Herzenswünsche eines Puritaners
Aus dem Leben von John Owen (1616–1683)
Manch einer von uns steht auf den Schultern von Männern, die wiederum auf den Schultern von John Owen gestanden haben. So haben beispielsweise J.I. Packer, Roger Nicole und Sinclair Ferguson, drei zeitgenössische Säulen meines persönlichen Verständnisses, öffentlich bezeugt, dass John Owen der christliche Schriftsteller mit dem größten Einfluss in ihrem Leben ist. Das ist umso erstaunlicher, da dieser Mann vor über 300 Jahren lebte und in einem Stil schrieb, der so schwer zu lesen ist, dass sogar er selbst seine Werke zu seiner eigenen Zeit als äußerst anspruchsvoll empfand.
Im Vorwort zu seinem Buch Der Tod des Todes im Tod von Christus tut Owen etwas, was kein guter Marketingagent heute zulassen würde. Er beginnt wie folgt:
„LESER, ... Wenn du, wie viele in diesem scheinheiligen Zeitalter, ein Zeichen- oder Titelgucker bist und dich mit Büchern beschäftigst wie Cato mit dem Theater, um dann wieder zu gehen – du hast deine Unterhaltung gehabt; leb wohl!“[1]
Dennoch verabschiedeten sich J.I. Packer, Roger Nicole und Sinclair Ferguson nicht von Owen. Sie blieben. Und sie lernten. Und heute sagen alle drei, dass kein christlicher Schriftsteller einen größeren Einfluss auf sie gehabt hat als John Owen.
Die Entstehung eines Puritaners
Owen wurde 1616 in England geboren, im selben Jahr, in dem Shakespeare starb, und vier Jahre vor dem Aufbruch der Pilgerväter nach Neuengland. Das Jahr war praktisch die Mitte des großen puritanischen Jahrhunderts, das etwa von 1560 bis 1660 eingeteilt wird. Owen wurde mitten in dieser Bewegung geboren und wurde ihr größter Pastor und Theologe, da die Bewegung fast zeitgleich mit seinem Tod im Jahr 1683 endete.
1642 begann der Bürgerkrieg zwischen dem Parlament und König Charles II. Owen, damals Kaplan, sympathisierte mit dem Parlament gegen den König und Bischof Laud, weshalb er aus seinem Amt als Kaplan verdrängt wurde und nach London zog, wo in den nächsten vier Jahren mehrere wichtige Ereignisse stattfanden, die den Rest seines Lebens prägten.
Bekehrung
Das erste wichtige Ereignis war seine Bekehrung – oder möglicherweise das Erwachen der Gewissheit der Erlösung und die Vertiefung seiner persönlichen Gemeinschaft mit Gott. Owen war ein überzeugter Calvinist mit großem theologischen Wissen, aber ihm fehlte die Gewissheit seiner eigenen Erlösung.
Als Owen 26 Jahre alt war, ging er mit seinem Cousin in die St. Mary's Church Aldermanbury, um den berühmten Presbyterianer Edmund Calamy zu hören. Aber es stellte sich heraus, dass Calamy nicht predigen konnte, und ein Landprediger nahm seinen Platz ein. Owens Cousin wollte gehen, aber Owen fühlte sich durch irgendetwas auf seinem Platz festgehalten. Der einfache Prediger wählte Matthäus 8,26 als Text: „Was seid ihr so furchtsam, ihr Kleingläubigen?“ Es war Gottes bestimmtes Wort und Gottes bestimmte Zeit für Owens Erweckung.
Seine Zweifel, Ängste und Sorgen, ob er wirklich durch den Heiligen Geist wiedergeboren worden war, waren verschwunden. Er fühlte sich befreit und als Sohn Gottes angenommen. Wenn man Owens eindringliche, praktische Werke über das Wirken des Heiligen Geistes und das Wesen der wahren Gemeinschaft mit Gott liest, fällt es schwer, an der Realität dessen zu zweifeln, was Gott an jenem Sonntag im Jahr 1642 tat.
Familiensituation
Das zweite entscheidende Ereignis in diesen frühen Jahren in London war Owens Heirat mit einer jungen Frau namens Mary Rooke. Er war 31 Jahre lang mit ihr verheiratet (von 1644 bis 1675). Wir wissen so gut wie nichts über ihre Person, aber uns ist eine Tatsache bekannt, die Owens gesamtes Wirken für den Rest seines Lebens geprägt haben muss: Wir wissen, dass sie ihm elf Kinder gebar, von denen alle bis auf eins im Kindesalter starben, und die einzige Tochter, die die Kindheit überlebte, starb als junge Erwachsene. Das bedeutet, dass Owen in seinem Erwachsenenleben durchschnittlich alle drei Jahre ein Kind verlor.
In all seinen Büchern finden wir keinen einzigen Hinweis auf Mary oder die Kinder oder seinen Schmerz. Aber allein die Tatsache, dass dieser Mann den größten Teil seines Lebens im Tal des Todesschattens wandelte, gibt mir einen Hinweis auf die Tiefe seiner Beziehung zu Gott, die wir in seinen Werken finden. Gott hat seine seltsamen und schmerzhaften Wege, seine Diener zu den Pastoren und Theologen zu machen, die er haben möchte.
Politischer Einfluss
Das dritte Ereignis dieser frühen Jahre in London war eine Einladung im Jahr 1646, vor dem Parlament zu sprechen. Damals gab es im Lauf des Jahres Fastentage, an denen die Regierung bestimmte Pastoren bat, vor dem Unterhaus zu predigen. Das war eine große Ehre. Diese Botschaft katapultierte Owen für die nächsten 14 Jahre in die Politik hinein.
Und nicht nur das: Cromwell ernannte Owen 1651 zum Dekan des Christ Church College in Oxford und im folgenden Jahr auch zum Vizekanzler. Von da an war er neun Jahre lang in Oxford tätig, bis im Jahr 1660 König Charles II. zurückkehrte und es für die Puritaner sehr schwierig wurde.
Ständig studierend, ständig schreibend
Trotz all des administrativen Drucks und der Feindseligkeiten, die ihm aufgrund seines Engagements für die Frömmigkeit und die puritanische Sache entgegengebracht wurden, studierte und schrieb er unermüdlich – wahrscheinlich bis spät in die Nacht –, statt zu schlafen. Die dogmatische Treue zur Heiligen Schrift lag ihm sehr am Herzen.
Während dieser Jahre in der Verwaltung schrieb er 22 veröffentlichte Werke, darunter Von der Abtötung der Sünde (1656), Of Communion with God (1657; bisher keine deutsche Übersetzung) und Of Temptation: The Nature and Power of It (1658; bisher keine deutsche Übersetzung). Das Bemerkenswerte an diesen Büchern ist, dass sie sehr persönlich und an vielen Stellen sehr liebenswert sind. Owen kämpfte also nicht nur doktrinäre Kämpfe – er kämpfte gegen Sünde und Versuchung. Und er kämpfte nicht nur – er pflegte eine herzliche Gemeinschaft mit Gott.
Flüchtig bis zum Lebensende
Owen wurde 1660 von seinen Aufgaben als Dekan entbunden, nachdem er bereits 1657 das Amt des Vizekanzlers niedergelegt hatte. Cromwell war 1658 gestorben. Die Monarchie unter Charles II. war zurückgekehrt. Das Uniformitätsgesetz von 1662, das 2.000 Puritaner aus ihren Ämtern vertrieb, stand kurz bevor. Die großen politischen und akademischen Tage der letzten 14 Jahre waren vorüber. Von 1660 bis zu seinem Tod im Jahr 1683 war John Owen eine Art flüchtiger Pastor in London.
Aufgrund der politischen Lage konnte er nicht immer an einem Ort bei seinen Leuten bleiben, aber er schien sie auch dann in seinem Herzen zu tragen, wenn er unterwegs war. Gegen Ende seines Lebens schrieb er an seine Herde:
„Obwohl ich körperlich nicht bei euch bin, bin ich in Gedanken, Zuneigung und Geist bei euch und in euren Versammlungen; denn ich hoffe, dass ihr am Tag des Herrn meine Krone und meine Freude sein werdet.“
Das Ziel: Heiligkeit
Lasst uns nun einen Schritt zurücktreten und versuchen, dem Kern dessen näherzukommen, was diesen Mann antrieb und groß machte. Ich denke, die Worte, die uns das Herz und das Ziel seines Lebens am besten vermitteln, finden sich im Vorwort zu dem kleinen Buch Von der Abtötung der Sünde:
„Ich hoffe, ich kann aufrichtig sagen, dass mein Herzenswunsch gegenüber Gott und das Hauptziel meines Lebens darin bestehen, dass die Abtötung und allgemeine Heiligkeit in meinem eigenen Herzen und in den Herzen und Wegen anderer gefördert werden, zur Ehre Gottes, damit das Evangelium unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus in allen Dingen verherrlicht werde.“
Abtötung bedeutet Kampf gegen unsere eigene Sünde mit dem Ziel, sie zu töten. John Owen paraphrasierte diese Wahrheit in dem denkwürdigen Satz: „Töte die Sünde, sonst tötet sie dich.“
Owens persönliche Heiligkeit und öffentliche Fruchtbarkeit fielen ihm nicht einfach so in den Schoß. Er strebte danach. Es gab Strategien der persönlichen Disziplinierung und öffentlichen Authentizität, die Gott benutzte, um ihn zu dem zu machen, was er schließlich war. In unserem ganzen Leben und Dienst, wenn wir uns um Menschen kümmern und für den Glauben kämpfen, können wir viel von Owens Streben nach Heiligkeit im Privaten und in der Öffentlichkeit lernen.
Gemeinschaft mit Gott
Es ist unglaublich, dass Owen trotz der Belastungen seines Lebens weiterhin Bücher schrieb, die sowohl gewichtig als auch erbaulich waren. Andrew Thomson, einer seiner Biographen, schrieb:
„Es ist interessant, die zahlreichen Belege dafür zu finden, [die sein Werk über die Abtötung liefert], dass er inmitten des Lärms theologischer Kontroversen, der fesselnden und verwirrenden Aktivitäten einer hohen öffentlichen Position und der kühlen Atmosphäre einer Universität dennoch in der Nähe Gottes lebte und wie Jakob inmitten der Steine der Wildnis einen geheimen Umgang mit dem Ewigen und Unsichtbaren pflegte.“[2]
In einem Brief, den Owen 1674 während einer Krankheit schrieb, sagte er zu einem Freund:
„Christus ist unser bester Freund und wird bald unser einziger Freund sein. Ich bete Gott von ganzem Herzen an, dass ich alles andere leid sein möge außer dem Gespräch und der Gemeinschaft mit ihm.“[3]
Gott nutzte die Krankheit und alle anderen Belastungen in Owens Leben, um ihn in die Gemeinschaft mit Gott zu treiben und nicht davon weg.
Erst glauben, dann predigen
Ein großes Hindernis für die Heiligkeit im Dienst des Wortes ist, dass wir dazu neigen, zu predigen und zu schreiben, ohne uns mit dem, was wir sagen, auseinanderzusetzen und es für unsere eigene Seele wahr werden zu lassen. Im Lauf der Jahre fallen uns die Worte immer leichter, und wir stellen fest, dass wir über Geheimnisse sprechen können, ohne Ehrfurcht zu empfinden; wir können über Reinheit sprechen, ohne uns rein zu fühlen; wir können über Eifer sprechen, ohne geistliche Leidenschaft zu empfinden; wir können über Gottes Heiligkeit sprechen, ohne zu zittern; wir können über Sünde sprechen, ohne Trauer zu empfinden; wir können über den Himmel sprechen, ohne Sehnsucht zu empfinden. Das Ergebnis ist eine zunehmende Verhärtung des geistlichen Lebens.
Owen war in dieser Hinsicht von folgender Überzeugung beherrscht:
„Ein Mensch predigt diese Predigt nur dann gut vor anderen, wenn er sie selbst in seiner eigenen Seele predigt. Und wer sich nicht von der Nahrung ernährt und gedeiht, die er anderen bereitstellt, wird sie ihnen kaum schmackhaft machen können; ja, er weiß nicht, ob die Nahrung, die er bereitgestellt hat, nicht Gift ist, es sei denn, er hat sie selbst wirklich gekostet. Wenn das Wort nicht mit Kraft in uns wohnt, wird es nicht mit Kraft von uns ausgehen.“[4]
Es war diese Überzeugung, die Owen in seinem immens gefüllten öffentlichen Leben voller Kontroversen und Konflikte aufrecht hielt. Wann immer er sich vornahm, eine Wahrheit zu verteidigen, versuchte er zunächst, diese Wahrheit tief in sein Herz aufzunehmen und eine echte geistliche Erfahrung damit zu machen, damit es in der Betrachtung keine Künstlichkeit und keine bloße Selbstdarstellung oder Spielerei gab.
Christus begegnen
Als sich das Ende seines Lebens näherte, arbeitete John Owen an einem Werk, das später unter dem Titel Die Herrlichkeit Christi veröffentlicht wurde. Sein Freund William Payne half ihm bei der Bearbeitung. Kurz vor seinem Tod sagte Owen:
„Oh, Bruder Payne, der lang ersehnte Tag ist endlich gekommen, an dem ich die Herrlichkeit auf eine andere Weise sehen werde, als ich es jemals in dieser Welt getan habe oder tun konnte.“[5]
John Owen kämpfte für die Fülle des biblischen Glaubens, weil er wollte, dass die Generationen nach ihm denselben „lang ersehnten Tag“ erleben, an dem wir die Herrlichkeit Christi „auf eine andere Weise“ sehen werden, als wir sie hier jemals gesehen haben. Er machte weder Kontroversen noch deren Sieg zu einem Selbstzweck. Das Ziel war es, Jesus Christus zu sehen, von ihm erfüllt zu sein und in sein Ebenbild verwandelt zu werden.
1 John Owen, Der Tod des Todes im Tod von Christus, 2025. Die Zitate in diesem Artikel wurden frei übersetzt.
2 John Owen, Works of John Owen, Edinburgh: Banner of Truth Trust, 1991, I:lxiv–lxv.
3 Peter Toon, God’s Statesman, Eugene: Wipf and Stock, 2018, S. 153.
4 Owen, Works of John Owen, XVI:76.
5 Toon, God’s Statesman, S. 171.