Gott liebt uns trotz allem, was er über uns weiß

Die Botschaft des Propheten Hosea

Artikel von Michael Barrett
20. Mai 2025 — 5 Min Lesedauer

Der einzige Schriftprophet aus dem Nordreich

In Hosea 1,1 wird Hoseas Wirken auf die Regierungszeit des Nordkönigs Jerobeam II. und der Südkönige Usija, Jotham, Ahas und Hiskia datiert. Damit wäre er ein Zeitgenosse Jonas (vgl. 2Kön 14,25), einem weiteren Propheten aus dem Norden (wobei das Buch Jona sich auf dessen Wirken in Ninive konzentriert).

Hosea war auch ein Zeitgenosse von Amos (einem Missionar im Nordreich, der aus dem Südreich stammte), sowie von Jesaja und Micha (Propheten im Südreich). Sein Wirken begann wahrscheinlich in den letzten Jahren der Regierungszeit Jerobeams II. (um 753 v. Chr.) und den ersten Jahren von Hiskia (um 725 v. Chr.), bevor Samaria 722 v. Chr. an die Assyrer fiel. Es war eine Zeit der politischen Krise und des religiösen Chaos, in der Hosea mit großer Dringlichkeit zu einem Volk predigte, das am Rande einer nationalen Katastrophe stand.

Das Leben als Illustration der Botschaft

Hoseas Ehe mit Gomer war eine Veranschaulichung für die Botschaft, die er predigte. In Hosea 3,1 wird Hoseas Ehe mit Gomer ausdrücklich mit Gottes Ehe mit Israel in Verbindung gebracht. Hoseas Beziehung zu Gomer und Gottes Beziehung zu Israel wurden durch Liebe (göttliche Gnade) initiiert, durch Sünde (göttliches Missfallen) verschmäht und durch Loyalität (göttliche Treue) aufrechterhalten. Hoseas beständige Liebe und Treue zu Gomer sind ein wunderbares Bild für die unerschütterliche Liebe und Treue Gottes zu Israel. Auf der anderen Seite war Gomers Untreue gegenüber Hosea ein tragisches Bild für Israels verräterische Untreue gegenüber Gott. Im gesamten Alten Testament ist die Ehe ein Symbol für die Beziehung zwischen Gott und seinem Volk, und nirgends so sehr wie in Hosea.

Die Ehe von Hosea ist für die Botschaft des Buches von entscheidender Bedeutung. Bei der Auslegung stellt sie allerdings ein großes Problem dar. Den Kern des Problems bildet der Befehl Gottes an Hosea, eine „hurerische Frau“ zu heiraten (Hos 1,2). Oberflächlich betrachtet entsteht hier ein moralisches und ethisches Dilemma, denn es scheint den klaren Anweisungen und Einschränkungen Gottes für die Ehe von Priestern zu widersprechen – insbesondere dem Verbot, eine Prostituierte zu heiraten (vgl. 3Mose 21,7.13). Wenn es für einen Priester eine Schande war, eine Prostituierte zu heiraten, dann wohl auch für einen Propheten. Darüber hinaus wurde in 5. Mose 22,13.20–21 jede Frau zum Tode verurteilt, die sich zum Zeitpunkt der Heirat als unkeusch erwies. Wäre es also nicht angemessener, wenn das Buch Hosea mit einer Beerdigung beginnen würde statt mit einer Hochzeit? Für die Lösung des Problems gibt es zwei wesentliche Auslegungsmöglichkeiten. Entweder man versteht die Eheschließung hypothetisch oder wörtlich.

Hypothetisch oder wörtlich?

Die hypothetische Sichtweise interpretiert die Ehe als rein symbolisch: Sie soll Gottes Beziehung zu Israel und Israels geistliche Untreue gegenüber Gott bildlich ausdrücken. Diese Sichtweise umgeht das moralische und ethische Problem, während das Motiv der Ehe weiterhin die theologische Bedeutung der Liebe Gottes zu einem unverdienten Volk zum Ausdruck bringt. Ihre Schwäche ist, dass sie auf theologischer Zweckmäßigkeit statt auf textlichen Belegen beruht.

Bei der wörtlichen Deutung gibt es mehrere Varianten, die alle darin übereinstimmen, dass eine tatsächliche Heirat stattgefunden hat, sich aber über die Art oder den Zeitpunkt der Prostitution Gomers uneinig sind. Einige behaupten, dass Gomer zum Zeitpunkt der Heirat eine Prostituierte war, und argumentieren, dass Gott seine zuvor festgelegten Normen außer Kraft gesetzt hat, um seine gnädige Liebe zu unverdienten Sündern zu unterstreichen. Andere behaupten, die Prostitution beziehe sich eher auf geistlichen Götzendienst als auf Unzucht. Damit ist zwar das Problem der Heirat mit einer sexuell unreinen Frau beseitigt, aber es schafft ein nicht weniger ernstes Problem, wenn Gott dem Propheten befiehlt, eine Götzendienerin zu heiraten. Gottes Verbot einer interreligiösen Ehe war eindeutig (vgl. 5Mose 7,3–4).

Eine andere wörtliche Auslegung der Ehe, die sogenannte „proleptische Sicht“, besagt, dass Gomer bei der Hochzeit rein war, später aber zur Prostituierten wurde. Der Text beschreibt jedoch, was Gomer war, nicht, was sie sein würde. Eine andere Lösung besteht darin, das Wort „Hurerei“ so zu verstehen, dass es eher eine innere Eigenschaft als ein äußeres Verhalten beschreibt. Er bezieht sich wahrscheinlich auf Gomers latente Neigung zur Unmoral, die nicht lange nach der Heirat zum Vorschein kam. In Hosea 3,1 war sie tatsächlich zu einer Ehebrecherin geworden, was darauf hindeutet, dass sich ihre Neigungen in tatsächlicher Unzucht entluden. Diese Sichtweise betont, dass Gott Hosea im Voraus etwas über Gomers Inneres offenbart hat, das die Heiligkeit der Ehe gefährden würde. Dass Hosea von Anfang an wusste, dass sie ihn verletzen könnte, unterstreicht die Selbstlosigkeit seiner Liebe. Darin liegt die entscheidende Parallele zur geistlichen Dimension für Gläubige: Gott liebt uns trotz allem, was er über uns weiß.

Ein Hinweis auf Gottes Gnade in Christus

Hoseas Warnungen und Aufforderungen zur Umkehr blieben ungehört, und das Gericht über das Volk war unausweichlich. Doch die Folgen der ignoranten und törichten Ablehnung der Botschaft des Propheten durch Israel nahmen die Gnade des Evangeliums vorweg. Nach 2. Könige 15,29 war das Land Naftali das erste Gebiet, das Gottes Gericht erfuhr. Doch laut Matthäus 4,12–16 war es die erste Region, die das Wirken Jesu erlebte. Die Dunkelheit der Zeit Hoseas musste dem Licht Christi weichen. Die finstere Zeit war nur eine Vorstufe des kommenden Lichts: Als die Zeit erfüllt war, erschien Christus und brachte das Heil. Gottes Pläne erfüllen sich stets – auch wenn sie sich manchmal auf dunklen Wegen entfalten.