kontinuität bestehen wird zwischen dem, wer wir in diesem Leben sind, und der Person, die wir im nächsten sein werden. Das muss so sein, da sonst die Rettung keine Bedeutung hätte. Wenn ich als eine andere Person zurückkehren würde, könnte ich kaum behaupten, dass ich die Person bin, die gerettet wurde!
Im Zusammenhang damit gibt es einige Fragen, die gelegentlich gestellt werden, die jedoch äußerst schwierig zu beantworten sind. Es ist anzunehmen, dass der geistliche Körper, den wir erhalten werden, endlich ist. Wo wird er sich jedoch befinden? Ist der Himmel ein definierbarer Ort? Wenn Gott unendlich ist, wird der Abstand zwischen seinem Sein und dem unseren überwunden oder werden wir ihn als genauso unsichtbar vorfinden, wie wir das zurzeit tun? Wird die Herrlichkeit, die uns gegeben wird, in irgendeiner Weise mit seiner vergleichbar sein oder wird sie anders definiert und verstanden werden müssen? Wir begeben uns damit in einen Bereich, der jenseits unseres derzeitigen Verständnisses liegt und wir müssen sehr vorsichtig sein, wenn wir versuchen, Aussagen darüber zu treffen. Die Bibel greift häufig auf Symbolik zurück, insbesondere im Buch der Offenbarung, und unvorsichtige Leser neigen dazu, diese wörtlich zu verstehen oder auf sentimentale Weise auszulegen, die mit der Realität wenig zu tun hat. Was auch immer der Himmel ist – es ist so gut wie sicher, dass er kein Ort ist, an dem Cherubim in der Gestalt dicker Babys auf Harfen spielen, auch wenn er auf noch so vielen Gemälden so dargestellt wird.
Der verherrlichte Zustand
Für Christen wird das Leben im Himmel die Erfüllung des Lebens auf der Erde sein, zunächst in einem sogenannten Zwischenzustand – vom Tod bis zur Auferstehung – und dann in einem endgültigen bzw. ewigen oder verherrlichten Zustand – dem Leben der Auferstehung. Wir erhalten dann das, was uns jetzt verheißen wird. Im Zentrum dieser Verheißung stehen eine engere Gemeinschaft mit Gott und bessere Möglichkeiten, ihn zu preisen, als wir diese zurzeit haben. In der Gegenwart Christi werden wir neben dem himmlischen Thron sitzen und mit ihm als Herrscher und Richter der Welt eingesetzt sein. Das bedeutet nicht, dass wir unabhängig handeln werden, sondern dass wir so eng mit Gott in Christus vereint sein werden, dass wir seine Gedanken teilen und seinen Willen ausführen werden; so, wie es ursprünglich für uns vorgesehen war. Wir werden zu allem werden, zu dem Adam und Eva berufen waren – und noch mehr.
Verherrlichung muss vor allem als die uns zugeteilte Ehre verstanden werden, die uns in unserem verwandelten ewigen Zustand gegeben werden wird. Diese Ehre wird uns vor Sünde und Abfall schützen und sicherstellen, dass wir keine Schmerzen erleiden werden wie hier auf der Erde. Diejenigen, die für ihren Glauben gelitten haben und gestorben sind, erhalten angemessene Anerkennung, aber es ist schwer zu sagen, wie das praktisch aussehen wird. Jesus lehrt seine Jünger, dass diejenigen, die in der elften Stunde in den Weingarten kommen, die gleiche Belohnung erhalten werden wie diejenigen, die dort den ganzen Tag gearbeitet haben (vgl. Mt 20,1–16). Wenn das für den Himmel gilt, gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass die Belohnung einer Hierarchie folgt, die den einen Gläubigen größer macht als den anderen.
Was sicher ist, ist, dass in unserer Erfahrung der Herrlichkeit die Anbetung Gottes zentral sein wird. Die Bibel erzählt von Menschenmengen, die um seinen Thron herum versammelt sind und ihn loben. Es ist dabei jedoch unmöglich zu sagen, ob das alles ist, was wir tun werden. Möglicherweise werden wir viele verschiedene Aufgaben haben. In diesem Fall werden sie sich allerdings alle auszeichnen durch eine Wahrnehmung der Gegenwart Gottes und ein Bewusstsein, dass wir mit allem, was wir tun, ihn anbeten und ihm danken. Wir wissen, dass wir im ewigen Licht leben werden, aber wir erfahren auch, dass dieses Licht nicht von der Sonne oder vom Mond kommen wird, den einzigen Quellen natürlichen Lichts, die wir jetzt kennen, sondern von der Herrlichkeit Gottes, die alle unsere Bedürfnisse stillen wird (vgl. Offb 21,23). Das erlaubt die Schlussfolgerung, dass unsere Herrlichkeit eine Fortführung und ein Spiegel von Gottes Herrlichkeit sein wird und getrennt davon undenkbar wäre. Wie es der Apostel Paulus schreibt: Gott wird „alles in allen“ (1Kor 15,28) sein und unser Leben wird in seinem eingefasst sein. Die genauen Einzelheiten übersteigen unser jetziges Verständnis, aber wir haben die Gewissheit, dass, wenn die Zeit kommt, kein Bedauern da sein wird und wir uns nicht zurücksehnen werden nach der unvollkommenen Existenz, die dann hinter uns liegt.
Weiterführende Literatur
- Christopher Morgan et al., Heaven, Wheaton, IL: Crossway, 2014.
- David Cooper, Man: his Creation, Fall, Redemption and Glorification, Biblical Research Society, 1950.
- George Beiderwieden, Heaven, Concordia Publishing House, 1961.
- J. C. Ryle, „Heaven“, Bible Bulletin Board, 1986, online unter: https://www.biblebb.com/files/ryle/heaven.htm (Stand: 24.07.2025).
- Marcus Peter Johnson, One with Christ. An Evangelical Theology of Salvation, Wheaton, IL: Crossway, 2013.
- Randy Alcorn, Heaven, Carol Stream: Tyndale House Publishers, 2009.