Freundliche Erinnerung: Eines Tages wirst du sterben

Artikel von Matthew McCullough
18. Juni 2025 — 5 Min Lesedauer

Unwirklich und doch unausweichlich

Wann hast du dir zuletzt die Tatsache bewusst gemacht, dass du sterben wirst? Wann hast du das letzte Mal mit jemandem über das Thema Tod gesprochen? Hast du schon einmal einen Menschen sterben sehen? Ist jemals jemand bei dir zu Hause gestorben? Wann bist du das letzte Mal über einen Friedhof gegangen oder hast eine Beerdigung besucht? Hast du ein Buch gelesen, einen Film gesehen oder sogar eine Predigt gehört, in der es um das Problem des Todes geht? Ich spreche nicht vom Tod durch Gewalt, einen Unfall oder eine seltene, bösartige Krankheit. Ich meine den Tod als eine grundlegende menschliche Erfahrung – so grundlegend wie Geburt, Essen und Schlafen.

Der Tod ist eine menschliche Grunderfahrung, die alle Menschen über Zeit und Raum, Ethnien und Klassen hinweg verbindet. Heutzutage jedoch ist der Tod etwas, über das wir nur selten nachdenken, wenn überhaupt. Durch die bemerkenswerten Errungenschaften der modernen Medizin haben wir den Tod im Leben durchschnittlicher westlicher Menschen immer weiter nach hinten geschoben. Wir verfügen über eine bessere Krankheitsprävention, eine bessere pharmazeutische Versorgung und eine bessere Notfallmedizin als jede andere Gesellschaft zuvor. Das ist ein wunderbarer Segen, keine Frage. Aber das alles hat auch einen großen Nebeneffekt: Viele von uns können es sich leisten, die meiste Zeit des Lebens so zu leben, als sei der Tod kein Problem für sie.

Der Tod ist so unausweichlich wie eh und je, aber für viele ist er keine tägliche Lebenswirklichkeit, mit der sie konfrontiert sind oder über die sie nachdenken müssen. Wenn Menschen sterben, dann meist in einer medizinischen Einrichtung – abgeschottet von unserem Lebensumfeld, in einem hygienischen, sorgfältig überwachten, ja industriellen Prozess, bei dem Fachleute beschließen, die Behandlung einzustellen.

Der Tod ist immer noch unvermeidlich, aber er ist bizarr geworden. Der Tod ist auch zu einem Tabu geworden, über das man in netter Gesellschaft nicht sprechen sollte. Wir bezeichnen solche Gespräche als „morbide“. Das ist ein pejorativer Begriff, mit dem wir extrem düstere Worte oder Vorstellungen bezeichnen – Verzerrungen der Wahrheit, wie wir sie sehen wollen. Das Thema Tod anzusprechen, ist bestenfalls heikel, schlimmstenfalls beschämend.

Aber so sehr wir uns auch bemühen, das Thema zu vermeiden – jeder von uns erlebt täglich den Schatten des Todes. Er zeigt sich in unserer Unsicherheit darüber, wer wir sind und warum wir wichtig sind. Er zeigt sich in unserer Unzufriedenheit mit den Dingen, von denen wir glauben, dass sie uns glücklich machen sollten. Und er zeigt sich in unserem Schmerz über den Verlust jeder guten Sache, die nicht lange genug währt. Wir können dem Tod und seinen Auswirkungen nicht ausweichen. Deshalb sollten wir auch nicht versuchen, ihn totzuschweigen.

Die biblische Sicht auf den Tod

Unser distanziertes Verhältnis zum Tod entspricht nicht der biblischen Sichtweise. Auf allen Seiten der Bibel – in den geschichtlichen, poetischen und prophetischen Büchern, in den Evangelien oder den Briefen – ist der Tod ein Thema, das viel häufiger vorkommt als in unserem heutigen Leben. Für die biblischen Autoren ist das Wissen um den Tod und seine Bedeutung für das Leben ein wesentlicher Bestandteil eines in Weisheit geführten Lebens.

Nehmen wir zum Beispiel das Gebet in Psalm 90: „Lehre uns unsere Tage richtig zählen, damit wir ein weises Herz erlangen!“ (Ps 90,12). Das ist eine euphemistische Umschreibung für „Lehre uns, unseren Tod zu erkennen“. Das Gebet ist eine Art Scharnier zwischen den beiden Teilen des Psalms. Im ersten Teil geht es um die Begrenztheit des Menschen im Vergleich zur Unbeschränktheit Gottes. Für Gott ist die Zeit nichts. „Von Ewigkeit zu Ewigkeit bist du Gott!“ (Ps 90,2). „Denn tausend Jahre sind vor dir wie der gestrige Tag, der vergangen ist, und wie eine Nachtwache“ (Ps 90,4).

Für uns Menschen jedoch, die wir unter Sünde und Gericht stehen, macht die Zeit alles zunichte. Unser Leben ist „wie ein Traum“. Es ist wie das Gras, „das am Morgen aufsprießt; am Morgen blüht es und sprießt, am Abend welkt es und verdorrt“ (Ps 90,5–6). Im besten Fall „[währt] unser Leben … siebzig Jahre, und wenn es hoch kommt, so sind’s achtzig Jahre; und worauf man stolz ist, das war Mühsal und Nichtigkeit, denn schnell enteilt es, und wir fliegen dahin“ (Ps 90,10). Das Gebet des Psalmisten im Gedenken an den Tod ist eine Bitte, ein Leben in Demut zu führen und uns unserer Grenzen und des unüberwindlichen Unterschieds zwischen Gott und uns bewusst zu werden. Im zweiten Teil des Psalms wechselt jedoch das Thema. Unmittelbar nachdem der Psalmist darum gebetet hat, dass Gott uns lehrt, unsere Tage zu zählen, bittet er darum, dass Gott uns alle Tage mit dem Reichtum seiner Liebe erfreuen möge: „Sättige uns früh mit deiner Gnade, so wollen wir jubeln und fröhlich sein unser Leben lang“ (Ps 90,14).

Diese beiden Gebete gehören meiner Ansicht nach eng zusammen: Lehre mich, mit der Realität meines Todes zu leben, damit ich mich an deiner Liebe erfreuen kann. Bevor ich über Gottes Liebe staunen kann – bevor ich die Schönheit seiner Liebe deutlicher erkenne als meine Lebensprobleme –, muss ich erst wissen, wie dringend ich sie brauche und dass ich ihrer völlig unwürdig bin. Wenn Gott uns lehrt, unsere Tage zu zählen, weil wir einmal sterben müssen, schützt er uns vor stolzer Selbsttäuschung und befähigt uns, mit echter, realistischer Freude zu leben.