Aspekte unseres Priesterdienstes

Artikel von Dr. Edward Welch
5. Mai 2025 — 8 Min Lesedauer

Die Stellenbeschreibung eines Priesters

Das Herzstück einer priesterlichen Stellenbeschreibung ist die Gemeinschaft mit dem Herrn, die Freude daran, gastfreundlich zu sein und der Schutz des Lebens in seinem Haus. Wir dürfen nie denken, dass unser Gehorsam das Wesentliche des Lebens mit Christus ist. Großzügige Mahlzeiten, Zufriedenheit, Frieden und Vergnügen zählen auch zum Dienst von Gottes Priestern. Es kann gar nicht anders sein, wenn wir dazu eingeladen sind, an der Nahtstelle zwischen Himmel und Erde zu leben. Doch an diesem Ort der Begegnung herrscht reges Treiben. Es gibt viel zu tun. Unsere Identität als geistliche Priester ist von einer bedeutungsvollen Mission geprägt. Langeweile kommt nicht in Frage.

Die ersten Priester kümmerten sich um die Schwachen, die Waisen, die Witwen und die Armen. Sie ermutigten andere, es ihnen gleichzutun und mit offenen Händen zu leihen und großzügig zu sein, wie es uns gezeigt wurde (vgl. 5Mose 15,1–18). Es gab auch Kriege und Konflikte, und die Menschen mussten auf den Kampf vorbereitet sein:

„Wenn es nun zur Schlacht kommt, so soll der Priester herzutreten und mit dem Volk reden, und er soll zu ihm sagen: Höre, Israel: Ihr zieht heute in den Kampf gegen eure Feinde; euer Herz verzage nicht! Fürchtet euch nicht und erschreckt nicht und lasst euch nicht vor ihnen grauen! Denn der HERR, euer Gott, geht mit euch, um für euch mit euren Feinden zu kämpfen, um euch zu helfen.“ (5Mose 20,2–4)

Diese frühen Beschreibungen des priesterlichen Auftrags wiesen immer auf etwas mehr und jemand höheren hin. Die Mission konzentriert sich auf Jesus, den wahren Hohepriester – und von ihm her erhält unsere Stellenbeschreibung eine neue Bedeutung. Wir kümmern uns zum Beispiel immer noch um die Armen, Bedürftigen und Mühseligen. Doch mit der Reife kommt das Bewusstsein dafür, dass auch wir selbst arm und bedürftig sind (vgl. 2Kor 12,1–10). Unsere Fürsorge für andere wird von Mitgefühl durchdrungen (vgl. Hebr 5,1–3). Gleichermaßen sind wir weiterhin geistliche Krieger, die andere Krieger ermutigen. Doch jetzt erkennen wir den wahren Feind und seine tödlichen Strategien (vgl. Eph 6,10–18). Also wenden wir uns unserem Hauptkampf zu. Wir stehen fest gegen alles in uns, das satanische Sympathien hegt. Wir führen Krieg gegen unsere eigenen eigennützigen Begierden (beachte, wie sie unweigerlich Beziehungen spalten und Satans mörderische Methoden nachahmen), und wir helfen einander in diesem Kampf. Diese Details finden sich in drei verschiedenen Aspekten der Stellenbeschreibung von Priestern wieder. Jeder drückt unsere Identität und unsere Aufgabe aus, und jeder kann in unendlicher Vielfalt zum Ausdruck gebracht werden.

Erste Aufgabe: Füllt die Erde mit weisen, einsichtigen königlichen Priestern

Das Füllen der Erde ist ein umfassender Bestandteil der Stellenbeschreibung. Es begann mit den Worten: „Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan“ (1Mose 1,28). Gott hatte eine Leinwand ausgebreitet, und die Menschen waren die Maler, die den Auftrag hatten, sie zu gestalten. Er überließ vieles der menschlichen Kreativität und Fantasie.

Wie die übrige lebendige Schöpfung Gottes, wie Pflanzen und Tiere, sollten auch die Menschen die Erde bevölkern. Wir sind priesterliche Nachkommen, und wir hoffen auf eine viel größere Familie. Der Gott, der das Leben schenkt, gibt uns die Möglichkeit, ihn nachzuahmen, indem auch wir Leben schenken. Wir tun dies, indem wir Kinder haben. Aber was uns vom Pflanzen- und Tierreich unterscheidet, ist, dass wir Kinder einladen können, Jesus zu folgen und am Leben in seiner Fülle teilzuhaben. Wir können die Welt einladen, in eine neue Familie hineingeboren zu werden. Jesus hat uns einen Auftrag erteilt, der die wahre Bedeutung dieses ursprünglichen Mandats erfasst hat: „So geht nun hin und macht zu Jüngern alle Völker, und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie alles halten, was ich euch befohlen habe“ (Mt 28,19–20).

Die Aufgabe, sich die Erde untertan zu machen, gilt seit dem ursprünglichen Auftrag auch weiterhin unverändert. Wir sind Verwalter der Erde. Aber die Seelen der Menschen sind zu unserer wichtigsten Aufgabe geworden. Unser Ziel ist die Taufe, die darauf hinweist, dass Gott uns gereinigt hat. Aber mehr noch bedeutet die Taufe, dass wir uns mit unserem Gott identifizieren und zu ihm gehören. Wir sind wieder in seine Familie aufgenommen worden, und in dieser Familie wachsen wir in Christus, lehren über Christus und beurteilen, was richtig und gut ist.

Der Prophet und Priester Samuel war sich über diesen Aspekt der priesterlichen Aufgabe im Klaren, sogar dann, als das Volk, dem er diente, sich gegen den Herrn auflehnte: „Es sei aber auch ferne von mir, mich an dem HERRN zu versündigen, dass ich aufhören sollte, für euch zu beten und euch den guten und richtigen Weg zu lehren!“ (1Sam 12,23; siehe auch 5Mose 33,10). Priester rufen Kinder, Nachbarn und die ganze Welt auf, Jesus näher zu kommen.

Zweite Aufgabe: Sorgt für den Frieden und die Reinheit der Gemeinschaft der Gläubigen

Diese Fürsorge ist ein lokaler Aspekt unseres priesterlichen Auftrags. Die Aufgabe der Priester ist es, das Haus Gottes zu schützen und zu bewahren. Als Adam und Eva auf dem anfänglichen Testgelände in Eden versagten, setzte Gott Cherubim ein, um sein Heiligtum zu schützen. In der nächsten Phase der Erlösungsgeschichte wichen die Cherubim den Priestern. Die Menschen wurden wiederhergestellt. Die Priester waren diejenigen, die Wache hielten (vgl. 4Mose 18,3–4; 5Mose 18,7). Sie bekamen ein umfangreiches Gesetzbuch mit genauen Anweisungen. Sie durften nur wenig improvisieren. Stattdessen wurden sie darin geschult, die Wege Gottes zu erkennen. Doch selbst mit dieser detaillierten Anleitung versagten die Priester und stürzten sich kopfüber in die Götzendienste, vor denen sie eigentlich schützen sollten.

Wie sich herausstellte, war ihr Versagen im Gesetzbuch festgehalten. Das Blut der Tiere wies auf die Notwendigkeit eines besseren Opfers hin. Und die instinktive Neigung des menschlichen Herzens zur Unabhängigkeit wies auf die Notwendigkeit eines Herzens hin, das nicht nur rehabilitiert, sondern neu sein musste. Erst als Jesus der Hohepriester, das Opfer und die Stiftshütte wurde, wurde die Gemeinde das königliche Priestertum. Doch auch die Gemeinde hat ihre Schwierigkeiten. Wir erleben Spaltungen, Irrlehrer und sündige Prediger sowie all die anderen Sünden, die die Menschheit kennt.

Der Apostel Paulus schützte den Frieden und die Reinheit der Gemeinden mit großem Eifer:

„Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid, und dass der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes verderbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr.“ (1Kor 3,16–17)

In diesem Abschnitt verwendet er das Bild der Gemeinde als Tempel anstelle des Einzelnen als Tempel. Er beschützt die Gemeinde, indem er den Personenkult und die Bevorzugung in der Gemeinde anprangert. Als er über das Abendmahl schrieb, richtete Paulus seine Aufmerksamkeit auf die Differenzierung zwischen Armen und Reichen, wobei die Reichen bevorzugt behandelt wurden. Das dürfe in Gottes Tempel nicht vorkommen, schrieb er. Spannungen und Spaltungen sollten vor dem priesterlichen Mahl beigelegt werden (vgl. 1Kor 11,17–33). Dann wechselte er in seinem Pastoralbrief vom Bild von der Gemeinde als Gottes Tempel zur Gemeinde als Leib Christi (vgl. 1Kor 12,12–30), was noch intimer ist als die Sprache der Stiftshütte.

Für uns bedeutet das, dass auch wir darauf achten müssen, keine Bevorzugung oder angespannten Beziehungen zuzulassen, sei dies in unseren eigenen Herzen und Beziehungen oder bei anderen. Einige Fragen dazu:

  • Gehen wir manchen Menschen in unserer Gemeinde nach und anderen nicht?
  • Vermeiden wir diejenigen, die anders sind als wir?
  • Hat irgendjemand etwas gegen uns?
  • Haben wir über andere in der Gemeinde gelästert?

Diese Fragen sind nicht einfach nur unser Versuch, das Richtige zu tun. Sie sind Merkmale unseres priesterlichen Menschseins, und es ist unsere Aufgabe und Berufung, ihnen nachzugehen.

Dritte Aufgabe: Spiegelt den Herrn wider (vgl. 2Mose 34,33; Ps 34,5)

Um sich diesen Aspekt der priesterlichen Stellenbeschreibung besser vorstellen zu können, sollten wir an Mose denken, der Gottes Größe und Heiligkeit widerspiegelte. Mose wollte vor allem anderen die Herrlichkeit Gottes bezeugen. Als der Herr sich ihm näherte, offenbarte er ihm einen Teil seiner Herrlichkeit. Mose seinerseits spiegelte buchstäblich den Glanz Gottes wider. Weil Gott Licht ist, reflektierte Mose dieses Licht:

„Als nun Mose vom Berg Sinai herabstieg — und die beiden Tafeln des Zeugnisses waren in der Hand Moses, als er vom Berg hinabstieg —, da wusste Mose nicht, dass die Haut seines Angesichts strahlte, weil er mit Ihm geredet hatte. Und Aaron und alle Kinder Israels sahen Mose, und siehe, die Haut seines Angesichtes strahlte; da fürchteten sie sich, ihm zu nahen.“ (2Mose 34,29–30)

Diese Geschichte ist einmalig im Alten Testament. Nur hier erfahren wir, dass sich das Antlitz eines Menschen verändert, weil er oder sie dem Herrn nahe war. Es ist jedoch eine priesterliche Geschichte. Mose repräsentierte das Volk und wurde aufgefordert, sich ihm zu nähern. Als er sich ihm näherte, nahm er ein Merkmal desjenigen an, den er erblickte. Kleidungsstücke können den Herrn widerspiegeln; ebenso können Gesichter ihn widerspiegeln. Die Geschichte wird im Neuen Testament wieder aufgegriffen, wo sie sogar noch besser sein wird (vgl. 2Kor 3,12–18).