Neu Vertrauen lernen im leeren Nest

Was, wenn die Kinder aus dem Haus sind?

Artikel von Eowyn Stoddard
19. Mai 2025 — 5 Min Lesedauer

Hier sitze ich nun, in dem ruhigen Haus, in das wir vor kurzem eingezogen sind. Als unser jüngstes Kind an die Universität ging, sind wir aus der Stadt, in der wir 23 Jahre gelebt haben, weggezogen. Gerade ist mein Mann für zehn Tage beruflich unterwegs und unser alternder Familienhund erträgt die Stille und das Schweigen genauso wenig wie ich. Sein anhaltendes Winseln reißt mich aus meiner Einsamkeit. Das Nest ist leer!

Das war nicht immer so. Früher war unser Haus voller Leben; mit fünf Kindern gab es immer etwas zu tun – morgens mussten alle zur Schule gebracht werden, gefolgt von Nachmittagen, die mit Hausaufgaben, Sport und Familienessen gefüllt waren. Neben unseren eigenen Kindern hatten wir in den letzten fünf Jahren deutsche Studentinnen und Studenten zu Gast, um mit ihnen nächtliche Diskussionen über das Leben und den Glauben zu führen. Es waren belebte Jahre, aber dieses Kapitel ist nun zu Ende.

Ein neues Kapitel

Normalerweise freue ich mich, wenn ich in einem Buch ein neues Kapitel aufschlage. Es bedeutet Fortschritt und Abenteuer. Doch diesmal fühlt es sich anders an. Die Seiten meines künftigen Lebens sind leer und ich weiß nicht, wie ich sie füllen soll. Nach 25 Jahren in meiner Rolle als Mutter frage ich mich, wer ich ohne diese tägliche Verantwortung eigentlich bin. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als ich schuldbewusst davon träumte, dass es im Haus ruhig sein und ich mehr Raum für mich selbst haben würde. Verstehe mich nicht falsch! Diese neue Phase hat sicherlich ihre Vorteile: die Freiheit, meine Zeit selbst einzuteilen, mit meinem Mann zu reisen und die Möglichkeit, persönlichen Interessen nachzugehen. Dennoch vermisse ich die turbulentere Zeit, als mein Nest noch nicht so leer war.

Eine Zeit der Fragen

Was wäre, wenn?

Die Zeit, in der ich mich erstmals im „leeren Nest“ wiederfand, hat dazu geführt, dass ich überdenke, ob ich meine Kinder richtig erzogen habe. In den ruhigen Minuten plagen mich die Fragen: Was wäre, wenn wir die Kinder zu Hause unterrichtet hätten, anstatt sie in eine öffentliche Schule zu schicken? Was wäre, wenn unsere Kinder in einer förderlicheren Umgebung aufgewachsen wären? Was wäre, wenn ich mehr gebetet hätte oder weniger ängstlich gewesen wäre? Mein Mann erinnert mich daran, dass dieses Was-wäre-wenn-Spiel ein Verliererspiel ist. Gott hat in jedem Moment unseres Lebens die Oberhand, auch was meine Fehler und die Entscheidungen meiner Kinder betrifft. Er hat mich als ihre Mutter ausgewählt, bestimmt, wo wir leben würden, und er wusste, wie sie sich entwickeln würden. Außerdem liebt er sie mehr, als ich es je könnte.

Trotzdem!

Wenn ich auf die vergangenen 25 Jahre zurückblicke, hat Gott uns mit so vielen guten Gaben gesegnet, auch wenn das Leben nicht immer einfach war. Ich bin im Glauben und in der Abhängigkeit von Gott gewachsen, auch wenn meine Bemühungen nicht immer das gewünschte Ergebnis brachten. Unsere Ehe hat standgehalten, auch wenn es Herausforderungen gab. Gott hat an seinem Reich gebaut, auch wenn wir Fehler gemacht haben. Trotz unserer Unvollkommenheit und unseres Versagens war Gottes Gnade reichlich vorhanden.

Eine Zeit, unserer Berufung zu folgen

Dieses neue Kapitel, wenn die Kinder aus dem Haus sind, kann eine großartige Gelegenheit sein, uns als Nachfolger Christi weiterzuentwickeln. Meine Hauptidentität liegt in Christus, nicht darin, dass ich Mutter bin (vgl. Phil 1,21). Ich kann bewusster dienen, wenn ich weniger Fixtermine habe und ich kann überlegen, wie ich das letzte Drittel meines Lebens verbringen möchte. Ich möchte nicht stellvertretend durch meine Kinder leben. Stattdessen bitte ich Gott, mich dort einzusetzen, wo ich meine Gaben nutzen kann, um seinem Reich auch in dieser neuen Lebensphase zu dienen. Ich möchte mich auf andere konzentrieren, die Jesus brauchen, auf geistliche Kinder, die Gott noch berufen wird, ohne dabei meine erwachsenen Kinder zu vernachlässigen.

Eine Zeit, unsere Ehe zu erneuern

Dieses neue Kapitel verlangt von meinem Mann und mir, unsere Beziehung neu zu bewerten. Wie können wir in unserer Liebe weiter wachsen, gemeinsame Interessen entwickeln und ein Gleichgewicht zwischen gemeinsamer und getrennter Zeit finden? Wir wollen nicht, dass unsere Ehe stagniert oder sich auflöst. Stattdessen wollen wir, dass sie zu einem Zufluchtsort für andere wird und zu einem klareren Bild für das Evangelium von Christus und seiner Braut, der Gemeinde (vgl. Eph 5,32).

Eine Zeit, unser Vertrauen in Gott zu stärken

Ein leeres Nest bietet auch eine gute Gelegenheit, mein Vertrauen in Gott zu erneuern. Nach 23 Jahren auf dem Missionsfeld, mit geistlichen Kämpfen, Herausforderungen und harten Rückschlägen, muss ich mein Vertrauen in Gott erneuern. Es war demütigend und schmerzhaft zu erleben, dass manche unserer Kinder nicht mit dem Herrn Jesus leben. Doch langsam lerne ich, auf Gottes Souveränität zu vertrauen, auch wenn ich das Ergebnis noch nicht sehen kann.

Eine hoffnungsvolle Zukunft

Die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Bis dahin möchte ich eine ausdauernde Beterin sein. Ich möchte einen fröhlichen, zuversichtlichen Glauben leben, den meine Kinder vielleicht eines Tages nachahmen wollen. Mein leeres Nest ist eine Gelegenheit, mich neu auf Gott auszurichten, ihm radikaler zu vertrauen und strategisch in sein Reich zu investieren. Wenn ich über Gottes Treue in der Vergangenheit nachdenke, habe ich Hoffnung, dass Gott mir und meiner Familie auch in Zukunft treu sein wird. Und diese Zukunft wird alles andere als inhaltslos sein! Sie wird erfüllt sein von dem herrlichen Klang der Anbetung, die von den Lippen aller Nationen und Stämme und Völker und Sprachen kommt (vgl. Offb 7,9–10). Jedes neue Kapitel meines Lebens wird besser sein als das letzte, bis in alle Ewigkeit. Das Beste kommt noch. Lasst uns also diesem Ziel nachjagen (vgl. Phil 3,12–14). Es wird sich lohnen!