Gott gebraucht uns trotz unserer Schwächen

Das Leben von David Brainerd

Artikel von John Piper
4. Juni 2025 — 8 Min Lesedauer

Das Leben von David Brainerd war kurz: nur 29 Jahre, 5 Monate und 19 Tage. Acht Jahre davon war er Christ, vier Jahre Missionar. Und doch hat sein Leben tiefgreifende Wellen geschlagen wie kaum ein anderes.

Wie konnte sein Einfluss so groß werden? Warum meinte John Wesley, jeder Prediger solle Das Leben von David Brainerd sorgfältig lesen? Warum bezeichnete William Carey die von Jonathan Edwards verfasste Biografie als wertvolle und heilige Lektüre? Warum sagte Henry Martyn, der später als Missionar nach Indien und Persien ging, bereits 1802 als Student in Cambridge: „Ich möchte so sein wie David Brainerd“? (Die Zitate wurden neu übersetzt und stammen nicht aus der deutschen Ausgabe des Buches, alle Seitenangaben beziehen sich entsprechend auf die englische Ausgabe von The Life of David Brainerd.)

Wie konnte dieses Leben solch erstaunliche Wirkung entfalten? Oder etwas bescheidener gefragt: Warum hat Brainerds Leben für mich persönlich so große Bedeutung? Wie hat es mir geholfen, in meinem Dienst auszuharren, nach Heiligkeit zu streben, Gottes Kraft zu suchen und ein fruchtbares Leben zu führen?

Brainerds Leben ist für mich ein lebendiges Zeugnis dafür, dass Gott schwache, kranke, entmutigte, niedergeschlagene, einsame und ringende Heilige gebraucht – solche, die Tag und Nacht zu ihm rufen. Durch sie wirkt er Großes zu seiner Ehre. Das Leiden von Christen bringt reiche Frucht.

Ausschluss von Yale

David Brainerd wurde am 20. April 1718 in Haddam, Connecticut (USA), geboren. Mit 21 Jahren kam er zum Glauben. Während seines dritten Studienjahrs in Yale bereitete er sich auf den pastoralen Dienst vor. In seinem Übereifer äußerte er sich kritisch über einen Tutor: Dieser habe „so wenig Gnade wie ein Stuhl“. Die Erweckung war in vollem Gange und schürte Spannungen zwischen den erweckten Studenten und den eher reservierten Dozenten. Brainerd wurde trotz seiner herausragenden Leistungen der Universität verwiesen.

Wiederholt bemühte er sich um eine Rückkehr, jedoch vergeblich. Gott hatte andere Pläne. Er hätte sechs ruhige Jahre als Pastor oder Dozent verbringen und in Frieden sterben können – ohne bleibenden Einfluss auf Gottes Reich. Stattdessen führte Gott ihn in die Wildnis, wo er für ihn leiden musste. So wurde sein Leben zu einem Meilenstein in der Geschichte der Mission.

Körperliches Leiden

Brainerd litt fast sein gesamtes Leben unter Krankheit. 1740 konnte er das College wochenlang nicht besuchen, weil er Blut hustete. Im Mai 1744 schrieb er in sein Tagebuch: „Ich ritt mehrere Stunden durch die regnerische, windige Wildnis, obwohl mein Körper so zerschlagen war, dass kaum etwas anderes als Blut aus mir herauskam“ (S. 447). An anderer Stelle heißt es: „Am Nachmittag wurden meine Schmerzen so stark, dass ich mich ins Bett legen musste … Ich war zeitweise kaum bei Bewusstsein, so groß war der Schmerz“ (S. 253).

Im Mai 1747, während eines Aufenthalts bei Jonathan Edwards, diagnostizierten Ärzte unheilbare Tuberkulose. Eine Woche vor seinem Tod sagte Brainerd zu Edwards: „Es ist unmöglich, die Qualen in meiner Brust zu beschreiben. Ich fürchte, Gott durch Ungeduld betrübt zu haben. Der Gedanke, diese Schmerzen auch nur eine weitere Minute ertragen zu müssen, war kaum zu ertragen.“ In der Nacht vor seinem Tod erklärte er: „Sterben ist anders, als man es sich vorstellt“ (S. 475–476).

Seelisches Leiden

Brainerd litt unter wiederkehrenden Depressionen. Er sprach oft davon, dass seine Seele wie tot sei. In mindestens 22 Tagebucheinträgen sehnt er sich nach dem Tod, um seinem Elend zu entkommen. Am Sonntag, dem 3. Februar 1745, schrieb er:

„Meine Seele erinnerte sich an die Wermut und Galle (man könnte sagen: Hölle) des vergangenen Freitags, und ich fürchtete, erneut aus diesem ‚Taumelbecher‘ trinken zu müssen, der unvorstellbar bitterer war als der Tod. Ich sehnte mich unaussprechlich nach dem Grab“ (S. 285).

Erst später sah er sich als „geeignetes Objekt für die Barmherzigkeit Jesu Christi“. In den dunklen Stunden fehlten ihm jedoch Hoffnung, Liebe oder Gottesfurcht. Anders als William Cowper, der an Depressionen litt und mehrere Suizidversuche unternahm, hatte Brainerd keine Selbstmordgedanken. Sein Todeswunsch blieb eingebettet in der biblischen Wahrheit: „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen“ (Hiob 1,21).

Einsamkeit

Im April 1743 belauschte Brainerd ein Gespräch zweier Fremder über belanglose Dinge und schrieb: „Ach, wie sehr wünschte ich mir, ein Bruder in Christus würde meinen Kummer teilen!“ (S. 204). Einen Monat später notierte er: „Die meisten Gespräche, die ich höre, sind auf Schottisch oder in der Sprache der Indianer. Ich habe keinen Mitchristen, dem ich mein Herz ausschütten kann, keinen, mit dem ich über himmlische Dinge sprechen und beten kann“ (S. 207).

Am 8. Mai 1744 schrieb er: „Mein Herz sank beim Gedanken an meine Arbeit: wieder allein in die Wildnis zu gehen und umherzuwandern“ (S. 248).

Bis zum Ende war Brainerd allein in seinem Dienst. In den letzten 19 Wochen seines Lebens pflegte ihn Jerusha, die 17-jährige Tochter Jonathan Edwards’. Viele vermuten eine tiefe, womöglich romantische Bindung zwischen ihnen. Doch im Dienst war er einsam, seine Seele konnte er nur Gott ausschütten – und Gott trug ihn.

Unerschütterliches Ausharren

Trotz aller Herausforderungen – körperliche Gebrechen, seelische Tiefs, Einsamkeit oder äußere Widrigkeiten – gab Brainerd seinen Dienst nie auf. Er war durchdrungen von dem Wunsch, seinen Lauf zu vollenden, Christus zu ehren, das Reich Gottes zu verbreiten und in Heiligung zu wachsen. Gerade seine Treue macht sein dunkles Leben so herrlich.

Unter den Gnadenmitteln, die ihn stärkten, waren Gebet und Fasten besonders wichtig. Mitunter betete er den ganzen Tag. Am 30. Juni 1742 schrieb er: „Ich habe fast den ganzen Tag ununterbrochen gebetet.“ An manchen Tagen setzte er sich fünf bis sechs Zeiten für das Gebet: „Gepriesen sei Gott, dass ich fünf- oder sechsmal am Tag beten und loben konnte. Ich trug eine schwere Last auf der Seele um das Heil dieser kostbaren Seelen und das Reich des Erlösers unter ihnen“ (S. 280).

Auch das Fasten war fester Bestandteil seines Lebens. Besonders eindrücklich ist sein Fasten an seinem 25. Geburtstag:

„Mittwoch, 20. April: Ich habe diesen Tag dem Fasten und Gebet gewidmet, um meine Seele vor Gott zu demütigen und für die Gabe seiner göttlichen Gnade zu danken – vor allem, dass meine geistlichen Anfechtungen und inneren Nöte geheiligt werden mögen. Meine Seele schmerzte bei dem Gedanken, wie fruchtlos ich bin und wie wenig ich zur Ehre des ewigen Gottes gelebt habe. Ich verbrachte den Tag allein im Wald und schüttete dort mein Herz vor Gott aus. Ach, möge Gott mich befähigen, künftig zu seiner Ehre zu leben!“ (S. 205)

Ein unermesslicher Einfluss

Brainerds Leben hinterließ einen bleibenden Eindruck bei Jonathan Edwards, der zwei Jahre nach dessen Tod die Biografie verfasste. Kein Werk von Edwards wurde häufiger nachgedruckt. Dieses Buch wurde zum Werkzeug für Brainerds weltweiten Einfluss. Unzählige Missionare berichten, wie sie durch sein Vorbild ermutigt wurden – darunter viele bekannte Namen und ebenso viele unbekannte, treue Christen.

Ein Kieselstein, der ins Meer der Geschichte fällt, kann Wellen schlagen, die Jahrhunderte später noch an ferne Küsten treffen. Robert Glover fasst es staunend zusammen:

„Es war Brainerds heiliges Leben, das Henry Martyn zum Missionsdienst bewegte und William Carey maßgeblich inspirierte. Carey wiederum motivierte Adoniram Judson. Und so lässt sich dieser geistliche Stammbaum weiterverfolgen: Hus, Wycliffe, Francke, Zinzendorf, die Wesleys, Whitefield, Brainerd, Edwards, Carey, Judson – ein Glied reiht sich ans nächste in der wahren apostolischen Nachfolge geistlicher Kraft und weltweiten Dienstes“ (The Progress of World-Wide Missions, S. 56).

Doch die tiefgreifendste Frucht seines Dienstes liegt in dem, was auch heute der treue Dienst eines jeden Pastors bewirken kann: Es gab Indianer – vielleicht Hunderte –, die ihr ewiges Leben der Liebe und dem Dienst David Brainerds verdanken.

Wer kann den Wert einer einzigen Seele ermessen, die aus dem Reich der Finsternis in das Reich von Gottes geliebtem Sohn versetzt wurde? Ob wir 29 oder 99 Jahre leben – wäre nicht jedes Opfer es wert, auch nur eine Seele vor ewigem Verderben zu retten?

Der Blick nach vorn und nach oben

Ich danke Gott für den Dienst David Brainerds in meinem Leben: seine Leidenschaft für das Gebet, die geistliche Speise durchs Fasten, die Schönheit des Wortes Gottes, das Ausharren im Leiden, der Fokus auf Gottes Ehre, die tiefe Gnadenabhängigkeit, das Ruhen in Christi Gerechtigkeit, das Nachgehen hinter verlorenen Sündern, das Streben nach Heiligkeit mitten im Schmerz, das Denken an das Ewige – und das gute Ende, ohne die Krankheit zu verfluchen, die ihn mit 29 Jahren aus dem Leben riss. Trotz aller Schwächen, Sünden und inneren Kämpfe liebe ich David Brainerd.

Möge uns Gott die anhaltende Gnade schenken, mit Leidenschaft seine Erhabenheit unter allen Menschen zu verbreiten! Das Leben ist zu kostbar, um es mit Belanglosigkeiten zu verschwenden. Möge Gott uns die unbeirrbare Entschlossenheit und Dringlichkeit schenken, mit der David Brainerd betete und lebte: „Ach, dass ich niemals auf meiner himmlischen Reise trödeln möge!“ (S. 186).