Das apostolische Fundament der Kirche

Artikel von Benjamin Bae
7. Mai 2025 — 10 Min Lesedauer

Kein Architekt der Welt würde behaupten, dass das Fundament eines Gebäudes unwichtig ist. Tatsächlich kann man locker argumentieren, es sei der grundlegendste und wichtigste Teil eines Gebäudes. In Epheser 2,20 verwendet Paulus das Bild eines Gebäudes, um die Kraft der Einheit zu betonen, die für die Kirche bereitsteht, wenn Jesus der Eckstein und die Apostel und Propheten das Fundament sind.[1] Was meint Paulus mit dieser Aussage? Und vor allem, wer sind die Apostel und was macht sie bedeutsam genug, um als Fundament der Kirche betrachtet zu werden? Was ist die Anwendung für die Kirche heute? Ziel dieses Artikels ist es, das Wesen und die Auswirkungen des Apostelamtes genau zu beurteilen.

Das Wesen dieses Fundaments

Der Begriff „Apostel“ bezeichnet einen Botschafter. Im Neuen Testament bezieht sich dieser Begriff hauptsächlich auf die Männer, die von Jesus beauftragt wurden, ihn in der Welt zu repräsentieren und für ihn zu sprechen. Voraussetzung für das Amt war es, Jesus während seines Dienstes auf Erden begleitet zu haben und Augenzeuge seiner Auferstehung zu sein (vgl. Apg. 1,21–22). Ihre Gesamtzahl war, aus symbolischen Gründen, zwölf – vor dem Hintergrund des Alten Testaments diente sie dazu, einen Neuanfang für Gottes Volk anzuzeigen (vgl. Mt 19,28; Lk 22,29–30). Matthias wurde also gebraucht, um Judas zu ersetzen (vgl. Apg 1,23–26). Paulus ist ein außergewöhnlicher Fall, der sein Apostelamt auf eine etwas andere Weise erhielt (vgl. 1Kor 9,1; Gal 1,1; 11–12).

Der Begriff „Apostel“ kann im weitesten Sinne auch „Gesandter der Gemeinde“ bedeuten (vgl. 2Kor 8,23; Phil 2,25), aber diese Stellen beziehen sich nicht auf das Apostelamt als solches, also werden wir uns hier nicht näher damit beschäftigen.

Jesus bestätigt die grundlegende Rolle der Apostel in Matthäus 16,18, wo er zu Petrus sagt: „…Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen,…“. Das Bild ist klar: Christus baut die Gemeinde auf dem Fundament der Apostel auf. Genau das bestätigt Paulus in Epheser 2,20, wo er sagt, dass die Gemeinde „auferbaut [ist] auf der Grundlage der Apostel und Propheten, während Jesus Christus selbst der Eckstein ist“ (siehe auch Offb 21,14; 1Kor 3,10–11).

In Johannes 13–17 erklärt Jesus das Wesen dieser „fundamentalen“ Rolle der Apostel. Diese Männer sollten die von ihm ernannten Sprecher sein. Die, die von ihm unterrichtet wurden, sollten seine weiteren Lehren durch den Heiligen Geist erhalten und das Wort des Christus dann an die Welt weitergeben (vgl. Joh 14,24–26; 16,12–15; 17,8.18.20). Das heißt, dass die Apostel uns im wahrsten Sinne des Wortes Christus geben. Wenn sie sprechen, sprechen sie für ihn, in der von ihm empfangenen Autorität (z.B. 2Thess 3,6; 1Kor 14,36). Ihre Lehre ist die Lehre Christi, die Fülle der Offenbarung durch ihn. Und diese apostolische Lehre wurde der Kirche dann ein für alle Mal anvertraut bzw. übergeben (vgl. 1Tim 6,20; Jud 3). All das hilft uns, ihre „fundamentale“ Rolle zu verstehen (vgl. Eph 2,20; Mt 16,18; Offb 21,14; 1Kor 3,10–11).

Den gleichen Gedanken finden wir in 1. Johannes 1,1–3:

„Was von Anfang war, was wir gehört haben, was wir mit unseren Augen gesehen haben, was wir angeschaut und was unsere Hände betastet haben vom Wort des Lebens – und das Leben ist erschienen, und wir haben gesehen und bezeugen und verkündigen euch das ewige Leben, das bei dem Vater war und uns erschienen ist –, was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen wir euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt; und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus.“

Hier bestätigt der Apostel Johannes, dass die Apostel ihre Lehre und Autorität vom Herrn Jesus selbst empfangen haben und dass sie uns die Christus-Offenbarung vermitteln. Kurz gesagt: Das Zeugnis der Apostel ist der einzige Weg zu Christus.

Die Folgen dieses Fundamentes

Dieses Verständnis vom Wesen des apostolischen Fundaments der Kirche hat folgende Implikationen:

1. Aufgrund der oben beschriebenen Einzigartigkeit darf das Apostelamt nicht wiederholt oder erneuert werden.

Zwar sind alle Nachfolger Christi dazu berufen, Christi Botschafter zu sein (vgl. 2Kor 5,20), die besondere Aufgabe und Rolle der Apostel in der Heilsgeschichte haben aber nicht alle Christen gemeinsam. Es gibt heute einige Traditionen, die für sich beanspruchen, moderne Apostel zu sein, die für neue Aufgaben und Offenbarungen von Gott berufen sind. Dieses Denken geht davon aus, dass Gottes Offenbarung von einem Kontext zum nächsten aktualisiert werden müsse und dass wir auf die neusten Offenbarungen achthaben sollten, die Gott uns mitteilen möchte. Es stimmt zwar, dass wir den Kontext bei der Anwendung des Evangeliums beachten sollten, die Schrift betont aber mehrfach, dass die Offenbarung des Evangeliums von Jesus Christus schon in Fülle bekannt ist. Judas drückt diesen Gedanken in seinem Brief folgendermaßen aus:

„Geliebte, da es mir ein großes Anliegen ist, euch von dem gemeinsamen Heil zu schreiben, hielt ich es für notwendig, euch mit der Ermahnung zu schreiben, dass ihr für den Glauben kämpft, der den Heiligen ein für alle Mal überliefert worden ist“. (Jud 1,3, Herv. d. d. Red.)

Paulus ermahnt Timotheus auch dazu, in den Dingen zu bleiben, die er bereits gelernt hat und von denen er überzeugt worden ist (vgl. 2Tim 3,14). Davon auszugehen, dass neue Offenbarungen notwendig sind, bedeutet die Autorität der Apostel zu mindern, was letztendlich die Autorität Jesu mindert. Der einzigartige und bleibende Wert des Apostelamtes wird in Offenbarung 21,14 bestätigt, wo die Vision des neuen Himmels und der neuen Erde die Anwesenheit von „zwölf Grundsteinen ... die Namen der zwölf Apostel des Lammes“ beschreibt. Das heißt, dass das erste Legen des apostolischen Fundaments eine ewige Bedeutung für die Kirche Gottes haben wird. Sie wird nicht verändert, aktualisiert oder erneuert.

2. Die Kirche muss sich immer erinnern und an dem festhalten, woran die Apostel festgehalten haben: das Evangelium von Jesus Christus.

In manchen Traditionen wird von apostolischer Nachfolge gesprochen, mit dem Ziel, ihre Geschichte und ihre Tradition der Bischöfe bis hin zu den ersten Aposteln des Neuen Testaments zurückzuverfolgen. Der römische Katholizismus zum Beispiel versteht den Papst als rechtmäßigen Nachfolger von Petrus. So wird Petrus als erster Papst verstanden. Dieses Verständnis erkennt nicht die Kernidentität der Apostel: treue Verkündigung und die Bewahrung der Botschaft des Evangeliums, die sie direkt von Jesus empfangen haben. Edmund Clowney schreibt: „Sie werden nur zum Grundstein der Gemeinde, weil Christus der Eckstein ist ... Die Apostel sind keine Gesetzgeber, sondern Berichterstatter und Dolmetscher“[2]. Das heißt, das Wesen des apostolischen Fundaments der Kirche basiert nicht darauf, was die Apostel durch ihre eigenen Fähigkeiten tun können, sondern wozu sie durch ihre empfangene Autorität berufen sind. Deshalb verteidigt Paulus seine Apostelschaft in seinen Briefen an verschiedene Gemeinden, wenn er den Inhalt falscher Lehren konfrontiert, die sich in von ihm gegründete Gemeinden eingeschlichen haben (vgl. Gal 1,6–9). Er zwingt niemanden, seiner apostolischen Autorität blind zu vertrauen. Er zeigt seine apostolische Autorität immer wieder darin, dass er Irrlehren angreift und dabei die Reinheit des Evangeliums bewahrt, die er repräsentieren und treu weitergeben soll (vgl. Gal 3). Ohne das Evangelium Jesu Christi wird dieses Gebäude, die Kirche, in sich zusammenfallen wie ein Gebäude ohne stabiles Fundament.

3. Die Einheit der Kirche steht letztendlich auf dem Fundament, das wir in Jesus Christus haben.

In 1. Korinther 3,11 sagt Paulus, dass eigentlich Jesus das Fundament der Kirche ist, was dem zu widersprechen scheint, was in Epheser 2 gesagt wird. Die zwei Aussagen müssen aber als ergänzend angesehen werden. Da die Autorität der Apostel direkt von Jesus selbst kommt und Jesus der Eckstein ist, an dem alle Teile des Gebäudes hängen, beschreiben die zwei Verse die gleiche Wirklichkeit aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Mit anderen Worten, die Autorität der Apostel anzunehmen bedeutet, die Autorität Jesu anzunehmen; die Autorität der Apostel abzulehnen, bedeutet, die Autorität Jesu abzulehnen. Jesus und seine Botschaft sollen nicht den Aposteln und ihrer Botschaft gegenübergestellt werden! Tatsächlich sieht Jesus sich selbst als Sohn, der vom Vater gesandt wurde (vgl. Joh 20,21), der dann die zwölf aussendet (vgl. Joh 20,21). Das Gesandtsein der Apostel hat seine Wurzel in Jesu Selbstverständnis und Mission (Mt 15,24; 21,37; Mk 9,37; 12,6). Kim Riddlebarger sagt: „Die Kirche wurde nicht von Jesu enttäuschten Nachfolgern organisiert, die versuchten, ihre Scham zu überdecken. Die Kirche wurde von Jesus Christus selbst gegründet“[3]. Es ist wichtig, dass wir die einzigartige Identität dieses Fundaments der Kirche richtig verstehen. In ihrer einzigartigen Rolle bezeugen die Apostel diese Identität: die Person und das Werk Jesu Christi.

Ermutigung für die Kirche heute

Die Kirche heute hat das große Privileg, fest auf dem unerschütterlichen Fundament der Kirche zu stehen und die Wahrheit des Evangeliums an andere weiterzugeben, wie sie an uns weitergegeben wurde. Das sollte uns Mut geben, auch in der heutigen Zeit das Evangelium zu verkündigen. Es ist keine leichte Aufgabe – wir haben oftmals das Gefühl, gegen den Strom zu schwimmen. Wir können aber daran festhalten, dass die Ausbreitung vom Reich Gottes durch das Evangelium ultimativ auf dem Kern des apostolischen Fundaments steht: der Person und dem Werk Jesu Christi. Es wurde schon festgelegt und es besteht keine Notwendigkeit, dieses Ein-für-alle-mal-Fundament weiter auszubauen. Durch die Kraft dieser endgültigen und autoritativen Offenbarung kann die Kirche heute ermutigt und motiviert sein, das Evangelium weiter zu verkündigen. Wie D.A. Carson einst sagte: „Der beste Weg, das Evangelium zu erhalten, ist, es weiterzugeben“[4]. Wir müssen den Dienst des Wortes mit Hunger und einer Erwartungshaltung angehen, wenn wir das Evangelium mit denen teilen, die uns über den Weg laufen. Wir können das mutig und mit Ausdauer tun, weil es unser größtes Privileg ist, eine apostolische Kirche zu sein, die auf Jesus baut, unserem Eckstein. In diesem Gott-verherrlichenden Werk des Teilens und Verbreitens des apostolischen Evangeliums verspricht Jesus, bis ans Ende der Tage bei uns zu sein (vgl. Mt 28,19–20).

Leseempfehlungen

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Wörterbucheinträge

  • Eckhard J. Schnabel, „Apostel“, in: Eckhard J. Schnabel, Unchristliche Mission, Holzgerlingen: SCM R.Brockhaus, 2018, S. 279-282.
  • Paul W. Barnett, „Apostle“, in: Gerald F. Hawthorne und Ralph P. Martin (Hrsg.), Dictionary of Paul and His Letters, Downers Grove, IL: IVP Academic, 1993.

Bücher


1 In der Beschreibung ihrer grundlegenden Rolle fasst Epheser 2,20 Apostel und Propheten zusammen. Wer sind diese „Propheten“? Paulus bezieht sich wahrscheinlich auf die Propheten des Neuen Testaments, die zur Zeit der Apostel auch göttliche Inspiration erhielten, um die Apostel zu unterstützen und/oder mit ihnen zusammenzuarbeiten.

2 Edmund Clowney, Called to the Ministry, Philippsburg: P&R, 1976, S. 45.

3 Kim Riddlebarger, One Holy Catholic and Apostolic Church, Tabletalk, 2004.

4 D.A. Carsons einleitender Satz bei der nationalen Konferenz der Gospel Coalition 2019.