Habakuk und Gottes Gerechtigkeit
Vom Ringen zum Ruhen im Glauben
Habakuk zeigt eine tiefe Sehnsucht nach gottgefälliger Gerechtigkeit und gleichzeitig eine tiefe Bestürzung über den Missstand in seinem Volk. Das macht sein Buch für den heutigen Leser höchst relevant. In einer Welt, in der wir von beunruhigenden Nachrichten und Bildern aus aller Welt überflutet werden, scheint das Unrecht – wenn wir es nicht im Licht des Evangeliums betrachten – überhandgenommen zu haben. Außerdem zeigt Habakuks Bewusstsein für seine eigenen moralischen Unzulänglichkeiten und die seiner Landsleute: Das Problem der Sünde ist tief in der menschlichen Natur verwurzelt und betrifft einen jeden von uns. Doch obwohl die Lage in Juda und außerhalb seiner Grenzen so düster ist, führen Gottes Antworten auf Habakuks verzweifelte Gebete den Propheten von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zu festem Glauben und tiefer Freude – noch bevor sich die Situation geändert hat.
Drei zentrale Elemente dieses kurzen Prophetenbuchs stechen dabei besonders hervor – sowohl in ihrer Bedeutung für Habakuks geistliche Neuausrichtung als auch in ihrem bleibenden Wert für unsere Haltung, unser Handeln und unsere Hoffnung in einer aus den Fugen geratenen Welt:
1. Gott ist das Unrecht in Juda nicht gleichgültig
Diese Wahrheit widerspricht dem, was Habakuk zu Beginn des Buches zu vertreten scheint. Er geht zwar nicht so weit, Gott der Ungerechtigkeit zu bezichtigen, aber wenn Gott nichts tut, scheint diese Schlussfolgerung unausweichlich zu sein (vgl. Hab 1,2–4). Gottes Antwort ist geduldig und aufschlussreich. Gottes Zusage, das sündige Juda zu richten, zeigt: Der Bund mit seinem Volk bewahrt es nicht automatisch vor den Folgen der Sünde. Gott ist nicht gleichgültig gegenüber Ungerechtigkeit.
Doch als Gott dem Propheten offenbart, dass er ausgerechnet die Babylonier zur Bestrafung Judas einsetzen wird, ist Habakuk erneut fassungslos. Es widerstrebt seinem Gerechtigkeitssinn, da er davon ausgeht, dass Juda „gerechter“ ist als Babylon (Hab 1,13). Es scheint ihm, als würde Gott das Böse einfach dulden (vgl. Hab 1,13).
2. Gott ist das Unrecht in Babylon nicht gleichgültig
Die ausführliche Antwort Gottes auf Habakuks Anklage in Kapitel 2 zeigt, dass der Herr sich der Schuld Babylons (auch schon vor ihrem Angriff auf Juda) sehr wohl bewusst ist. Gott schildert ausführlich den abgrundtiefen Stolz, die Gewalt und die Selbstverherrlichung, die Babylonien als Reich dazu trieben, so viel wie möglich vom Nahen Osten zu beherrschen. In Habakuk 2,5 wird das Reich dafür verurteilt, dass es andere Völker gewaltsam ausplünderte, um sich selbst zu bereichern (vgl. Hab 2,6–13), und alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einsetzte, um sich von anderen Völkern zu nehmen, was es wollte (vgl. Hab 2,15–17), während es seinen Erfolg falschen Göttern zuschrieb (vgl. Hab 2,18–19).
Auf Babylons Hochmut reagiert Gott mit einer Gerichtsankündigung. Aber Gott wird weit mehr tun, als Babylon für seine Sünden zu bestrafen. Er verheißt nichts Geringeres, als seine rettende Herrschaft weltweit zu errichten, sodass die Erde mit der Erkenntnis seiner Herrlichkeit erfüllt wird (vgl. Hab 2,14). Dies führt zum dritten Teil der Antwort Gottes an Habakuk.
3. Gott zu glauben, bringt Frieden und führt zum Leben
In Kapitel 3 entfaltet Gott die Verheißung aus Habakuk 2,14 und zeigt, dass seine vollkommene Gerechtigkeit und überwältigende Gnade die Sünder richten und die Sünde ein für alle Mal beseitigen werden (vgl. Hab 3,3–15). Aber schon bevor er diese Versprechen konkretisiert, beginnt der Prophet durch Gottes Zusage umzudenken (vgl. Hab 3,2). Dieser Prozess des Umdenkens setzt sich durch die eindrucksvolle Vision von Gottes Kommen, um zu retten und zu richten, fort.
Die Botschaft, dass Gott die Sünde vollständig richten und sein Volk vollständig retten wird, ist für Habakuk und seine Leser in zweierlei Hinsicht besonders wichtig. Erstens erreicht diese Wahrheit das Herz Habakuks und führt zu einer völligen Veränderung seiner Einstellung. An die Stelle seiner Verzweiflung tritt ein ruhiges Vertrauen, das Gott beim Wort nimmt und im Glauben schon die Vollkommenheit der gesamten Schöpfung sieht. Mit dieser neuen Herzenshaltung kann der Prophet geduldig darauf warten, dass Gott seine Verheißungen auf die Art und Weise und zu dem Zeitpunkt erfüllt, die er souverän festgelegt hat.
Zweitens bringt die erlösende Gerechtigkeit Gottes denen, die seinen gnädigen Verheißungen vertrauen (vgl. Hab 2,4), das wahre Leben. In Kapitel 3 wird das rettende Eingreifen Gottes als ein zweiter Exodus dargestellt, der das Volk Gottes jedoch nicht primär aus der Gefangenschaft Babylons befreit, sondern aus der Verdammung und Knechtschaft der Sünde. Diese Rettung geschieht allein durch den Messias (vgl. Hab 3,13), den Gott gesandt hat, um an unserer Stelle zu leiden, und den er durch die Auferstehung verherrlicht hat (vgl. Apg 17,3).
Habakuks Botschaft ist eine endgültige Antwort auf das Problem der Sünde, das dem Propheten so sehr zu schaffen machte. Das Leben, der Tod und die Auferstehung Jesu Christi offenbaren sowohl Gottes endgültigen Sieg über das Böse als auch den Weg der Rettung durch seinen Messias. Im Licht dieser Wahrheiten dürfen wir Gottes Geduld feiern, die das Gericht noch zurückhält, und uns mit ganzer Hingabe dafür einsetzen, das Evangelium bis an die Enden der Erde zu tragen – bis Christus wiederkommt (vgl. 2Petr 3,9).