Fliegende Schriftrollen und ein souveräner Gott

Artikel von Michael Barrett
10. Juni 2025 — 5 Min Lesedauer

Die Person Sacharjas

„Sacharja“ war ein geläufiger Name im Alten Testament, aber der erste Vers bezeichnet ihn spezifischer als „den Sohn Berechjas, des Sohnes Iddos, den Propheten“. Nach Nehemia 12,1–4 gehörte Iddo zu den Priestern, die nach der babylonischen Gefangenschaft zusammen mit Serubbabel nach Palästina zurückkehrten. Die erste Priorität für die Rückkehrer aus dem Exil war der Wiederaufbau des Tempels, der von den Babyloniern zerstört worden war. Unter der Leitung von Serubbabel blühte die Arbeit zunächst auf, geriet dann aber aufgrund von äußerem Druck und innerer Apathie ins Stocken (vgl. Esra 4,5). Iddo, der Großvater Sacharjas, war sehr wahrscheinlich an den ersten Arbeiten am Tempel beteiligt. Sacharja trug entscheidend dazu bei, dass die Arbeiten dann vollendet wurden. Ironischerweise wurde Sacharja laut Jesus (vgl. Mt 23,35–37) genau in dem Tempel getötet, an dessen Wiederaufbau er maßgeblich beteiligt war.

Vor seiner Ermordung hatte Sacharja jedoch eine lange Amtszeit. Er datiert seine ersten Botschaften (Sach 1–6) auf das zweite Jahr des Darius, also auf 520 v. Chr. Seine zweite Serie (Sach 7–8) datiert er zwei Jahre später, im vierten Jahr des Darius (518 v. Chr.). Die Kapitel 9–14 sind nicht datiert, aber Verweise auf Griechenland (vgl. Sach 9,13) deuten auf ein späteres Datum hin, höchstwahrscheinlich zwischen 480 und 470 v. Chr. Insgesamt prophezeite Sacharja also etwa 50 Jahre lang.

Die Botschaft Sacharjas

Die babylonische Gefangenschaft war zwar vorbei, aber das Volk erlebte nicht den Segen oder den Wohlstand, den es erwartet hatte. Sie litten unter dem Widerstand der Samariter, der Verwüstung des Landes, harter Arbeit und Entbehrungen. Die Situation schien hoffnungslos zu sein; scheinbar hatte Gott sie vergessen. Der Name Sacharja bedeutet „der Herr erinnert sich“. Allein die Erwähnung seines Namens muss für das Volk daher eine Erinnerung daran gewesen sein, dass der Herr sie nicht vergessen hatte.

Das Hauptthema von Sacharjas Predigt war die Hoffnung auf Gottes unerschütterliches Ziel. Hoffnung ist ein in die Zukunft gerichteter Glaube. Wie jeder wahre Glaube ist auch die Hoffnung objektiv – und der Gegenstand der Hoffnung bestimmt ihren Wert. Hoffnung ist kein zitternder, zögerlicher Wunsch, bei dem man sich selbst die Daumen drückt. Im Gegenteil: Es ist eine zuversichtliche Erwartung, dass die Verheißungen Gottes wahr sein müssen. Der Blick auf Gott ist das Geheimnis der Hoffnung. Deshalb weist Sacharja das Volk auf Gott hin – auf seine Macht, seine Autorität, seine Bundestreue und seinen Christus.

Mit diesem Schwerpunkt auf Hoffnung ist es nicht verwunderlich, dass Sacharja eines der spezifischsten und ausdrücklichsten messianischen Bücher im gesamten Alten Testament ist. Der Fokus auf Gottes Erlösungsabsicht, den Fluch in und durch Christus umzukehren, war der Schlüssel, um die Hoffnung in einem Volk zu fördern und neu zu entfachen, das angesichts der Entmutigungen der Zeit in vielerlei Hinsicht die Hoffnung aufgegeben hatte. Christus zu sehen bedeutete, das Herz der Verheißung Gottes vor Augen zu haben und sich hinsichtlich jedes anderen Wortes sicher zu sein, denn alle Verheißungen Gottes sind Ja und Amen in Christus (vgl. 2Kor 1,20).

Besonders bemerkenswert ist, dass Sacharja die Mittlerfunktion Christi als idealen König, Priester und Prophet hervorhebt. Sein prophetisches Amt als Stellvertreter Gottes wird in Sacharja 13,7 deutlich, wo der Herr der Heerscharen den Messias als „meinen Hirten“ und den ihm ebenbürtigen mächtigen Mann bezeichnet, den er selbst schlägt. In Matthäus 26,31 wird dies direkt mit Christus und dem Kreuz in Verbindung gebracht. Es ist auch eine Parallele zu den Ausführungen Christi über den guten Hirten, wo er erklärt, dass er sein Leben für die Schafe hingibt und er und sein Vater eins sind (vgl. Joh 10,30). Der priesterliche Dienst findet am deutlichsten in dem messianischen Titel „der Spross“ Ausdruck, der in Sacharja 3,8 und Sacharja 6,12 in Analogie zu Jeschua, dem Hohenpriester, vorkommt. Darüber hinaus ist die ganze Vision von Jeschua, der vor dem Gericht des Himmels steht, ein schönes Bild dafür, wie Gott Sündern vergibt und sie rechtfertigt: Die Notwendigkeit der Rechtfertigung ist groß, der Akt der Rechtfertigung ist gnädig, das Fundament der Rechtfertigung (der Spross) ist solide, und die Forderung der Rechtfertigung ist nachvollziehbar. Das Königtum Christi findet sich in Sacharja 10,4 (der Eckstein, der Zeltpflock, der Kriegsbogen, der absolute Herrscher) und in Sacharja 9,9 – der Prophezeiung, die sich am Palmsonntag so konkret erfüllt. Auch Aspekte des Königtums, die mit dem zweiten Kommen Christi verbunden sind, sind Teil der Hoffnung (vgl. Sach 14). Es wäre daher keineswegs abwegig, diese Prophezeiung als das „Evangelium nach Sacharja“ zu bezeichnen.

Die Methode Sacharjas

In Sacharja 1,1 heißt es, dass das Wort des Herrn zu Sacharja kam. Unter anderem geschah das durch Visionen. Die ersten sechs Kapitel enthalten eine Reihe dieser Visionen, die einen Überblick über Gottes Pläne für sein Volk geben – angefangen bei den unmittelbaren Umständen der Zeit bis hin zur endgültigen Vollendung.

Abgesehen vom Inhalt der Botschaft ist Sacharja ein Fallbeispiel dafür, wie Gott sein Wort durch Visionen offenbart. Erstens waren die Visionen persönlich und intern. Nur der Prophet konnte sie sehen. Zweitens war der Empfänger der Vision gleichzeitig aktiver Teilnehmer. Sacharja unterhielt sich mit einem Engel, der ihm die Bedeutung der Vision erklärte. Drittens waren die Visionen höchst symbolisch. Die farbigen Pferde, die vier Schmiede, die Leuchter und Ölbäume, die fliegenden Schriftrollen und die Streitwagen wiesen alle auf eine geistliche Realität hin.

Ein weiteres Merkmal von Sacharjas Methode war der apokalyptische Ton, eine Art Vorhersage, die sich auf die ferne Zukunft bezog, einschließlich der endgültigen Vollendung. Die Botschaft Sacharjas geht also über das nachexilische Israel hinaus: Er versichert der Gemeinde, dass Gott die Kontrolle hat und alles der Erfüllung seines ewigen Planes dienen muss.