Auslegungspredigten, die keine sind
Ich habe schon mehrmals Predigten gehört, die als Auslegungspredigten verkauft wurden, aber nur ein schwacher Abglanz davon waren.
Eine Auslegungspredigt macht die Kernbotschaft des Bibeltextes zur Kernbotschaft der Predigt, nichts mehr und nichts weniger. Diese Definition schließt eine zusätzliche Betonung, Anwendung oder kreative Veranschaulichung nicht aus. Aber wenn die Kernbotschaft der Predigt nicht die Kernbotschaft des Textes ist, ist sie keine Auslegungspredigt.
Ich habe diesen Punkt kürzlich in einem Facebook-Post beschrieben und die Reaktion von Pastoren und Gemeindemitgliedern war eindrücklich: „Wir wollen keine billige Kopie. Wir wollen das Original.“ Aber wie erkennen wir eine Kopie? Hier sind vier häufige Beispiele.
Die Vers für Vers-Predigt
Vers für Vers-Predigten gehen Schritt für Schritt durch den Text. Das ist nicht falsch und tausendmal besser als oberflächliches, anekdotisches Predigen. Aber es ist nicht unbedingt eine Auslegungspredigt. Es kann passieren, dass man Vers für Vers durch einen Text geht und trotzdem dessen Bedeutung nicht erklärt.
Vers für Vers-Predigten können Auslegungspredigten sein. Aber solche Predigten können auch zu einer Kommentarsammlung werden. Manche biblischen Gattungen eignen sich besser für eine Vers für Vers-Auslegung (z.B. Briefe), aber bei anderen (z.B. Narrativtexten) erweist sich diese Form der Predigt als schwierig und weniger hilfreich. Als ich durch den Römerbrief predigte, fand ich es leicht, Paulus’ Gedankengängen Schritt für Schritt zu folgen. Allein die häufige Verwendung des Wortes „deshalb” zwang mich fast schon dazu, den Text Vers für Vers auszulegen.
Aber Erzähltexte, Weisheitsliteratur und Poesie eignen sich nicht für diese Vers für Vers-Struktur. Der Prediger sollte lieber die Kernbotschaft des Textes finden und seine Predigt dann so gliedern, dass deutlich wird wie die einzelnen Punkte oder Handlungen des Abschnittes zusammenhängen.
Prediger sollten sich nicht auf eine einzige Art der Auslegung beschränken. Stattdessen sollten wir jeden Text einzeln betrachten und uns fragen: „Welche Form der Auslegung verwende ich, d.h. wie gliedere ich meine Predigt, sodass die Kernbotschaft des Textes für meine Leute am besten verständlich wird?“
Die „schön und gut“-Predigt
Solche Predigten benutzen den Text als Sprungbrett, damit der Prediger sagen kann, was auch immer er will. Diese Kopie hat selten mit einer bösen Absicht des Predigers zu tun. Stattdessen werden solche Predigten oft von denjenigen gehalten, die zwar begeistert von Auslegungspredigten sind, aber dafür nicht ausgebildet oder ausgerüstet sind.
Gemeindeglieder können viel aus solchen Predigten lernen. Warum? Weil sie viele schöne und gute Dinge gehört haben. Sie haben Nahrung für die Seele bekommen. Aber das Problem ist, dass die Wahrheit nicht aus dem Text kommt. Der Prediger darf nicht vergessen, dass er nur ein Megaphon für Gottes Stimme ist. Seine Aufgabe besteht darin, Gottes Wort zu nehmen, zu lesen und seine Bedeutung zu erklären (vgl. Neh. 8,8).
Wenn ein Prediger die Botschaft nicht vom Text bestimmen lässt, predigt er nur, was er schon kennt und lebt. Aber wenn die Predigten (und das Leben) eines Pastors vom ganzen Ratschluss Gottes geprägt und geformt werden, wird auch seine Gemeinde entsprechend geprägt und geformt.
Die detailverliebte Predigt
Manche Prediger verbringen mehr Zeit in ihren Kommentaren als an der Gliederung ihrer Auslegung. Diese Prediger betonen gerne lexikalische, historische, archäologische und linguistische Einblicke. Das kann lehrreich sein. Aber wenn eine Gemeinde mehr über einen Hügel in Judäa lernt als über den Gott-Menschen, der auf diesem Hügel stand, wurde der Punkt verfehlt.
Ich preise Gott für Pastoren, die die Bibel in ihrer Tiefe studieren und die darin verborgenen Schätze ausgraben wollen. Aber was Gottes Volk am dringendsten braucht, ist sein Evangelium! Also sollten Pastoren nur so viele außerbiblische Informationen in ihre Predigten einbauen, wie der Text verständlich gemacht und angewandt wird.
Die Auslege-Themen-Predigt
Diese Art der Kopie passiert dann, wenn ein Pastor so langsam durch den Text geht, dass er eine ganze Predigt über ein einziges Wort, einen Ausdruck oder ein Konzept hält. Beispielsweise könnte ein Prediger, der über Epheser 1,3 spricht, eine ganze Predigt dem Konzept des Segens widmen, ohne zu erklären, was es bedeutet, „in Christus mit jedem geistlichen Segen in den himmlischen Orten“ gesegnet zu sein.
Manchmal ist es notwendig, langsam zu machen und ein Konzept ausführlich zu erklären. Die Erwählung ist beispielsweise ein solches Konzept, und ich kann mir gut vorstellen, dass ein Pastor sagt: „Wir müssen sicherstellen, dass wir diese Lehre verstehen, bevor wir uns näher mit der Aussage des Textes beschäftigen“. Aber häufig kommt es zu Auslege-Themen-Predigten, wenn ein Prediger nicht weiß, wie er eine Perikope (eine gedankliche Einheit) erkennt und ihre Bedeutung zusammenhängend erklärt.
Prediger, die Auslegungspredigten schätzen und überzeugt sind, dass sie die Bedeutung der Bibel am klarsten und deutlichsten vermitteln, müssen sich vor diesen billigen Kopien hüten. Wenn du dich überführt fühlst, lass mich dich ermutigen. Der Herr liebt es, treue Männer zu segnen, die ihr Bestes geben, seinem Volk sein Evangelium zu geben. Sein Segen hängt nicht von der Genauigkeit deiner Auslegungsmethode ab. Also predige weiter, Bruder, im Vertrauen darauf, dass der Herr, der dich berufen hat, treu ist und uns wachsen lässt im Predigerdienst.