Vorsicht, Drachen! Was Christen über Romantasy wissen sollten
Am 21. Januar 2025 – gegen Mitternacht – erlebten Buchhandlungen überall in den Vereinigten Staaten einen Ansturm, wie es ihn seit den Tagen von Harry Potter nicht mehr gegeben hatte. Hunderte Kunden standen vor den Geschäften Schlange, um eine heiß erwartete Fantasy-Neuerscheinung zu ergattern, sobald diese in den Regalen stand. Der Andrang war so groß, dass einige Buchläden Eintritt verlangten. Wie damals bei Harry Potter kamen viele Fans in Kostümen, um ihre Lieblingsfiguren zu feiern.
Anders als bei der Hogwarts-Manie der 90er-Jahre waren die meisten Besucher jedoch Frauen, von denen viele in Lederbodys erschienen waren. Und das betreffende Buch enthielt nicht nur Drachen und ein magisches Reich, sondern auch explizite Sexszenen.
Der Aufstieg des Romantasy-Genres
Der Titel, der für so viel Aufregung sorgte, war Rebecca Yarros’ Onyx Storm – Flammengeküsst, das dritte Buch ihrer Empyrean-Reihe, die zum Subgenre „Romantasy“ gehört. Romantasy verbindet die literarischen Themen und Motive von Liebesromanen mit imaginativen Fantasy-Welten und schafft Bücher, die jemand als „Der Bachelor trifft auf Die Tribute von Panem“ beschrieben hat. Bloomsbury Publishing hat behauptet, den Begriff „Romantasy“ kürzlich geprägt zu haben, um die Bücher der Autorin Sarah J. Maas zu bewerben, aber eine Definition erschien bereits 2008 im Urban Dictionary. „Es ist kein wirklich neues Genre, aber eines, das so sehr gewachsen ist, dass es einen eigenen Spitznamen bekommen hat“, erklärte Marian A. Jacobs in meinem Interview mit ihr. Jacobs schreibt für die christliche Fantasy-Website Lorehaven und ist Autorin des demnächst erscheinenden Buches On Magic and Miracles: A Theological Guide to Discerning Fictional Magic (dt. etwa „Magie und Wunder: Ein theologischer Leitfaden zur Beurteilung fiktiver Magie“).
Wo auch immer es herkommt, Romantasy hat in den vergangenen Jahren stark an Popularität gewonnen. Onyx Storm – Flammengeküsst verkaufte sich in der ersten Woche 2,7 Millionen Mal und brach damit einen 20-jährigen Rekord. Während ich diesen Artikel schreibe, stehen Yarros’ Bücher auf den ersten beiden Plätzen der New York Times-Bestsellerliste für Hardcover-Belletristik sowie auf den ersten drei Plätzen der Liste der meistverkauften Bücher bei Amazon. Maas (eine weitere Autorin, die die Verkäufe in dieser Kategorie kräftig ankurbelt), kann ebenfalls auf einen kometenhaften Erfolg zurückblicken: Ihre Das Reich der Sieben Höfe-Romane wurden mehr als 13 Millionen Mal verkauft.
Warum haben diese Bücher in den letzten Jahren eine so große Leserschaft gefunden? Was sollten wir als Christen über Romantasy wissen? Und noch wichtiger: Wie können wir angesichts der immer weiteren Verbreitung dieser Titel unsere Herzen schützen?
Die Verlockung des Eskapismus
Für die wachsende Popularität des Romantasy-Genres haben die sozialen Medien eine entscheidende Rolle gespielt. In den Monaten nach der Veröffentlichung von Yarros’ erstem Empyrean-Roman im Jahr 2023 wurden Fan-Videos auf BookTok mehr als eine Milliarde Mal aufgerufen. Influencer loben oft die weibliche Emanzipation und Ermächtigung, die sie in diesen Büchern finden. Romantasy „erlaubt es Frauen, alles zu haben“, behauptete die Instagrammerin Christina Clark-Brown gegenüber dem Guardian. Das Redaktionsteam des Guardians erklärte an anderer Stelle:
„Die Romantasy-Heldin rührt etwas in unserer gegenwärtigen Kultur an. Die starken, von Frauen geführten Geschichten zeigen, dass junge Frauen nerdig und sexy, aber auch verletzlich und stark sein können – sowohl ‚nicht dieses Mädchen‘ als auch ‚dieses Mädchen‘. … Du kannst sein, wer oder was du willst. Das ist die Fantasie.“
Solche Bemerkungen verweisen auf die Sehnsucht vieler Frauen nach Sinn und Identität. Wir wollen die Kontrolle über unser Schicksal um keinen Preis aus der Hand geben. Wir begehren Liebe und sehnen uns danach, liebenswert zu sein – und wollen doch auch sein wie Gott (vgl. 1Mose 3,4–5). Diese unterschwellige Sehnsucht zeigt sich nicht zuletzt in der Verbindung von Romantasy und der Pandemie. Die Verkäufe von Fantasy-Büchern sind von 2020 bis 2021 um 45 Prozent gestiegen (das markiert, mit Ausnahme von Graphic Novels, den größten Zuwachs in allen Genres). „Die steigende Popularität von Romantasy wird – zusammen mit dem Anstieg von Cosy-Krimis – auf die Anziehungskraft des Eskapismus in dunklen Zeiten zurückgeführt“, schreibt der Guardian. „Seinen Anhängern bietet das Genre die Freude, sich in einer anderen Welt zu verlieren und sich mit anderen zu verbinden.“
Als ich eine Gruppe christlicher Sekundarschüler über ihre Erfahrungen mit Romantasy-Büchern befragte, kamen ebenfalls die Themen Einsamkeit und Sehnsucht zur Sprache. „Meine Freundinnen, die sich wirklich für diese Bücher interessieren, versuchen in ihnen das zu erleben, was sie sich wünschen, aber nicht haben“, teilte eine Schülerin mit. „Die Jungs in diesen Büchern sind alle unglaublich perfekt. In ihrem eigenen Leben können meine Freundinnen diese perfekten Beziehungen nicht finden, also suchen sie diese in Büchern. Das macht mich traurig, weil sie etwas nachjagen, das sie nie finden werden.“
Jacobs hat das gleiche Phänomen beobachtet. „Nach der Covid-Pandemie sind Frauen mehr als je zuvor darauf aus, das Loch in ihrem Herzen, das nur Jesus füllen kann (und das während der Einsamkeit der Quarantäne nur gewachsen ist), irgendwie zu stopfen“, sagte sie. „Und während Männer sich in solchen Momenten meist in Online-Pornographie flüchten, greifen Frauen eher zu einem Liebes- oder sogar Erotikroman.“
Vorsicht: „pikant“
Die erotischen Inhalte in Romantasy-Romanen bereiten Christen große Sorge. Obwohl sie euphemistisch als „pikant“ bezeichnet werden, sind diese Szenen oft explizit. So bemerkte etwa der Plugged In-Autor Kennedy Unthank in seiner Rezension von Yarros’ Fourth Wing – Flammengeküsst, dass die Hauptfiguren „in zwei unterschiedliche explizite Sexszenen verwickelt sind, die beide mehrere Seiten lang sind und den Sex so detailliert beschreiben, dass die Leser am Ende einen kompletten Anatomiekurs absolviert haben“. Sogar einige säkulare Leser empfanden die Darstellungen als alarmierend. „Bei meinen Romantasy-Streifzügen“, schrieb ein Fan in der Sunday Times, „fand ich es beunruhigend einfach, von eher soften in einige ziemlich harte und gewalttätige sexuelle Darstellungen abzudriften – und zwar fast ohne es zu wollen.“
Da 82 Prozent der Leser von Liebesromanen Frauen sind, hat die steigende Beliebtheit pikanter Romantasy-Titel auch Auswirkungen auf die Schwestern, Töchter und Mütter in unseren Gemeinden. Jacobs, die sich ausführlich mit dem Thema weibliche Lust und Romanliteratur beschäftigt hat, erklärt, dass Romantasy „durchaus als Einstiegsdroge in eine Pornographie- und/oder Sucht nach erotischer Literatur dienen kann“. Während die meisten Studien über Pornographie die Gefahren für Männer betonen, trifft Jacobs auf immer mehr Frauen, die im Verborgenen und voll von Scham mit ihrer Lust kämpfen – auch in der Kirche. Im Jahr 2018 führte sie eine kleine, anonyme Umfrage unter christlichen Frauen durch und fand heraus, dass 94 Prozent mit Lust zu kämpfen hatten; der gleiche Prozentsatz gab an, dass Literatur und Fernsehen ihre Versuchungen verschlimmerten.
Diese Ergebnisse sind zwar erschreckend, sollten uns aber nicht überraschen, wenn wir bedenken, dass die Inhalte, die wir konsumieren (ob in schriftlicher oder visueller Form), unser Denken und Herz formen (vgl. Röm 12,2). Wir suchen nach Bedeutung, Verbindung und Liebe an Orten, an denen wir sie nie finden werden; das Eintauchen in explizite Literatur gleicht einem Haschen nach Wind (vgl. Pred 1,14). In ihrem Buch Pulling Back the Shades: Erotica, Intimacy, and the Longings of a Woman’s Heart (dt. etwa „Die Vorhänge zurückziehen: Erotische Literatur, Intimität und die Sehnsüchte eines Frauenherzens“) schreibt Dannah Gresh:
„Das Lesen von Erotika (genau wie der Konsum von Pornographie) kann zu einer intensiven sexuellen Reaktion führen, aber die Figuren sind eindimensionale Lügen. Mit jeder Seite eines Erotika-Titels … verstärkt das Böse die Lüge, dass es beim Sex einfach nur um körperliche Befriedigung geht – losgelöst von wahrer Hingabe, selbstloser Liebe und Gottes heiligem Plan. Du wirst mit einer tiefen Sehnsucht nach mehr zurückbleiben. Die Wahrheit ist, dass du für mehr geschaffen wurdest!“ (S. 40)
In einer Welt voll von Angst kann die Verlockung von Geschichten, die Ablenkung und fantastische Ausflüchte bieten, sehr stark sein. Doch am Ende bleibt die Sehnsucht nach etwas Tieferem und Dauerhaftem zurück – denn wofür wir in Wahrheit erschaffen wurden, ist nicht flüchtiges Vergnügen und Flucht, sondern Gemeinschaft mit Christus (vgl. Mt 22,37; Joh 15,9; 1Joh 3,1).
Eine Warnung für Familien
Die Gefahr, beim Lesen von Romantasy versehentlich in sexuell explizite Szenen hineinzustolpern, sollte Eltern eine Warnung sein. Und Teenager sollten sich bewusst mit den Risiken dahinter auseinandersetzen. In einem Interview für Reedsy sagte die Romantasy-Autorin Jennifer L. Armentrout: „Viele Romantasy-Cover sehen aus wie Fantasy-Bücher, neuen Lesern ist also möglicherweise gar nicht klar, dass sie eine Fantasy-Romanze lesen – was die Leserschaft weiter wachsen lässt.“
Diese Unklarheit führt dazu, dass junge Leser vielleicht ein ansprechendes Titelbild sehen, sich das Buch kaufen und unbeabsichtigt mit Inhalten konfrontiert werden, die ganz und gar unangemessen sind. Die von mir befragten Schüler sagten, dass der Klappentext von Fantasy-Büchern nur selten Hinweise auf mögliche explizite Inhalte enthält. Nachdem sie auf eine Szene gestoßen war, die sie wochenlang aufgewühlt hatte, gewöhnte sich eine Schülerin an, Bücher vor dem Kauf auf Common Sense Media oder Goodreads zu „prüfen“.
Diese Websites können eine wertvolle Ressource für Familien sein. „Ich warne Eltern schon seit Jahren vor dem Markt für Young Adult-Romane“, meint Jacobs. „Es gibt sehr, sehr wenige säkulare Autoren, die Young Adult-Bücher schreiben, ohne sinnliche Motive zu bedienen. … Wenn ein Teenager eifrig säkulare Young Adult-Romane liest, dann garantiere ich, dass er oder sie Softpornos konsumiert. Und die Eltern haben vielleicht keine Ahnung.“ Die Bücher von Yarros veranschaulichen Jacobs’ Punkt. Als sie Fourth Wing – Flammengeküsst zum ersten Mal vorstellte, wollte Yarros die Geschichte in einer Militäreinheit spielen lassen. Ihre Verleger hatten jedoch eine andere Idee: Sie „schlugen eine Änderung vor, die ein jüngeres Publikum ansprechen würde: Anstelle einer Militäreinheit sollte der neue Schauplatz eine Militärakademie mit neuen Rekruten sein.“
Behütet eure Herzen … und Bücherregale
Wie können wir uns in diesem trüben Umfeld gegenseitig zu Büchern führen, die wahrhaftig, rein, liebenswert und wohllautend sind (vgl. Phil 4,8)?
Entscheidend ist, dass wir Unterscheidungsvermögen kultivieren und einander zu einem biblischen Verständnis von Gottes Plan für Beziehungen verhelfen. Schwestern in Christus sollten sich über die Schönheit, das Geschenk und die Erfüllung des Ehebundes als Bild auf die Beziehung zwischen Christus und seiner Gemeinde austauschen (vgl. 1Mose 2,24; Eph 5,21–33). Wir sollten einander darauf hinweisen, dass Glück und Befriedigung nicht in den vergänglichen Dingen dieser Welt oder der Anerkennung durch einen Menschen zu finden sind (vgl. Kol 3,23–24), sondern in einer durch Christus wiederhergestellten Beziehung zu Gott; Jesus hat uns so unendlich geliebt, dass er sein Leben für uns hingegeben hat (vgl. Joh 3,16; 1Joh 3,16).
Zum Glück gibt es auch Möglichkeiten, uns zu schützen. Wir können uns angewöhnen, auf Rezensionsseiten nach anstößigen Inhalten zu suchen (für unsere Kinder oder für uns selbst). Auf Plugged In, Common Sense Media und Lorehaven sind Rezensionen zu beliebten Medien und Fantasy-Büchern zu finden, wobei der Schwerpunkt auf der Identifizierung unangemessener Elemente liegt.
Außerdem können wir unsere Bücherregale und unseren Geist mit lebensbejahenden Geschichten füllen und sie anderen weiterempfehlen. Vertiefe dich in klassische Literatur. Finde Bücher, die sich um Themen wie Erlösung, Hoffnung und Selbstaufopferung drehen.
Jacobs ermutigt und fordert Christen auch dazu auf, die Fülle an gottgefälliger Literatur von modernen christlichen Autoren zu beachten. Und an christliche Verleger gewandt sagte sie:
„Sie sollten saubere Romantasy-Romane veröffentlichen, die Gott ehren und den Leser näher zu Christus führen, anstatt ihn in ein Leben sexueller Abhängigkeiten zu stürzen. Romantasy ist ein Genre, das gute Bücher hervorbringen kann (und manchmal auch tut). Das Problem ist nicht das Genre an sich. Leser benötigen lediglich Hilfe, die richtigen Bücher zu finden.“