Wie oft denkst du an den Himmel?
Am 3.–4. Oktober findet in Salzburg die E21-Regionalkonferenz Österreich zum Thema „Sehnsucht nach Gott“ statt. Nathan Knight und Rudi Tissen sind die Hauptredner der Konferenz. Eine Anmeldung ist hier möglich.
Moment mal! Das kann doch nicht stimmen, oder?
Wenn du schon ein paar Mal aus der Bibel gelehrt hast, kennst du diesen Moment: Der Bau eines biblischen Satzes wirkt plötzlich seltsam. Meist stellt sich heraus, dass die Sorge unbegründet ist oder sich erklären lässt. Für mich aber hat so ein Moment alles verändert.
Ich war damals erst seit etwa fünf Jahren Pastor. Wir predigten durch den Kolosserbrief, und in der zweiten Woche der Reihe las ich während der Vorbereitung:
„Wir danken dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus allezeit, wenn wir für euch beten, da wir gehört haben von eurem Glauben an Christus Jesus und von der Liebe zu allen Heiligen um der Hoffnung willen, die euch aufbewahrt ist im Himmel.“ (Kol 1,3–5, Hervorhebung d. Verfassers)
Ich dachte: Nein, das muss eine unglückliche Übersetzung sein. Paulus würde seinen Dank doch nicht in der Hoffnung verankern, die im Himmel für die Gemeinde bereitliegt. Er muss meinen, dass er Gott dankt für ihre Liebe zu allen Heiligen und ihre Hoffnung auf den Himmel – aufgrund ihres Glaubens an Christus Jesus. Aber nein: Paulus schrieb es genau so, wie er und der Geist Gottes es beabsichtigten. Das hat mein Leben verändert. Paulus begründet ihre Liebe und seinen Dank mit der Hoffnung der Kolosser im Himmel. Der Himmel war (und ist) so grundlegend. So wichtig.
Später an diesem Nachmittag traf ich einen Studenten und fragte ihn, ob er wirklich auf den Himmel hofft. Danach fragte ich ein paar Männer aus meiner Jüngerschaftsgruppe, und kurz darauf einige Pastoren. In den nächsten vier Tagen fragte ich mehr als zwölf Christen, ob sie auf den Himmel hoffen. Einer sagte, dass er gelegentlich daran denkt; die anderen dachten kaum daran. Sie erkannten das Problem sofort, ohne mein Nachhaken.
Ich begann den blinden Fleck in meinem Predigen, Jüngerschaftstraining, Evangelisieren, Seelsorgen und Beten zu sehen. Ich lerne noch immer, ihn nicht zu übersehen.
Unsere gemeinsame Hoffnung
Vier Jahre später gewährte mir meine Gemeinde ein Sabbatical. Ich nutzte die zweieinhalb Monate, um die Hoffnung auf den Himmel zu studieren – nicht den Himmel selbst, sondern die biblische Verwendung der Hoffnung auf den Himmel.
Montag bis Freitag betete und studierte ich von etwa neun Uhr bis mittags. Am wichtigsten war, täglich einige Kapitel aus dem Neuen Testament zu lesen. Ich markierte jeden Vers, in dem der Autor zur Hoffnung auf den Himmel anleitet. Ich zog keine Schlüsse, sondern schrieb am Ende einfach alle markierten Verse in ein Notizbuch ab.
Am Ende fand ich erstaunliche 387 Verse, die die Hoffnung auf den Himmel so verwenden wie Paulus im Kolosserbrief. Von 7.957 Versen des Neuen Testaments beziehen sich also fast 5 Prozent auf die Hoffnung auf den Himmel. Zum Vergleich: Es gibt etwa 150–160 Verse über die Hölle und etwa 30–40 Verse über die Ehe. Selbst wenn ich nur halb recht habe, ist die Hoffnung auf den Himmel weit verbreiteter, als wir vielleicht dachten.
Himmel für das ganze Leben
Denk an die Seligpreisungen. Die meisten motivieren gegenwärtiges Verhalten im Blick auf einen zukünftigen Lohn: „Glückselig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben!“ (Mt 5,5).
Oder denk an Paulus’ Schluss im 1. Korintherbrief. Nach Lehre, Ermahnungen und Korrekturen landet er beim endzeitlichen Auferstehen und sagt dann: „Daher, meine geliebten Brüder, seid fest, unerschütterlich, nehmt allezeit zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist im Herrn!“ (1Kor 15,58).
Die Glaubensvorbilder in Hebräer 11 lehren uns, weil sie „die Belohnung ansahen“ (Hebr 11,26). Petrus tröstet leidende Christen, dass sie sich freuen können, „die ihr … zu einer unverweslichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbschaft …, die im Himmel aufbewahrt ist für euch, die ihr in der Kraft Gottes bewahrt werdet“ (1Petr 1,4–5). Jakobus mahnt zur Geduld ohne Murren, „denn die Wiederkunft des Herrn ist nahe“ (Jak 5,7–9). Und die Offenbarung beschließt den biblischen Kanon mit den eindringlichen Worten: „Es spricht, der dies bezeugt: Ja, ich komme bald! Amen. – Ja, komm, Herr Jesus!“ (Offb 22,20).
Auf diese Hoffnung hin gerettet
Nichts traf mich stärker als Römer 8. Ich saß im Februar in der Sonne von Naples, Florida. Es war warm, etwa 25 °C, und ich wollte später noch an den Strand. Der Himmel schien schon greifbar nahe, als ich las:
„Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung mitseufzt und mit in Wehen liegt bis jetzt; und nicht nur sie, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlingsgabe des Geistes haben, auch wir erwarten seufzend die Sohnschaft, die Erlösung unseres Leibes. Denn wir sind zwar gerettet, doch in Hoffnung.“ (Röm 8,22–24)
Es war wie damals in Kolosser 1. Ich markierte die Verse und sann über die Tragweite nach. Ich hatte den Abschnitt oft gelesen, aber zum ersten Mal sah ich: Die Hoffnung unserer Errettung blickt nicht nur zurück auf das Kreuz, sondern auch nach vorn auf den Tag, an dem wir einen auferstandenen Retter in auferstandenen Leibern auf einer erneuerten Erde anbeten werden.
Nach diesen Versen evangelisieren wir, indem wir den Blick sowohl auf die Wiederherstellung aller Dinge als auch auf das Kreuz richten. Und doch predigen, singen, beten und evangelisieren nur wenige von uns regelmäßig über den Himmel.
Den Nordstern wiederfinden
Randy Alcorn dokumentiert in seinem Buch Der Himmel, dass John Calvin, Reinhold Niebuhr, William Shedd, Martyn Lloyd-Jones und Louis Berkhof selbst in manchen ihrer bedeutendsten theologischen Werke wenig über den Himmel gesagt haben (vgl. S. 21). Er zitiert A.J. Conyers:
„Auch für einen nicht kirchlichen Menschen ohne theologische Überzeugungen müsste der Gedanke beunruhigend sein, dass diese Welt versucht, sich durch die wohl gefährlichsten Wasser der Geschichte hindurchzumanövrieren, und dabei beschlossen hat, das außer Acht zu lassen, was fast zwei Jahrtausende lang ihr fester Bezugspunkt – ihr Nordstern – war: die Gewissheit des Gerichts, die Sehnsucht nach dem Himmel, die Furcht vor der Hölle.“ (S. 22)
Herr, erbarme dich. Wenn du noch zweifelst, frag die Leute aus deiner Gemeinde, wie sehr die Hoffnung auf den Himmel ihr tägliches Leben prägt.
Matthew Westerholm verglich Lieder, die in amerikanischen Kirchen in den Jahren 2000–2015 gesungen wurden, mit solchen aus den Jahren 1737–1960. Sein Fazit: „Unter vielen Gemeinsamkeiten fiel ein Unterschied auf: Das Thema Himmel, früher häufig und reich besungen, ist fast verschwunden.“
Etwas so Zentrales für den Rat des Neuen Testaments und die erneuerte Vorstellungskraft lebt in den Gewissen vieler Christen nur schwach. Vielleicht erklärt das, warum so viele so ängstlich sind: Wir haben etwas, das zentral sein sollte, an den Rand gedrängt. Wir mühen uns, diese Welt zu unserem Zuhause zu machen, so wie sie ist. Aber wir sind Fremdlinge. Das ist nicht unser Zuhause – jedenfalls nicht in ihrem jetzigen Zustand. Noch nicht.
Wir werden bald zu Hause sein
Während wir auf unser wahres Zuhause warten, Geliebte, erinnert euch an den großen Schatz des Himmels. Jesus sagt: „Glückselig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen!“ (Mt 5,8). Johannes sagt: „… wir werden ihn sehen, wie er ist“ (1Joh 3,2) – nicht, wie er war, sondern wie er ist. Es wird derselbe Jesus sein, der gelitten und geblutet hat; doch wir werden ihn im Glanz seiner unendlichen Herrlichkeit sehen.
Der Schleier, unter dem er hungerte, dürstete, litt und seufzte, verachtet von Menschen, wird gewichen sein. Gegenwärtig wird der Jesus sein, der durch diese Leiden triumphiert hat und in einem verherrlichten Leib königliche Macht, Schönheit und Liebe ausstrahlt. Dieser Jesus erwartet uns in der Pracht seines Reiches. Diesem Jesus sagen wir mit allen Heiligen: „Komm, Herr Jesus!“ (Offb 22,20). Seine Gegenwart wird unsere Heimat sein – Himmel auf Erden.
Brüder und Schwestern, richtet euren Blick regelmäßig auf diesen Himmel. Betet den Himmel. Predigt den Himmel. Singt den Himmel. Tröstet mit dem Himmel. Macht den Himmel so sehr zum Teil der Kultur eurer Ortsgemeinde, dass ihr am hellsten Tag wie in der dunkelsten Nacht gemeinsam zuversichtlich sagen könnt: „Jesus kommt und wird es ein für alle Mal richtigstellen.“ Nimm es in dich auf: Er kommt – so sicher wie der Himmel über dir. Und wenn er kommt, kommen Gerechtigkeit und ewige Freude mit ihm.
Lasst uns im Gebet unser Leben und unseren Dienst wieder auf diesen großen Nordstern ausrichten. Bald sind wir zu Hause. Was für eine Freude.