Wenn du dir nach einer Abtreibung selbst nicht vergeben kannst

Artikel von Kendra Dahl
12. Mai 2025 — 9 Min Lesedauer

Jedes Mal, wenn ich von meiner Abtreibung erzähle, kommen danach Leute auf mich zu, um ihre eigene Geschichte zu teilen. Dabei fällt immer wieder folgender Satz: „Ich weiß, dass Gott mir vergeben hat, aber ich kann mir selbst einfach nicht vergeben.“

Darauf gibt es eine einfache theologische Antwort: Das musst du auch nicht. In der Bibel gibt es weder ein Beispiel noch eine Kategorie für Selbstvergebung. Mit der Behauptung, wir müssten uns selbst vergeben, nehmen wir den Platz Gottes ein – er ist derjenige, gegen den wir gesündigt haben, und der Einzige, der Vergebung schenken kann (vgl. Ps 51,6; Röm 8,33).

Doch diese theologische Antwort – so reichhaltig und wahr sie auch sein mag – wirkt wie eine Plattitüde auf eine Frau, die mit den Folgen einer Abtreibung zu kämpfen hat. Justin Taylor verweist auf die seelsorgerliche Dimension des Themas Selbstvergebung: „Bevor man jemandem antwortet, der sagt, er könne sich selbst nicht vergeben, ist es klug, erst einmal herauszufinden, was die Person mit dieser Formulierung meint.“

Die Sünde der Abtreibung weist einige spezifische Aspekte auf, die sich hinter dem quälenden Wunsch nach Selbstvergebung verbergen. Sie zu verstehen, kann uns dabei helfen, Frauen in Not beizustehen.

1. Abtreibung ist eine besondere Form von Selbstschädigung

Sünde ist immer auch Selbstschädigung. Gottes Gesetz offenbart sein Wesen und zeigt uns den Weg der Rechtschaffenheit, der letztlich zu menschlichem Gedeihen führt. Wenn wir gegen Gott sündigen, schaden und verletzen wir auch uns selbst – und manche Sünden richten mehr Schaden an als andere. Der Apostel Paulus veranschaulicht diesen Punkt, wenn er den besonderen Schaden sexueller Unzucht hervorhebt: „Jede Sünde, die ein Mensch [sonst] begeht, ist außerhalb des Leibes; wer aber Unzucht verübt, sündigt an seinem eigenen Leib“ (1Kor 6,18).

Auch andere Sünden wie Essstörungen oder Selbstverletzungen können in diese Kategorie der Sünden gegen den eigenen Leib fallen, aber Abtreibung ist eine besondere Ausprägung dieser Sünde. Frauen sind nach Gottes Ebenbild als „Lebensspenderinnen“ geschaffen. Diese Bezeichnung bringt Susan Hunt mit der einzigartigen „erlösenden Berufung“ der Frauen in Verbindung, die sich auf „jede Beziehung und jeden Umstand“ erstreckt. Obwohl dies weit mehr bedeutet, als Babys zu bekommen, ist es zweifellos ein Angriff auf diese lebensspendende Natur, deinem ungeborenen Kind das Leben zu nehmen. Abtreibung ist eine Sünde mit vielen Opfern, und eines davon ist der eigene Leib der Frau.

Einige Frauen entscheiden sich „unwissend“ für eine Abtreibung, ohne sich der Schwere der Sünde bewusst zu sein, weil sie den Lügen über den Beginn des menschlichen Lebens glauben. Andere sind echte Opfer, die unter der Anleitung von Menschen, die sie hätten schützen sollen, zu Abtreibungen gezwungen werden. Ich und viele weitere hingegen wussten, dass Abtreibung sündhaft und falsch ist – und wir haben uns dennoch dafür entschieden. Unsere Sünde richtet sich in letzter Instanz gegen Gott und sein heiliges Gesetz. In gewisser Weise haben wir aber auch gegen uns selbst gesündigt, indem wir unser Gewissen verletzt haben (vgl. Röm 14,23).

Eine Frau, die glaubt, sich selbst nicht vergeben zu können, kämpft vielleicht mit der Realität, dass durch die Sünde ihre „Ganzheit“ zerbrochen ist. Indem sie ihr Gewissen verraten und gegen ihren Körper gesündigt hat, hat sie ihr eigenes Vertrauen missbraucht und Schaden an Leib und Seele angerichtet. Was sie jedoch braucht, ist nicht Selbstvergebung, sondern das erneuernde Werk Christi durch seinen Geist. Christus hat uns von der Schuld der Sünde befreit, aber die Macht der Sünde bleibt bestehen, da wir sowohl gegen anhaltende Versuchungen als auch gegen die Schäden kämpfen müssen, die durch unsere vergangenen Sünden verursacht wurden. Wir neigen dazu, Heiligung damit in Verbindung zu bringen, dass wir weniger sündigen, aber bei dem uns verwandelnden Werk des Geistes geht es auch darum, wieder „heil“ und „ganz“ zu werden.

2. Abtreibung ist eine Sünde, aber auch ein Trauma

Unser Wunsch nach Selbstvergebung hängt oft mit den Nachwirkungen der Sünde zusammen. Wir denken: „Wenn ich Gottes Vergebung angenommen habe, aber immer noch in Kämpfen und Schwierigkeiten stecke, dann muss ich mir selbst vergeben.“ Wenn wir diese Hürde endlich genommen haben, so hoffen wir, wird auch die Scham endlich verschwinden. Abtreibung ist aber nicht nur eine Sünde, für die man Buße tun muss, sondern auch ein Trauma, das Heilung braucht.

Vergebung kommt schnell, wenn wir uns im Glauben an Christus wenden, aber Heilung braucht Zeit. Wenn wir dies als die Notwendigkeit bezeichnen, uns selbst zu vergeben, verrät das den Wunsch, den Heilungsprozess zu umgehen – und ihn zu kontrollieren. Wir suchen nach einer schnellen Lösung und nicht nach dem schwierigen Weg, den wir mit Jesus und in Gemeinschaft mit anderen durch unseren Schmerz und unser Leid gehen müssen.

Eine Frau, die sagt, sie könne sich nicht vergeben, glaubt vielleicht auch, sie hätte die Heilung durch Christus nicht verdient. Sie meint dann, ihre Sünde sei zu groß und sie verdiene es, sich für den Rest ihres Lebens in ihrer Schande zu suhlen. Denk an die blutflüssige Frau, deren Scham sie davon abhielt, Jesus um Heilung zu bitten (vgl. Mk 5,24–34). Stattdessen schlich sie sich von hinten an ihn heran und hoffte nur, den Saum seines Gewandes zu berühren. Jesus lässt jedoch nicht zu, dass sie sich davonschleicht und im Schatten verschwindet. Er heilt sie, aber er sieht sie auch an, gibt ihr ihre Würde zurück und bestätigt ihren Wert.

Frauen, die eine Abtreibung hinter sich haben, brauchen keine Selbstvergebung; sie brauchen Heilung. Keine Sünde – wie groß sie auch sein mag – kann uns trennen von Christi heilenden Wunden (vgl. Jes 53,5) und seinem heilenden Wort (vgl. Ps 107,20).

3. Abtreibungsopfer können keine Vergebung aussprechen

Vor einigen Jahren nahm ich an einem Seminar für Männer und Frauen teil, die eine Abtreibung hinter sich haben. Die paar Tage, die ich mit einer Gruppe von Fremden in den Wäldern verbrachte, waren schön und seltsam zugleich.

Mit einem Zeitplan, der darauf ausgerichtet war, eine schnelle Erfahrung von Vergebung und Heilung zu ermöglichen, führten uns die Gruppenleiter durch verschiedene Übungen, die den Kummer und die Scham freisetzen sollten, die wir jahrelang versteckt hatten. Eine bleibt mir besonders in Erinnerung. Der Redner deckte einen Tisch auf, der voll mit Teddybären war, die in handgefertigte Decken eingewickelt waren. Jeder sollte sich einen aussuchen und mit dem Bären seiner Wahl den Nachmittag verbringen – mit ihm reden, ihn umarmen und ihm einen Namen geben. Obwohl der Redner klarstellte, dass es sich dabei nicht um eine Reinkarnation unseres abgetriebenen Babys handelte, bot die Übung vielen Teilnehmern ein Ventil, jahrelang aufgestauten Kummer loszuwerden, während sie ein Symbol dessen in den Händen hielten, was sie verwirkt hatten.

Diese Art von Übungen mögen ihre Berechtigung haben, aber ich habe festgestellt, dass meine eigene Heilung allmählich und in kleinen Schritten geschieht: durch den gewöhnlichen Dienst des Wortes und Sakramentes, die treue Liebe meines Ehemannes und meiner Gemeinde sowie die Hilfe eines guten Therapeuten. Aber ich denke, dass diese Übung einen weiteren Aspekt unseres Strebens nach Selbstvergebung aufzeigt.

„In der Bibel gibt es zwei – und nur zwei – Arten der Vergebung“, schreibt John Beeson, „die Vergebung anderer und Gottes Vergebung. Horizontal und vertikal. … Es reicht nicht, Gott um Vergebung zu bitten. Wir müssen außerdem diejenigen um Vergebung bitten, die wir verletzt haben.“ Wie soll eine Frau, die eine Abtreibung hinter sich hat, um diese Vergebung bitten? Da es in diesem Fall kein lebendes Opfer gibt, wendet sie sich nach innen. Es ist so, als sei das Baby, das sie abgetrieben hat, ein Teil von ihr geworden, und sie bittet um Vergebung.

König David hatte Blut an seinen Händen, und doch erklärte er dem Herrn: „An dir allein habe ich gesündigt“ (Ps 51,6). Gott hätte das Recht, uns zu verurteilen, aber stattdessen rechtfertigt er uns und erklärt uns für gerecht in seinem Sohn (vgl. Ps 51,6; Röm 8,33). Manchmal können wir auf der horizontalen Ebene keine Vergebung erlangen, aber den Freispruch, den wir suchen, schon. Nur finden wir diesen nicht in uns selbst.

Die Antwort, die du suchst, liegt außerhalb von dir

Der protestantische Reformator Philipp Melanchthon schrieb oft an Martin Luther über seine Schwierigkeiten, an das Evangelium zu glauben. „Ich bin heute Morgen aufgewacht und habe mich gefragt, ob ich Christus genug vertraue“, schrieb er in einem Brief. Verärgert antwortete Luther: „Melanchthon! Geh und sündige tapfer! Dann geh zum Kreuz und bekenne es mutig! Das ganze Evangelium ist außerhalb von uns.“ Rod Rosenbladt erzählt diese Geschichte, um die „Fremdheit des Evangeliums“ zu veranschaulichen: „Christi Tod war außerhalb von mir und für mich.“ Er schreibt: „Luthers frustrierter Ratschlag war keine Einladung, der Sünde zu dienen, sondern ein Versuch, Melanchthon zu schockieren, damit dieser erkennt, dass seine einzige wahre Gerechtigkeit außerhalb von ihm liegt.“

Vielleicht brauchen Frauen, die abgetrieben haben, einen solchen Schock. Unsere Sünde ist groß, aber das Blut Christi ist größer. Wir werden von einem Feind angeklagt, der uns verschlingen will (vgl. 1Petr 5,8). Er verklagt uns Tag und Nacht (vgl. Offb 12,10) und verführt sogar unser Herz, sich gegen uns zu wenden. Doch „wenn unser Herz uns verurteilt, [ist] Gott größer … als unser Herz und … weiß [alles]“ (1Joh 3,20).

Wir brauchen uns nicht selbst zu vergeben. Gottes Vergebung reicht aus. Er hat unsere Sünden entfernt, „so fern der Osten ist vom Westen“ (Ps 103,12). Während wir weiterhin mit den Nachwirkungen unserer Sünden zu kämpfen haben, versichert uns Gottes Geist, dass wir zu ihm gehören (vgl. Röm 8,16). Und er begleitet uns auf dem Weg der Heilung bis zu dem Tag, an dem wir wahre und vollständige Ganzheit erfahren werden, wenn wir unserem Erlöser gegenüberstehen (vgl. 1Joh 3,2).