Großes Leid und ein größerer Erlöser

Das Buch Hiob

Artikel von Anthony Selvaggio
29. April 2025 — 4 Min Lesedauer

Ein altes Buch über einen nichtjüdischen Patriarchen

Das Buch Hiob wird im Kanon des Alten Testaments zwischen Ester und den Psalmen eingeordnet. Diese Zuordnung führt manchmal zu falschen Schlussfolgerungen darüber, wer Hiob war und wann er lebte.

Erstens sind sich die meisten Gelehrten einig, dass Hiob kein Israelit war. Diese Schlussfolgerung ergibt sich aus der Tatsache, dass er in Uz und nicht in Kanaan lebte (vgl. Hiob 1,1). Es ist sehr wahrscheinlich, dass Hiob im Land Edom zu Hause war, denn in den Klageliedern wird Edom mit Uz in Verbindung gebracht (vgl. Klgl 4,21). Auch wenn Hiob kein Israelit war, betete er den Gott Israels an und diente ihm. Die Tatsache, dass Hiob außerhalb Israels lebte, weist darauf hin, dass die Weisheit des Buches Hiob (ähnlich wie bei Sprüche) universeller Natur ist und Themen wie Leid anspricht, die alle Menschen betreffen.

Ein zweites Missverständnis betrifft die zeitliche Einordnung der Ereignisse in Hiob, die nicht mit den Ereignissen im Buch Ester (486–485 v. Chr.) übereinstimmen. Die Ereignisse passen vielmehr in die Zeit Abrahams und der anderen Patriarchen (etwa 2100–1800 v. Chr.). Tatsächlich sind sich die meisten Gelehrten darüber einig, dass Hiob vor dem abrahamitischen Bund lebte. Es gibt mehrere Faktoren, die dafürsprechen, dass Hiob in der Zeit der Patriarchen lebte. Erstens ähneln die göttlichen Namen, die in Hiob für Gott verwendet werden, denen, die in den anderen Büchern aus der Zeit der Patriarchen genutzt werden. Zweitens entspricht die Beschreibung von Hiobs Reichtum (d.h. die Anzahl des Viehs, der Knechte und der Edelmetalle) ebenfalls der Zeit der Patriarchen. Drittens gleicht Hiobs Lebensspanne von 140 Jahren (vgl. Hiob 42,16) der Lebensspanne der Patriarchen. Viertens, und das ist am überzeugendsten, handelt Hiob in einer priesterlichen Rolle für seine Familie, was darauf hindeutet, dass das levitische Priestertum bislang nicht etabliert worden war (vgl. Hiob 1,5).

Gott lässt zu, dass rechtschaffene Menschen leiden

Oft wird angenommen, dass das Buch Hiob das Geheimnis des menschlichen Leidens erklärt. Das ist aber nicht der Fall. Es erklärt uns jedoch, warum Hiob gelitten hat (auch wenn Hiob selbst den Grund nie erfahren hat). Hiob litt, weil Satan behauptete, dass er Gott nur deshalb anbetete, weil dieser ihn gesegnet hatte. Sollte Gott diese Segnungen aufheben, so prophezeite Satan, würde Hiob den Namen Gottes verfluchen (vgl. Hiob 1,9–11). In seiner absoluten Souveränität erlaubte Gott dem Satan, seine Hypothese zu testen. Daraufhin wird Satan eines Besseren belehrt, was sowohl Gott als auch Hiob rehabilitiert. Gott wird als verehrungswürdig bestätigt, einfach weil er ist, der er ist, und Hiob wird als integrer Mensch bestätigt.

Aber die Bedeutung der Lehren aus Hiobs Geschichte sollte nicht nur auf einen Mann aus alter Zeit aus dem Land Uz beschränkt werden. Dieser Bericht über die geheimnisvolle Beziehung zwischen Gottes Souveränität, menschlichem Leid und persönlicher Gerechtigkeit spricht größere, universelle Fragen in Bezug auf das menschliche Dasein an und bietet ein Korrektiv für schlechte Theologie. Die Geschichte von Hiob tut dies, indem sie den Grundsatz aufstellt, dass Leiden nicht immer mit Sündhaftigkeit verbunden ist. Hiob lehrt uns, dass auch gerechte Menschen in einer gefallenen Welt leiden werden. Wie uns Hiob 1,1 offenbart, war Hiob ein rechtschaffener, untadeliger und gottesfürchtiger Mann – und dennoch litt er sehr, wie der Verlauf seiner Geschichte zeigt.

Indem das Buch Hiob uns das Beispiel eines rechtschaffenen Menschen vor Augen führt, der leidet, bietet es uns ein hilfreiches Korrektiv zu dem, was manchmal als „Vergeltungstheologie“ bezeichnet wird. In der Vergeltungstheologie wird behauptet, dass die Menschen wegen ihrer ungerechten Taten leiden und für ihre gerechten Handlungen belohnt werden. Hiobs Freunde machten sich diese verkehrte Theologie zu eigen, und auch wir modernen Gläubigen stehen in der Gefahr, dasselbe zu tun. Glücklicherweise entlarvt das Buch Hiob die Falschheit eines solchen Denkens: Es erinnert uns daran, dass Gott es zulässt, dass gerechte Menschen für seine guten und weisen Absichten leiden (auch wenn die Einzelheiten dieser Absichten denjenigen, die solches Leid ertragen, oft nicht offenbart werden).

Hiob nimmt das Erlösungswerk von Jesus Christus vorweg

Eine Art, wie das Buch Hiob uns auf Jesus hinweist, ist Hiobs Wunsch, dass jemand zwischen ihm und Gott vermittelt. Im Verlauf der Geschichte beginnt Hiob, Gott infrage zu stellen, und irgendwann ist er so verzweifelt, dass er nach einem Mittler ruft, der ihn vor Gott vertritt (vgl. Hiob 9,32–35). Das Neue Testament offenbart uns, dass Gott in Jesus Christus einen solchen Mittler bereitgestellt hat (vgl. 1Tim 2,5–6).

Aber vor allem weist das Buch Hiob auf das Erlösungswerk Christi hin, indem es uns zeigt, wie ein gerechter Mensch großes Leid erfährt, um Gottes weise Absichten zu verwirklichen. Wie wir gesehen haben, hatte der gerechte Hiob zu leiden, um sowohl Gott als auch Hiob zu rehabilitieren. Jesus, der in jeder Hinsicht vollkommen gerecht war, musste den Zorn Gottes erleiden, um den Erlösungsplan Gottes zu verwirklichen und seinem Volk das Heil zu bringen. In der Geschichte von Hiob wird die Geschichte des Kreuzes vorweggenommen, und in der Geschichte des Kreuzes finden wir den wahren Sinn und die Bedeutung des Leidens.