Vier oft übersehene Grundlagen der Evangelisation

Artikel von David Wissel
25. Juni 2025 — 6 Min Lesedauer

Die Japaner sind die zweitgrößte unerreichte Volksgruppe für Christus weltweit. Tokio, die größte Stadt in der Geschichte der Menschheit, hat anteilig mehr verlorene Menschen als jeder andere Ort auf der Erde. Inmitten dieses Umfelds habe ich das Vorrecht, als Pastor zu dienen.

In meiner Zeit hier ist mir aufgefallen, dass Christen bei der Evangelisation häufig vier Aspekte vernachlässigen, die sowohl in der Bibel als auch in der Kirchengeschichte als grundlegend betrachtet werden.

1. Die Lehre vom einen wahren Gott

„Glauben Sie an Gott?“, fragte ich eine Frau, die an einem Sonntagmorgen zum ersten Mal unsere Gemeinde besuchte. Sie antwortete begeistert mit „Ja“. Aufgrund sprachlicher Unklarheiten im Japanischen – insbesondere zwischen Singular und Plural – fragte ich nach: „Glauben Sie an den einen wahren Gott der Bibel oder an die acht Millionen Götter des Shintō?“ Sie meinte Letzteres – und war schockiert, als sie erfuhr, dass Christen nur an einen einzigen Gott glauben.

Der Monotheismus, der im Westen oft als selbstverständlich gilt, war in Japan im historischen Kontext oft schwer verständlich. Als die ersten Jesuitenmissionare im 16. Jahrhundert nach Kyūshū kamen, hielten die Japaner sie zunächst für eine neue buddhistische Sekte. Grund dafür war die fehlerhafte Übersetzung von „Gott“ mit Dainichi, einem buddhistischen Begriff für eine erleuchtete Gottheit. Franz Xaver, der Gründer der Jesuitenmission, erkannte diesen Fehler erst zwei Jahre später.

So aufrichtig ein Mensch auch glauben mag – er kann nicht gerettet werden, wenn sich sein Glaube nicht auf das richtige Objekt richtet. Deshalb widmet Paulus, als er auf dem Areopag zu einem vorchristlichen Publikum sprach, beinahe 80 % seiner Predigt der Lehre über Gott – den einen wahren Gott (vgl. Apg 17,22–31). Auch im nachchristlichen Westen ist ein solcher Zugang heute wieder notwendig.

Es wäre ein Fehler, die Lehren des Konzils von Chalcedon oder die ewigen Ursprungsbeziehungen zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist als für die Evangelisation irrelevant zu betrachten. Kürzlich fragte mich ein Mann, der kaum christliche Vorkenntnisse hatte: „Wie kann Jesus sowohl Gott als auch Mensch sein? Wie können Jesus und der Vater beide Gott sein, wenn es doch nur einen Gott gibt?“ Das Evangelium ist von Natur aus trinitarisch – unsere Evangelisation sollte es auch sein. Schon der Missionsbefehl hebt die Einheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist als sendende und wirkende Instanz hervor (vgl. Mt 28,19–20; Lk 24,44–49; Joh 20,21–23; Apg 1,6–8).

2. Die Realität der Hölle

Als junger Christ, der mit dem Gedanken der Hölle rang, spürte ich eine große Spannung zwischen dem, was ich in der Bibel las, und dem, was ich von anderen hörte: Aussagen wie „Man kann niemanden in den Himmel erschrecken“, „Die Hölle sei lediglich die Abwesenheit von Gottes Gegenwart“ oder „Die Tore der Hölle sind von innen verschlossen“ prägten meine Vorstellung.

Doch Tim Keller verweist in Center Church auf D.A. Carson und betont: Die Angst vor Gericht und Tod gehört zu den sechs zentralen biblischen Appellen an Nichtchristen, das Evangelium anzunehmen. Auch Jesus selbst warnt immer wieder vor dem kommenden Gericht. Wie Joel Beeke feststellt, enthält die Bibel 245 Warnungen vor der Hölle.

Im Vergleich zu den Christen der Urkirche, des Mittelalters, der Reformation und besonders der Erweckungsbewegungen fällt es uns heute viel schwerer, die Realität der Hölle klar zu benennen. Doch gerade das ist ein geistlicher Dienst an den Verlorenen: ihnen zu zeigen, dass es eine schreckliche Sache ist, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen (vgl. Heb 10,31).

Ich erinnere mich an ein Gespräch vor zwölf Jahren, als ich noch überzeugter Atheist war. Eine christliche Klassenkameradin erzählte von ihrem Glauben an Jesus als den einzigen Weg zu Gott. Ich fragte sie ganz direkt: „Glaubst du, dass ich in die Hölle komme?“ Sie antwortete freundlich, aber klar: „Ja – es sei denn, du vertraust auf Jesus.“ Weil wir den Herrn fürchten, wollen wir Menschen für ihn gewinnen (vgl. 2 Kor 5,11).

3. Der Aufruf zur Umkehr und zum Glauben

Während meines Studiums besuchte ich einen Missionskurs. Der Professor bat mich, eine Situation zu beschreiben, in der ich das Evangelium mit einem Freund geteilt hatte. Auf meinen Bericht hin sagte er: „Anstatt Ihrem Freund zu sagen, dass er umkehren und an Christus glauben kann, sollten Sie ihn fragen, ob er umkehren und an Christus glauben will.“

Das Evangelium kommt nur denen zugute, die im Glauben darauf reagieren. Es genügt nicht, die Fakten des Evangeliums zu vermitteln – wir müssen Menschen aktiv zum Glauben und zur Umkehr einladen.

Die Apostelgeschichte macht deutlich: Bekehrung ist zwar letztlich ein souveränes Werk Gottes (vgl. Apg 11,17–18; 13,48; 18,9–10), geschieht aber durch die Verkündigung des Evangeliums durch Menschen (vgl. Apg 10,43; 13,39; 18,8). Der Herr öffnete Lydia das Herz, sodass sie hörte und verstand, was Paulus sagte (vgl. Apg 16,14).

Dieses Zusammenspiel von göttlicher Souveränität und menschlicher Verkündigung entspricht der historischen reformierten Position, wie sie etwa in den Lehrregeln von Dordrecht, Zweites Lehrstück, Artikel 5 zum Ausdruck kommt:

„Übrigens ist es die Verheißung des Evangeliums, dass wer an den gekreuzigten Christus glaubt, nicht verloren geht, sondern das ewige Leben hat. Diese Verheißung muss allen Völkern und Menschen, zu denen Gott das Evangelium nach seinem Wohlgefallen sendet, gemeinschaftlich und ohne Unterschied verkündigt und vorgestellt werden mit dem Befehl zur Buße und zum Glauben.“

Es ist unsere Aufgabe, Nichtchristen zur Umkehr und zum Glauben zu rufen. Genau dieses Verständnis der Evangelisation – tief verwurzelt im calvinistischen Denken – war der Ausgangspunkt der modernen Missionsbewegung des 18. Jahrhunderts. Missionare wie William Carey, Adoniram Judson und John G. Paton hielten leidenschaftlich an der Souveränität Gottes fest und sahen sich zugleich als seine Werkzeuge. Dabei gilt es, zwei Extreme zu vermeiden: Ein semi-pelagianisches Evangelium, das falsche Bekehrungen hervorbringt, und ein hyper-calvinistischer Ansatz, der keine Bekehrungen erwartet.

4. Die Rolle der Gemeinde

Kaum war eine junge Frau aus dem Taufbecken gestiegen, bat sie mit noch nassen Haaren einige Gemeindemitglieder um ein gemeinsames Foto. Sie wollte sich an alle erinnern, die sie willkommen geheißen, ihre Fragen beantwortet und sie ermutigt hatten, Christus zu vertrauen.

Unser Team wird oft gefragt: „Was ist eure Strategie, um die Japaner zu erreichen?“ Viele erwarten dann ein kreatives Konzept oder kulturspezifische Erlösungsbilder. Doch unsere Antwort lautet einfach: die Gemeinde.

Die Gemeinde ist Gottes Plan für die Evangelisation. Sie ist das von ihm erwählte Mittel, um die Welt zu erreichen. Es war Gottes Idee, aus dem Nichts ein Volk zu schaffen – Menschen, die er aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat, damit sie seine Herrlichkeit verkünden (vgl. 1 Petr 2,9–10). Die rettende, verwandelnde Kraft des Evangeliums, wie sie sich in der Ortsgemeinde zeigt, ist unsere Hoffnung – nicht nur für Japan, sondern für die ganze Welt.