Christus reicht aus!

Den Kolosserbrief im Kontext verstehen

Artikel von David Murray
17. Juni 2025 — 4 Min Lesedauer

Wir können eine E-Mail oder Textnachricht nicht verstehen, wenn wir ihren Hintergrund, Kontext und Zweck nicht kennen. Genauso verhält es sich mit dem Brief von Paulus an die Kolosser: Ohne diese Informationen bleibt sein Inhalt unklar.

Den Hintergrund für den Kolosserbrief bildete die Sorge des Paulus, dass falsche Lehren den Glauben und die Praxis der Gläubigen in Kolossä untergraben. Diese Irrlehrer wurden Gnostiker („Wissende“ oder „Besserwisser“) genannt, weil sie glaubten, der Weg zum Heil sei ein besonderes, zusätzliches Wissen, das geistige Eliten aus der materiellen Welt in die göttliche Welt erhebt.

Es ist daher nicht überraschend, dass die drei Hauptthemen des Kolosserbriefs jeweils mit den drei Hauptlehren der Gnostiker zusammenhängen.

1. Christus ist der Höchste

Die Gnostiker lehrten, dass es eine komplexe Hierarchie von göttlichen Geistwesen gibt und dass das geringste dieser Wesen die materielle Welt erschaffen hat. Alles Physische war daher von geringem Wert.

Paulus begründete dagegen die Erhabenheit und Autorität Christi über alles, indem er ihn als das vollkommene Ebenbild Gottes identifizierte. Er ist der Erste über aller Schöpfung, weil er alles geschaffen hat, sowohl die materielle als auch die geistliche Welt (vgl. Kol 1,15–16). Er erschuf nicht nur die physische Welt und überließ sie dann sich selbst, sondern er hält auch alles zusammen, indem er das ganze Universum erhält und verwaltet (vgl. Kol 1,17). Er ist das Haupt der Gemeinde, weil mit seiner Menschwerdung die Fülle Gottes unter uns wohnte. Mit seinem menschlichen Leib litt, starb und auferstand er, um die Sünder mit Gott zu versöhnen (vgl. Kol 1,18–20).

Paulus sagte zu den Kolossern: „Hört nicht auf die Gnostiker. Die höchste Gottheit ist Christus, nicht irgendein anderes Geistwesen. Die physische Welt wurde nicht von einem niederen Geistwesen, sondern von diesem höchsten Christus erschaffen. Dieser über alles erhabene Christus betrat die physische Welt in einem physischen Körper. Dieser über alles erhabene Christus hat dies alles getan, um die physische Welt mit Gott zu versöhnen. Versteht ihr, wie wertvoll das Körperliche für Gott ist? Verachtet nicht den Körper oder die materielle Welt, sondern schätzt und ehrt sie als Gottes Schöpfung, die er retten will.“

2. Christus ist ausreichend

Die Gnostiker lehrten, dass das Heil durch ein besonderes, geheimes Wissen (Gnosis) erlangt wird, zu dem nur wenige Auserwählte durch seltene Einsichten und mystische Erfahrungen Zugang haben (vgl. Kol 2,1–3). Sie glaubten, sich selbst retten zu können.

Paulus wies die Kolosser daher auf den Glauben an Christus als die einzige Quelle reicher und rettender Weisheit hin. Er warnte sie vor jeder Lehre, die sie von der Genügsamkeit Christi zu einer weltlichen Philosophie, Tradition oder Praxis ablenken würde (vgl. Kol 2,4–9). In Christus wohnt die Fülle, und deshalb sind die Christen in ihm zur Fülle gebracht (vgl. Kol 2,10). Zur Errettung und Heiligung ist nichts anderes erforderlich als der Glaube an den gekreuzigten Christus (vgl. Kol 2,11–15). Kein zusätzliches Wissen, keine Übung, keine Erfahrung und kein Engel kann Christus etwas hinzufügen. Er ist vollkommen, und wir sind in ihm vollkommen (vgl. Kol 2,16–23).

Paulus sagte zu den Kolossern: „Wenn ihr Christus habt, habt ihr alles, was ihr braucht. Alles, was ihr ihm hinzufügt, wird ihm nur etwas wegnehmen. Ruht vollkommen in dem vollkommenen Christus.“

3. Christus ist unsere Identität

Da die Gnostiker die materielle Welt verachteten, hatte auch ethisches Verhalten keine Relevanz für sie. Bei der Erlösung ging es darum, dieser physischen Welt zu entkommen und in die geistige Welt einzugehen. Die physischen Handlungen in dieser Welt spielten für sie keine Rolle.

Im Gegensatz dazu lehrte Paulus, dass Christen, weil sie mit Christus begraben und mit Christus auferweckt wurden, eine neue Identität in dieser Welt haben (vgl. Kol 3,1–4). Mit dieser neuen Identität geht ein neuer Lebensstil einher, also eine neue Einstellung zu dieser Welt und unserem Leben in ihr. Die alte Identität der weltlichen Lebensweise soll abgelegt und die neue Identität in Christus angezogen werden (vgl. Kol 3,5–17). Die allgemeinen Umrisse dieser Identität werden dann mit sehr spezifischen Anweisungen für Ehefrauen, Ehemänner, Kinder, Arbeitnehmer und Arbeitgeber konkretisiert (vgl. Kol 3,18–4,6).

Die Ermahnung des Paulus an die Christen in Kolossä könnte man wie folgt zusammenfassen: „Lasst euch nicht von der ausschließlichen Konzentration der Gnostiker auf die geistige Welt in die Irre führen. Die Erhabenheit Christi über die materielle Welt bedeutet, dass ihr in eurem materiellen Körper in dieser materiellen Welt unter seiner Herrschaft leben müsst. Die Genügsamkeit Christi bedeutet, dass ihr eine vollständige und befriedigende neue Identität in ihm habt, die in euren Beziehungen in dieser Welt zum Ausdruck kommen soll.“

Doch wie können wir unter der erhabenen Herrschaft Christi leben, die Fülle in ihm finden und unsere neue Identität in Christus durch einen neuen Lebensstil für Christus zum Ausdruck bringen? Beachten wir die ersten und letzten Worte des Paulus an die Kolosser: „Gnade sei mit euch“ (Kol 1,2; 4,18).